Dass viele Menschen die Branche gewechselt haben, wundert nicht. Bei eingetrübten Aussichten orientierten sich Menschen um. "Während der Krise dürfte für viele Sicherheit noch wichtiger geworden sein", sagt IW-Studienautorin Paula Risius dem Deutschlandfunk. Dieses Bedürfnis wird für viele in der Gastronomiebranche nicht erfüllt.
Speditionsbranche muss Attraktivität steigern
"Es fehlen schon jetzt zwischen 80.000 und 100.000 Fahrer", sagte der Vorstandssprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt. "Wir bekommen Rückmeldungen von unseren Transportunternehmern, dass sie Aufträge ablehnen müssen, dass sie an Ausschreibungen nicht mehr teilnehmen, dass sie Fahrzeuge verkaufen oder stilllegen, weil sie das Fahrpersonal nicht haben", so der Verbandsfunktionär in einem Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur, das die Stuttgarter Zeitung veröffentlicht.
Personalprobleme wegen des Kriegs in der Ukraine gibt es in Deutschland nicht, weil hier anders als in Polen fast keine ukrainischen Fahrer beschäftigt sind. Der Mangel an Lkw-Fahrern muss also andere Gründe haben. Engelhardt schätzt, dass rund 30.000 bis 35.000 Fahrer jedes Jahr in Rente gehen und im Schnitt nur etwa 15.000 bis 20.000 neue Lkw-Fahrer nachkommen. Der BGL berechnet das anhand der absolvierten Lkw-Führerscheinprüfungen. Bleibt die Entwicklung, wie sie ist, fehlen in zehn Jahren mehr als 230.000 Fahrer, schätzt der Verband.
Gründe für die mangelnde Attraktivität des Berufs sieht der BGL beim zu geringen Lohnniveau, dem schlechten Berufsimage und den Arbeitsbedingungen. Auch, dass Beruf und Privatleben für LKW-Fahrer*innen oft schwer vereinbar seien, komme hinzu. Anstatt aber diese Punkte konsequent zu attackieren, ruft der Verband nach qualifizierter Zuwanderung aus der Türkei. Außerdem fordert der BGL, das Führerscheinrecht zu liberalisieren, damit mehr Pkw-Lenker*innen wenigstens die Klein-Transporter steuern können.
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Handfeste Gründe forcieren die Abwanderung
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung (HBS) befragte 3.900 Arbeitnehmervertretungen, wie stark der Fachkräftemangel ist und wo die Gründe dafür liegen. 56,2 Prozent der Befragten geben an, dass in den vergangenen 24 Monaten nicht alle ausgeschriebenen Stellen zu besetzen waren. Als Hauptgrund für die Probleme nennen die Betriebs- und Personalräte mehrheitlich den Mangel an geeigneten Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Relevant sind aber auch schlechte Arbeitsbedingungen: Wenn es um fehlendes Personal für einfache Tätigkeiten geht, hält fast ein Drittel die unattraktiven Konditionen (niedrige Bezahlung oder ungünstige Arbeitszeiten) für ausschlaggebend.
Attraktivere Arbeitsbedingungen könnten nach Einschätzung von Studienautorin Elke Ahlers von der HBS dazu beitragen, das Problem in den Griff zu bekommen. Um insbesondere Geringqualifizierte, Ältere und Menschen mit Migrationshintergrund besser ins Arbeitsleben zu integrieren, brauche es zudem mehr Weiterbildung. Mehr Kita-Plätze, familienfreundliche Arbeitszeiten, eine gerechtere partnerschaftliche Aufteilung der Sorgearbeit und Homeoffice könnten jungen Eltern die Teilhabe am Erwerbsleben erleichtern.
Zudem könnten gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen und eine bessere Prävention älteren Arbeitnehmer*innen den Verbleib im Job ermöglichen. Um ausländische Fachkräfte zu gewinnen, sollten die Kosten von Sprachkursen vom Staat oder von Unternehmen übernommen, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse erleichtert und Anpassungsqualifizierungen ermöglicht werden.
Fazit
Wer aus dem Biergarten in den Supermarkt wechselte oder aus dem Sicherheitsdienst am Flughafen in ein Testzentrum, stellt vielleicht fest, dass die Arbeitszeiten flexibler oder familienfreundlicher sind. Klar, vielen fehlt das Trinkgeld, aber die Bezahlung ist in vielen Branchen besser. Die Gastronomie ist der große Verlierer der Rochade auf dem Arbeitsmarkt, obwohl es Beispiele gibt, wie es gelingt, mit dem richtigen Teamspirit schwierige Zeiten gemeinsam zu stemmen. Bei den Flughäfen sind es Fehler in der Personalwirtschaft, die eigentlich nicht passieren dürfen. Und den Speditionen ist nur zu raten, noch einmal gründlich über die Qualität der Beschäftigung in der Branche nachzudenken.