Eigene Begabungen erkennen und zulassen - das ist der Schlüssel zum Berufsglück, sagt IHK-Trainerin Anke Ames.
M entale Stärke und innere Zufriedenheit - wer würde nicht gerne darauf bauen und als beeindruckende Persönlichkeit durchs Leben gehen? Anke Ames weiß, wie man das schafft. Die Musikerin und TV-Moderatorin arbeitet heute vorwiegend als Personal Coach und Trainerin (IHK).
Warum sind viele Menschen mit dem Leben, das sie führen, nicht vollkommen zufrieden?Anke Ames: Bei Menschen, die im Arbeitsleben stehen, sind oft Missstände in ihrem Unternehmen der Grund für Unzufriedenheit. Konfliktsituationen unter Kollegen oder zwischen Führungskräften und Mitarbeitern wirken sich auch aufs Privatleben aus. Auslöser ist ein gesellschaftliches Problem: unser Leistungsprinzip, das keinen Raum für wertschätzendes Miteinander, Kreativität und Freude zulässt.
Das klingt hart.
Ist es wirklich so schlimm?Oft schon. Hohe und immer höhere Zielvorgaben machen Stress. Und wenn der Mitarbeiter nicht in Veränderungsprozesse einbezogen wird, wenn seine Einwände nicht gehört werden, dann führt das in einen Teufelskreis: Der Mitarbeiter ist frustriert, macht Dienst nach Vorschrift. Die Führungskraft erkennt, dass Ziele nicht erreicht werden, und erhöht den Druck - zulasten einer positiven Unternehmenskultur. Vor diesem Hintergrund wird Arbeit mittlerweile von vielen als schlimm beziehungsweise negativ wahrgenommen.
Dabei ist innere Zufriedenheit doch die Grundlage für gute, zielorientierte Arbeit?Natürlich. Stattdessen haben wir in vielen Bereichen ein grundlegendes Motivationsproblem. Der Mitarbeiter fühlt sich fehl am Platz, traut sich aber - aus einem Sicherheitsdenken heraus - nicht, selbst in die Veränderung zu gehen.
Die renommierte "Gallup Studie" von 2015 hat gezeigt: 15 Prozent der Mitarbeiter haben innerlich bereits gekündigt, 15 Prozent sind zufrieden, 70 Prozent machen Dienst nach Vorschrift. Hauptgrund dafür ist laut Gallup fehlende Führungsqualität.
Ein weiterer Punkt ist das individuelle Potenzial. Die Frage lautet: Bin ich richtig in meinem Job? Erfüllt er mich? Gibt er mir Energie, statt mich nur Kraft zu kosten? Die wenigsten können das mit Ja beantworten.
Aber im Normalfall hat sich doch jeder seinen Beruf selbst ausgesucht.Ja, aber viele sind in ein Leistungsprinzip hineingewachsen. Sie haben ihren Job nicht unter dem Aspekt "Wofür schlägt mein Herz?" gewählt, sondern unter dem Vernunftsaspekt "Womit habe ich gute Aussichten und bin abgesichert?". Spitzenleistungen im Sport oder Profimusik-Bereich werden erreicht, weil die Akteure dafür brennen, voller Leidenschaft.
In unserer Gesellschaft brennen zu wenige für das, was sie tun. Da ist zu wenig Herzenergie.
... und nur mit Herzenergie kann man glücklich und zufrieden werden?Schauen wir uns mal ein paar Beispiele an. Den Züricher Herzchirurgen etwa, der mit 54 auf dem Höhepunkt seiner Karriere alles hinschmiss und Brummifahrer wurde (Buch: "Vom Herzchirurgen zum Fernfahrer"). Mittlerweile tourt er mit dem Reisebus durch Nordeuropa. Oder die Frau, die bei Günther Jauch 500 000 Euro gewann, sich den Traum von einer Weltreise erfüllte - und dabei nicht einen Cent ihres Gewinns brauchte. Ich habe auch ein ganz persönliches Beispiel: Eine Freundin, Finanz- und Versicherungsmaklerin, wurde mit 45 Jahren Heilpraktikerin. Sie hat nun eine florierende Praxis.
Diese Menschen haben ihr Leben komplett umgekrempelt.
So radikal will aber nicht jeder agieren...Zuallererst gilt es auszuloten, wo meine persönliche Begabung liegt - und wie sie sich in den Arbeitsalltag umsetzen lässt. Einige gehen danach in eine totale Veränderung und wechseln nicht nur den Arbeitsplatz, sondern auch den Job an sich. Anderen genügen kleine Veränderungen, wie ein anderes Aufgabengebiet, ein anderes Team oder die Fähigkeit, sich besser durchsetzen zu können. Die eigene Begabung erkennen und zulassen - das ist das Stichwort. Träume verwirklichen, bevor es zu spät ist. Das muss nicht immer mit dem Job zusammenhängen.
