Wer glaubt, dass mit der Energiewende eine strahlenfreie Zukunft in Deutschland begonnen hat, irrt. Die Nato modernisiert ihre Kernwaffendepots. Und die Bundesrepublik schaut nicht nur zu: Im Verteidigungsfall würden Piloten der Bundeswehr mit deutschen Kampfflugzeugen amerikanische Bomben zum Einsatz bringen.
Militärjets im Tiefflug über dem Kernkraftwerk Grafenrheinfeld: Das war bis zur Abschaltung des Meilers im Juni eines der Schreckensszenarien für alle Kritiker der Atomtechnik. Die Erleichterung über den Atomausstieg ist groß, so groß, dass eine andere gewaltige Bedrohung kaum wahrgenommen wird: Auf deutschem Boden sind weiterhin Atomwaffen stationiert. An einen Ausstieg denkt da niemand.
Nicht einmal der Abschuss einer Passagiermaschine über der Ukraine vor einem Jahr hat den Blick auf die Tatsache gelenkt, dass der Kalte Krieg zwischen Ost und West alles andere als vorbei ist. Und dass es alles andere als undenkbar ist, dass dieser kalte Konflikt eskaliert. Die jüngst bekannt gewordenen Pläne der US-Regierung, ihre in Europa stationierten Atomwaffen zu modernisieren, haben in Moskau zu Reaktionen geführt, die nicht nur beim Tonfall an den Kalten Krieg erinnern.
Atomwaffen in Deutschland kann es an sich gar nicht geben, denn die Bundesrepublik hat den Atomwaffen-Sperrvertrag unterzeichnet, der den Besitz dieser Massenvernichtungswaffen auf die Atommächte beschränkt. Das sind die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China. Nicht unterzeichnet haben den Vertrag lediglich Indien, Pakistan, Israel und der Südsudan.
"Nukleare Teilhabe"
Der Trick, der Deutschland (West und auch Ost) bis in die 70er Jahre zum Atomwaffenlager machte, heißt "nukleare Teilhabe". Dieser Vertrag ist Teil der Strategie des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (Nato). Die Nato bekennt sich zwar "vom Grundsatz her" zur Abrüstung; sie bleibt aber ein nukleares Bündnis, "so lange es Atomwaffen gibt". Und so lange sie ein nukleares Bündnis ist, unterstützen die Mitgliedsstaaten alle Maßnahmen, mit denen die Nato sicherstellt, dass sie auf jede Bedrohung "angemessen" reagieren kann. Dazu gehören die Atomwaffen, die die USA in Europa stationiert haben. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, so schätzen Militärexperten, bunkerten die USA auf dem Gebiet der Bundesrepublik 5000 Atomsprengköpfe; die Massenvernichtungswaffen jeder Größe lagen in sogenannten Sondermunitionslagern (SAS) auch in Franken: in Bad Kissingen und Kitzingen, Aschaffenburg, Wertheim, Erlangen, Feucht und Ansbach.
Durch das Hintertürchen
Das Gegengewicht bildeten mehrere hundert Atomsprengköpfe in Basen des Warschauer Pakts in der DDR; anders als bei der Nato gibt es dazu nicht einmal verlässliche Schätzungen. Lange geheim gehalten wurde unter anderem die Stationierung von 54 Mittelstreckenraketen (SS12) in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.
Immer noch lagern Atomwaffen in Europa
Der Fall des Eisernen Vorhangs hat vordergründig auch das nukleare Säbelrasseln beendet. Doch die USA haben sich dank Nato ein Hintertürchen offen halten können: Nach wie vor lagern Atomwaffen in Europa, unter andrem 20 Atomsprengköpfe auf dem Militärflugplatz Büchel in der Eifel.
Die Waffen des Typs B61 sind Freifallbomben. Sie werden von Trägerflugzeugen ins Ziel gebracht. Pikant dabei: Die USA verfügen in Deutschland selbst über kein Flugzeug, das die B61 transportieren kann. Auch nach der geplanten Erneuerung des Arsenals in Deutschland mit lenkbaren Bomben wird es nur ein Flugzeug geben, das die Waffen tragen kann: den Tornado der Bundeswehr.
