Das größte Problem bei der Abgabe ist das Verhalten der kleineren Betriebe. Sie entziehen sich systematisch der Beschäftigung von Schwerbehinderten und zahlen lieber die Abgabe. Die Folge aus der Befreiung: Kleinere Betriebe machen sich gerne einen schlanken Fuß. Nur etwa neun Prozent der sehr kleinen Betriebe (mit unter 10 Beschäftigten) geben an, in den letzten drei Jahren mindestens eine schwerbehinderte Person beschäftigt zu haben. Bei den Betrieben ab 250 Beschäftigten waren es dagegen über 90 Prozent. Die Freistellungs-Politik bei der Quote und bei der Ausgleichsabgabe hat also negative Auswirkungen für die Arbeitsmöglichkeiten der Schwerbehinderten.
Eigentlich keine großen Unterschiede
Die Bilanz ist ernüchternd: Nach der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) schwerbehinderter Menschen erfüllt ein Großteil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenquote nicht: Im Jahr 2021 kamen insgesamt nur 39 Prozent der privaten und öffentlichen Arbeitgeber der gesetzlichen Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach. Darüber hinaus haben 35,1 Prozent der Betriebe ihre Beschäftigungspflicht wenigstens teilweise erfüllt. 25,9 Prozent der Betriebe haben komplett gemauert, und obwohl sie Schwerbehinderte hätten einstellen müssen, dies nicht getan. In Summe haben also 61 Prozent der Betriebe die Schwerbehinderten-Quote nicht erfüllt. Diese Werte sind in den letzten zehn Jahren weitgehend konstant. Die Mehrzahl der Betriebe zahlt lieber die Abgabe als Schwerbehinderte zu beschäftigten.
Die Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren, dass die Abgabe offensichtlich zu gering ist und die Betriebe sie mit links aus der Portokasse bezahlen. VdK-Präsidentin Verena Bentele nennt es verantwortungslos, dass sich die Mehrheit der deutschen Arbeitgeber weigert, schwerbehinderte Erwerbstätige in ausreichendem Umfang einzustellen. "Während die Zahl der Arbeitslosen generell zurückgeht, steigt die der Menschen mit Schwerbehinderungen seit Jahren und liegt aktuell bei mehr als 170.000. Diese Menschen wollen arbeiten, aber Unternehmen lassen sie nicht."
Dabei sind die Erfahrungen der Unternehmen mit Schwerbehinderten oft positiv: Mehrheitlich sehen Betriebe keine gravierenden Unterschiede bei Menschen mit und ohne Behinderungen. Sie sind "gleich", geben die Befragten bei folgenden Punkten an: Fehlzeiten: 53 %, Einarbeitung ist notwendig: 67 %, Arbeitsmotivation: 73 %, soziale Einbindung: 79 %, Leistungsfähigkeit: 55 % und Belastbarkeit: 46 %. Aber es gibt auch Kritik. Es sind vor allem drei Punkte: Die Fehlzeiten von Menschen mit Schwerbehinderungen seien höher (sagen 28 % der Betriebe). Der Einarbeitungsaufwand sei größer, sagen 18 % der Betriebe. Geringere Leistungsfähigkeit (33 %) und Belastbarkeit (42 %) beklagen die Unternehmen ebenfalls.
Offenbar gibt es viel Mismatch
Das Geld aus der Ausgleichsabgabe fließt zukünftig ausschließlich in die Förderung der Beschäftigung, also auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Kein Geld erhalten mehr sogenannte "Einrichtungen zur Teilhabe" (Werkstätten für Behinderte, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation etc.).
Die IAB-Untersuchung zeigt, dass 77 Prozent der Betriebe, die eine Ausgleichsabgabe zahlen, zu wenig geeignete Bewerbender*innen mit Schwerbehinderung finden. Offensichtlich gibt es ein Mismatch bei der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) oder bei der Kontaktfindung zwischen Schwerbehinderten und suchenden Betrieben. AWO Präsidentin Kathrin Sonnenholzner sieht eine Ursache darin, dass die Arbeitsstätten nicht barrierefrei sind. Für sie ist das die wichtigste Maßnahme für mehr Inklusion.
Es ist natürlich fatal, wenn die Betriebe den Kontakt zur BA zu selten suchen oder die Agentur nur sporadisch Vorschläge macht, wie freie Arbeitsplätze mit einer schwerbehinderten Person zu besetzen sind. Das stark gegliederte System der Inklusion führt auch nicht zu größeren Erfolgen bei der Inklusion. Mit dem Inklusionsamt, der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter, dem Rentenversicherungsträger und der Berufsgenossenschaft kümmern sich fünf Institutionen um Schwerbehinderte. Um wenigstens den Arbeitgebern mehr Orientierung zu geben, entstanden einheitliche Ansprechstellen, die jetzt im Gesetz verankert sind.
Fazit
Die neuen gesetzlichen Maßnahmen führten in ihrer Gesamtheit nur zu kleineren Verbesserungen bei der Beschäftigung von Menschen mit einer Schwerbehinderung im Arbeitsmarkt. Die Nichterfüllung der Quote wird zwar teurer. Das reicht aber nicht, um mehr Personen mit Handicaps in Arbeit zu bringen. Ob die moderate Erhöhung der "Strafzahlungen" wirklich zu einem anderen Einstellverhalten der Betriebe führt, bleibt abzuwarten.