... sondern mit dem Privatleben?Wichtig ist immer die Eigenverantwortung! Niemand sollte seine Zufriedenheit abhängig machen von anderen. Nicht vom Chef, nicht vom Partner, nicht vom Umfeld.
Und wie setzt man diese Erkenntnis in die Tat um?Es gibt mehrere "To Dos": einen persönlichen Lebensplan erstellen, der rückwärts aufgezogen ist - eine sogenannte Timeline. Was will ich bis ans Ende meiner Tage unbedingt erreicht haben? Wie kann ich das konkretisieren und umsetzen? Die Antworten schreibe ich auf. Außerdem muss ich mir der eigenen Besonderheiten bewusst werden. Was kann ich besonders gut, was zeichnet mich aus? Was habe ich schon erreicht? Zum Beispiel: Ich habe zahlreiche Events selbständig organisiert und vorbereitet, ich trainiere Jugendliche, ich bin den Jakobsweg gelaufen ... Das stärkt die Persönlichkeit.
Aber auch wenn ich meine persönlichen Stärken kenne, habe ich sie ja noch lange nicht "an den Mann gebracht", beziehungsweise den Chef, die Kollegen...Jeder kann lernen, seinen eigenen
Standpunkt zu vertreten und keine Angst davor zu haben, jemandem auf die Füße zu treten. Gerade für Frauen ist das wichtig: Sie erfüllen eher das Bedürfnis des anderen als das eigene. Einfaches Beispiel: Fensteröffnen im Büro. Wenn der Kollege das Fenster öffnet, ohne zu fragen, und der Kollegin ist es zu kalt, zeigt sie das körpersprachlich und hofft, dass der Kollege sein "Fehlverhalten" wieder einstellt. Das wiederum erkennt der Kollege nicht. Die Situation eskaliert.
Und im Prinzip nur, weil die Frau zu viel erwartet, aber nichts gesagt hat. Genau, aber hier geht es nicht einfach nur um Höflichkeit. Sondern um Respekt. Respekt muss man sich verdienen. Und auch das kann man lernen. Man muss sich bewusst machen: Wann ist Selbstkritik förderlich? Wann hindert sie uns? Frauen sind sehr selbstkritisch.
Wird ihnen eine Position angeboten, hinterfragen sie erst die eigene Qualität und hadern damit. Männer ergreifen die Möglichkeiten einfach. Aus meiner Sicht hängt das mit der Persönlichkeit zusammen und ist zum Teil auch evolutionär bedingt. Der Mann war Jäger, hätte er in der Steinzeit zu viel nachgedacht, hätte er sein Wild nie erlegt. Die Frauen haben den Nestbautrieb, achten vielmehr auf ihr Umfeld.
Au weh. Unsere Urtriebe hindern uns heute also daran, glücklich zu werden...Jede Medaille hat zwei Seiten. Die Selbstkritik ermöglicht uns andererseits, Blockaden aufzudecken und daran zu arbeiten. Fragen Sie sich mal, ob sie guten Gewissens über sich selbst sagen können: "Ich bin ein toller Typ." Haben Sie Vorbehalte, wird es Zeit, am Selbstbewusstsein zu arbeiten.
Wenn wir nicht für die eigene Zufriedenheit sorgen, wer soll es dann machen?
INFO:
Anke Ames: Dipl.-Musikerin Anke Ames arbeitet als Business-Trainerin und Coach. Bereits im Musikstudium beschäftigte sie sich mit dem Ausbau mentaler und persönlichen Stärke. Das intensivierte sie als Moderatorin und Redaktionsleiterin bei Sendern in Bayern und Baden-Württemberg. Nach Sender-Insolvenz und Trennung von ihrem Mann nutzte sie die Möglichkeit zum Neubeginn und widmete sich dem, was ihr am Herzen liegt: der Weiterentwicklung von Menschen. 2014 gründete sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten das Persönlichkeitszentrum Münsterschwarzach (PZM), das sich auf Firmentrainings und -Coachings im Bereich gesunde Führung und Persönlichkeitsentwicklung spezialisiert hat.
Seminar: Vom 11. bis 13. Juli findet im Landhotel
Geiselwind das Seminar "Power für die Persönlichkeit" statt. Führungskräfte und Menschen in beruflicher Veränderung entwickeln Strategien, wie sie Konflikte sowie Barrieren lösen und sich bestmöglich "verkaufen". Kosten: 680 Euro. Info: ww