Mörder sind niemals sicher - Wünsche von «Cold Case»-Ermittlern
Ein Plakat der Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg mit der Aufschrift "Wer ist mein Mörder?", das den ermordeten Klaus Berninger zeigt, hängt in der Innenstadt.
Nicolas Armer (dpa)
Mörder sind niemals sicher - Wünsche von «Cold Case»-Ermittlern
Mit einem Fahndungsplakat sucht die Polizei Unterfranken nach Hinweisen zu einem Mordfall. Ende 1990 war der 16 Jahre alte Klaus Berninger in Wörth am Main umgebracht worden ...
Polizei Unterfranken (Archiv)
Mörder sind niemals sicher - Wünsche von «Cold Case»-Ermittlern
Polizisten suchen abgesteckte Bereiche rund um den Fundort des 1990 ermordeten Klaus Berninger mit Metalldetektoren ab.
In Deutschland bleiben viele Verbrechen ungelöst, während andere Länder moderne Ermittlungswerkzeuge einsetzen. Experten sehen Potenzial in neuen DNA-Analysen für alte Mordfälle.
Einige Verbrechen datieren Jahrzehnte zurück und bleiben bis heute ungelöst. Künstliche Intelligenz bietet den Ermittlern neue Möglichkeiten, jedoch sind nicht alle im deutschen Rechtssystem erlaubt.
Klaus Berninger aus Wörth am Main (Landkreis Miltenberg) war erst 16 Jahre alt, als er in einem Wald an der Grenze zwischen Hessen und Bayern ums Leben kam. Das geschah vor 34 Jahren. Doch noch immer ist der Täter auf freiem Fuß.
Sicherung von Beweismaterial entscheidend in fränkischen Cold Cases
Die Polizei hat zwar einen Verdächtigen im Visier, jedoch fehlen entscheidende Beweise, auch weil mögliche Mitwisser schweigen. Wegenfalscher Angabenzumungeklärten Mordan dem Jugendlichen in Unterfrankenvor mehr als 30 Jahren hat einAngeklagtereinenStrafbefehlerhalten. Dieser sehe eine Bewährungsstrafe von elf Monaten und eine Geldauflage von 600 Euro vor, teilte ein Sprecher des Amtsgerichts in Aschaffenburg erst kürzlich mit.
In anderen alten Fällen - sogenannten Cold Cases - ist es Beamten inzwischen gelungen, Mörder viele Jahre nach der Tat zur Verantwortung zu ziehen. Die Voraussetzung: Die damaligen Ermittler haben Beweismaterial gesichert, das heute etwa durch aussagekräftige DNA-Spuren ergänzt werden kann und entsprechendes Vergleichsmaterial vorhanden ist.
Das war auch in dem 31 Jahre zurückliegenden Mordfall an der damals 13-jährigen Sabine Back aus Unterfranken der Fall. Doch weiterhin ist unklar, ob ein inzwischen 48-jähriger Mann hinter Gitter muss. Der Deutsche, der zur Tatzeit 17 Jahre alt war, war kurz vor Weihnachten vom Landgericht Würzburg zu sechseinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Die Verteidigung hat allerdings wie erwartet Revision im so genannten Güllegruben-Mord eingelegt.
DNA-Analyse könnte mehr als erlaubt
Doch die Polizei könnte womöglich noch mehr Erfolge vorweisen, wenn sie umfassend alle modernen Techniken, wie etwa künstliche Intelligenz (KI) oder fortschrittliche DNA-Analyse, einsetzen dürfte. Lange Zeit konnte in Deutschland aus DNA-Spuren nur das Geschlecht bestimmt werden, während äußerliche Merkmale wie Augen-, Haut- und Haarfarbe sowie das Alter unberücksichtigt blieben. Seit Ende 2019 ist die sogenannte Phänotypisierung erlaubt - ein quasi Täterprofil aus dem DNA-Labor. Dennoch liefert sie lediglich eine Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Aussehen und kann nicht als eindeutiger Beweis dienen.
Sebastian Grün arbeitet beim Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) in München. Derzeit befasst sich der DNA-Analytiker mit rund zehn "Cold Cases". Täglich untersucht der Biologe im Auftrag der Ermittler DNA-Spuren und führt bei Bedarf Phänotypisierungen durch, sieht aber noch weiteres Potenzial. "Wenn wir eine unbekannte Spur haben, die wir keiner Person zuordnen können, dann könnte die Kenntnis der biogeografischen Herkunft der Polizei dabei helfen, in eine bestimmte Richtung zu ermitteln oder eben auch nicht," erklärt Grün. Aktuell dürfen er und seine Kollegen jedoch keine Informationen über die biogeografische Herkunft - also die Region, aus der die Vorfahren eines unbekannten Spurenverursachers stammen – gewinnen. Es gebe dafür gute Gründe: "Wenn man die Werte der biogeografischen Herkunft kennt, dann kann man diese Phänotypisierungswerte noch ein bisschen präzisieren. Das heißt, die Vorhersagen werden ein wenig präziser," so LKA-Mann Grün. In anderen Ländern sei dieses Werkzeug für Ermittlungen zugelassen.