Deutsche Piloten befördern US-Waffen
Im Verteidigungsfall würden Piloten der Bundeswehr mit deutschen Kampfflugzeugen die amerikanischen Waffen zum Einsatz bringen. Beschlusslage ist eigentlich eine andere: Der Bundestag hatte 2010 beschlossen, die Bundesregierung solle sich mit Nachdruck bei den USA für den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland einsetzen. Auch für Russland ist das atomare Drohszenario ein "klarer Verstoß" gegen geltendes Recht wie den Atomsperrvertrag. Deshalb hat Moskau auch auf das jüngste Nato-Manöver"Steadfast Noon" in scharfem Ton reagiert. Hier üben auch Soldaten der Bundeswehr auf dem Stützpunkt Büchel den Einsatz der Kernwaffen. Während die USA die Integration der Waffen in deutsche Tornados zahlen, modernisiert das Verteidigungsministerium für 112 Millionen Euro die Landebahn und das Instrumentenanflugsystem in Büchel. Alles höchst geheim.
Der aus Fürth stammende Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, hat Anfragen dazu aus dem Bundestag nicht beantwortet. Derartige Operationen unterlägen "den Geheimhaltungsregeln der Nato". Bekannt wurden die nuklearen Planspiele durch eine Indiskretion der griechischen Regierung, deren Armee ebenso wie polnische Truppen an dem Manöver teilnimmt.
Absturz in Büchel
Ob solche Provokationen Europa sicherer machen, ist fraglich. Ganz abgesehen davon erinnert an "alltäglicher" Vorfall an die Angst der Unterfranken vor dem Tiefflieger über dem Atomkraftwerk: Anfang 2014 stürzte ein Kampfjet in der Eifel ab. Ursache war ein Pilotenfehler. Der Pilot saß im Cockpit eines Tornado, und der Kampfjet zerschellte unweit von Büchel.
Kommentar von Günter Flegel: Die ewig Gestrigen
Das Gleichgewicht des Schreckes wurde für die Generation, die Höhepunkt und Ende des Kalten Krieges erlebt hat, zum geflügelten Wort. Bis heute ist es umstritten, wie nahe die Welt einem Dritten Weltkrieg war.
Bis heute gilt es aber schon beinahe als Naturgesetz, dass das Gleichgewicht des Schreckens das Schlimmste verhütet hat; dass Ost und West nur deshalb nicht aufeinander losgegangen sind, weil im Arsenal des Gegners genug Waffen schlummerten, um auf einen Angriff des einen mit der totalen Vernichtung des anderen zu reagieren. Muss man also nur genug Waffen anhäufen, um einen Krieg zu verhindern?
Diese Logik war schon immer fragwürdig, und sie ist es heute bei der atomaren Rüstung mehr denn je. Da über Abrüstung kaum noch jemand redet, gehen viele Menschen wohl schon davon aus, dass die Welt fast schon atomwaffenfrei ist, die Vision des US-Präsidenten Obama. Tatsächlich verfügen die USA und Russland über jeweils mehr als 7000 einsatzfähige Atomwaffen, mehr als genug, um die Welt gleich mehrfach zu pulverisieren.
Dazu kommen die Arsenale in Frankreich, Großbritannien, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea.
Vielleicht war die Beißhemmung zwischen den Supermächten tatsächlich groß genug, um den fatalen Knopfdruck zu verhindern. Heute gibt es zu viele Atomwaffen in zu vielen Händen. Mit der Sicherheitsarchitektur aus der Zeit von Reagan und Breschnew lässt sich diese Bedrohung nicht mehr kontrollieren. Abrüstung muss wieder auf die Tagesordnung. Ein atomwaffenfreier Iran alleine macht die Welt nicht sicher!
Glaubt ihr etwa, im Jahre 2015 lässt sich eine Bedrohungslage wegreden?
Dann setzt euch mal wieder schön in euren Stuhlkreis und diskutiert drüber ...
doch der "Deutsche Michel" scheint noch nicht einmal dies Fremdwort zu verstehen, geschweige dessen Auswirkungen.
Ich bau mir einen Aluhut, der steht mir so gut, der steht mir so gut...
nun echt nix Neues. Am 25. März 1958 gab's einen Beschluß des Bundestags, deutsche Mittelstreckenraketen mit amerikanischen Atomsprengköpfen auszustatten. Verantwortlich damals Bundeskanzler Adenauer und Verteidigungsminister Strauß. Nachzulesen bei H.A. Winkler, 'Die Geschichte des Westens, Vom Kalten Krieg zum Mauerfall', Seite 276 ff.