Fränkische Hundefreunde wollen die alte Hunderasse "Deutsch Stichelhaar" am Leben erhalten.
D ie Geschichte hat einen Bart. Einen Damenbart sogar. Er gehört Cilli von der Gundelrebe, genannt Skadi. Der Bart ist ihr Markenzeichen - und keineswegs ein negatives. Skadi ist eine "Deutsch Stichelhaar"-Hündin - eine von wenigen Hundert, die es in Deutschland noch gibt. Sie lebt bei Magnus Latzel im unterfränkischen Weinort Mainstockheim. Der erfahrene Hundeführer und Jäger möchte Skadi in ein paar Jahren für die Zucht einsetzen. Er sagt, dass die rauhaarigen Vorstehhunde mit den charakteristischen Bärten und Augenbrauen völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind.
Die gleiche Meinung vertreten die Mittelfranken Norbert Marhofer und Annette Ziegler aus Markt Bibart, Alexander Näck aus Hambühl und Erwin Delepine aus Deutenheim. Sie alle sind erfahrene Hundeführer, die meisten auch Jäger. Ihre "Stichelhaare" sind ihnen als Jagdpartner, aber auch als Familienmitglieder ans Herz gewachsen.
"Ich hatte in einer Jagdzeitschrift von den Stichelhaaren gelesen, von denen es nur noch wenige hundert Tiere gibt. Vorher hatte ich immer Deutsch Drahthaar- und Kurzhaar-Vorstehhunde und einen Terrier", erzählt der Landwirt und Naturfreund Erwin Delepine. "Aus Erfurt haben wir uns dann unseren Theo geholt. Eigentlich heißt er Birko von der Ringmühle. Theo ist zweieinhalb Jahre alt. Er hat beste Anlagen als Vorstehhund: "Bei unserer ersten gemeinsamen Jagd hat er gleich einen Fuchs apportiert, obwohl er nie zuvor einen gesehen hatte." Während Delepine seinem Hund den Rücken krault, erzählt er weiter: "Theo hat außerdem eine große Bindung zu unserer ganzen Familie. Zuvor hatte es bei uns kein Hund ins Haus geschafft. Aber Theo, der hat alle Freiheiten."
Norbert Marhofer und seine Frau Annette Ziegler grinsen. Sie können das gut verstehen.
Die beiden sind - wie auch Alexander Näck - durch die Vermittlung von Magnus Latzel zu ihrem Deutsch Stichelhaar "Arielle von den Wörnitzwiesen", genannte Ari, gekommen. Ari und Alexander Näcks Alva sind Geschwister und erst knapp sieben Monate alt. Sie sind deshalb noch ebenso ungestüm wie Magnus Latzels junge Skadi.
Sobald Latzel mit der Leine winkt, ist die Einjährige mit den langen Beinen und den aufmerksamen Rehaugen kaum noch zu halten. Zwar bleibt sie brav an Latzels Seite, solange sie sich im Ortsbereich befinden. Aber kaum lässt er das Tier im Grünen los, geht Skadi ab wie eine grau-braune Rakete. Pfeilschnell und geschmeidig jagt sie unter den gespannten Weinbergsdrähten hindurch. Nur die langen Ohren, die um ihren Kopf schlackern, verraten, dass hier keine Raubkatze unterwegs ist.
Sie macht ihrem Namen - Skadi ist die germanische Jagdgöttin - alle Ehre: Überall nimmt sie Witterung auf, verfolgt Fährten, spielerisch, ganz automatisch.
Die "Stichelhaarigen" sind Spätentwickler, betont Latzel. "Sie nehmen sich ihre Jugendzeit und brauchen lange, bis sie ihren Gebrauchshundestandard erreicht haben. Modern eingestellten Jägern dauert das oft zu lang." Latzel, Marhofer, Ziegler, Näck und Delepine aber lassen ihren Hunden gerne Zeit. "Wir erziehen Ari konsequent, aber nicht mit Härte, sondern wir bauen Vertrauen auf", erklärt Norbert Marhofer.
"Haben sie die Pubertät erst mal hinter sich, dann sind sie treue, stets freundliche und zuverlässige Partner. Daheim sind sie absolut ruhig und ausgeglichen, also prima Familienhunde." Aus Magnus Latzels Worten spricht die Begeisterung für die alte Hunderasse, die dem "Deutschen Drahthaar" zwar ähnelt, aber älter ist als diese.
Die "Stichelhaare" und ihre Unterwolle schützen perfekt gegen Nässe und Kälte. "Deshalb stehen die Hunde auch lange Jagdtage beharrlich durch, ohne die Jagdleidenschaft zu verlieren."
Magnus Latzel weiß das aus doppelter Erfahrung, denn neben Skadi, zwei Dackeln und einem Labrador gehört auch die neunjährige Stichelhaar-Dame "Amsel" zur Familie des 35-Jährigen. Mit ihr hat das "Abenteuer Arterhalt" vor Jahren begonnen.
In einer Fachzeitschrift hatte Magnus Latzel 2002 von der seltensten deutschen Jagdhunderasse gelesen. "Damals gab es in ganz Deutschland nur zwei Würfe: einen mit zwei und einen mit sechs Welpen", erinnert sich der Lehramtsstudent. "Der Bericht ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Es bestand die Gefahr, dass so eine schöne, alte Jagdhunderasse ausstirbt.
Dagegen wollte ich etwas tun."
Am nächsten Tag wählte Latzel die Telefonnummer, die für weitere Informationen unter dem Artikel stand. "So bin ich in Kontakt mit dem 'Verein Deutsch Stichelhaar' gekommen." Bis heute ist er nicht nur Mitglied, sondern längst auch Hunde-Ausbilder und europaweit erfolgreicher Zuchtprüfungsteilnehmer. Und seit wenigen Wochen 2. Vorsitzender. "Wir organisieren immer wieder Treffen und Info-Veranstaltungen." Dass im Jahr 2015 in Deutschland 62 Deutsch-Stichelhaar-Welpen zur Welt kamen - "ein absolAusdauernd und treuuter Spitzenwert" -, darf sich der Verein als Erfolg seiner Arbeit auf die Fahnen schreiben.
Seit gut zehn Jahren ist der Hundebestand digital erfasst und seit 2008 gibt es ein Zuchtprogramm und eine Zuchtordnung, die der Verein in Zusammenarbeit mit dem VDH (Verband für das deutsche Hundewesen) entwickelt hat.
Der Kampf um den Erhalt der Rasse ist damit aber noch lange nicht gewonnen, sagt der
Jäger. "Das Problem ist, dass es in ganz Deutschland nur 27 Rüden gibt und drei Blutlinien. Die Inzuchtrate ist deshalb hoch und darf sich nicht noch weiter steigern." Für Ari, Alva und seine Skadi, die mit dreieinhalb bis vier Jahren erstmals werfen soll, hat er schon ein paar mögliche "Liebhaber" im Auge. Alle mit schönen Bärten und Augenbrauen, versteht sich.
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nfo: Wer sich für "Deutsch Stichelhaar" interessiert, kann sich an Magnus Latzel wenden: Tel. 09321/ 9290281, latzelmagnus@t-online.de, www.verein-deutsch-stichelhaar.de.