Etwa 3000 ungelöste Kapitalverbrechen gibt es in Deutschland. Manchmal verschwinden Menschen spurlos und Jahre später stoßen Pilzsammler oder Hunde auf Knochen in einem Wald. Ob diese absichtlich begraben wurden, können Archäologen wie Patricia van der Burgt vom Landesamt für Archäologie Dresden ermitteln. "Bei Knochen im Wald oder der Ausgrabung von illegalen Gräbern oder Erdverstecken kann es sehr hilfreich sein, einen Archäologen hinzuzuziehen. Man kommt im Prinzip sogar schneller voran und hat ein Ergebnis, das größtenteils auch gerichtsverwertbar ist."
Formate wie die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY… Ungelöst" helfen
Die forensische Archäologie ist in Deutschland noch wenig bekannt. "Das Interessante ist, dass meist gedacht wird, jeder kann graben. Das stimmt, doch oft hapert es an der Dokumentation," so van der Burgt. "Und dann hat man gegraben und ist nicht ganz so planvoll vorgegangen." Es gibt Spezialisten für das Graben, an die Polizisten denken sollten, wenn sie auf Knochen stoßen. Solche Archäologen könnten Antworten liefern auf Fragen wie: "Wie wurde die Grabgrube angelegt? Wurde in Eile gegraben oder war das Grab schon vor der Tat vorbereitet? Gibt es Spuren des Täters?"
Neben DNA-Experten und Archäologen nutzen Ermittler von Altfällen zunehmend die Öffentlichkeitsfahndung. Diese hat längst ihr Schattendasein verlassen, berichtet Jörg Langner, Erster Kriminalhauptkommissar im Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden. "Früher haben viele Ermittler gesagt: 'Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gehe ich in die Öffentlichkeitsfahndung.' Das ist inzwischen nicht mehr der Fall." Gerade bei "Cold Cases" könnten Ermittler über Medienpräsenz ältere Menschen erreichen, die möglicherweise Hinweise zu lange zurückliegenden Verbrechen hätten.
Dabei helfen nicht nur Formate wie die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY… Ungelöst", bei der regelmäßig bundesweite Kriminalfälle thematisiert werden. Seit letztem Sommer nutzt das BKA für Fahndungen auch den Messengerdienst WhatsApp, auf dem ein Großteil der Deutschen und damit viele Millionen Menschen erreichbar sind. Laut Langner sind auch Fahndungen auf digitalen Werbeflächen wie an Bahnhöfen vergleichsweise neu. "Das erhöht den Druck auf den Täter und sein Umfeld erheblich."
Deepfake-Videos als Werkzeug der Ermittler
Beim Thema Öffentlichkeitsfahndung lohnt sich auch ein Blick ins Ausland: Stichwort Deepfakes. Diese mit KI erstellten Videos und Bilder werden oft von Kriminellen für Erpressungen und Betrug genutzt. Sie wirken echt, sind es aber nicht. Die KI sorgt dafür, dass Stimme und Mimik authentisch wirken.
Auch aus polizeilicher Sicht birgt diese Technik Potenzial, erklärt Hauptkommissar Langner, und verweist auf ein Beispiel aus den Niederlanden. 2003 wurde in Rotterdam ein 13-Jähriger getötet. Da die Ermittler über Jahre keine Fortschritte machten, veröffentlichten sie 2022 ein bemerkenswertes Video: Darin sucht das Opfer scheinbar selbst seinen Mörder. Die Polizei nutzte damals erstmals Deepfake für einen Zeugenaufruf. Das Video entstand auf Basis eines Fotos des getöteten Jungen. Man sieht ihn auf einem Fußballplatz im Trainingsanzug, wo er ein Ehrenspalier aus Verwandten und Freunden durchschreitet. "Er wollte Profifußballer werden," sagt seine Schwester im Film.
Um die Wahrheit zu finden, sei er "speziell für diesen Film zum Leben erweckt worden". Danach scheinen er und seine Schwester an die Zuschauer zu appellieren: "Weißt du mehr? Dann sprich jetzt." So bizarr diese Methode auch wirken mag: "Es ist wichtig, bei Öffentlichkeitsfahndungen Empathie zu erzeugen," meint Langner. "Die Bevölkerung lässt sich von Gefühlen leiten. Und je mehr Empathie ich erzeugen kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein potenzieller Hinweisgeber meldet." Angelika Resenhoeft, dpa/sl
Wie wir künstliche Intelligenz einsetzen
Ein Redakteur hat diesen Artikel unter der teilweisen Verwendung eines KI-Sprachmodells verfasst und/oder optimiert. Sämtliche Informationen wurden sorgfältig geprüft.