Der achte Lokführerstreik soll der längste werden, fast eine Woche Ausstand ist geplant. Eine Ende des Tarifkonflikts ist nicht absehbar. Für Berufspendler und Schüler in Franken wird der Streik zur Geduldsprobe.
Die Deutsche Bahn muss den längsten Streik ihrer Unternehmensgeschichte bewältigen. Die Lokführer haben am Montagnachmittag im Güterverkehr die Arbeit niedergelegt. In der Nacht zum Dienstag ab 2 Uhr war auch der Personenverkehr betroffen. Berufspendler und Schüler müssen sich in den nächsten Tagen in Franken auf längere Wege zum Arbeitsplatz/zur Schule einstellen.
Die Personenzüge sollen fünf Tage lange bis Sonntagmorgen deutschlandweit bestreikt werden. Die Bahn will Ersatzfahrpläne aufstellen (www.bahn.de). Reisende müssen sich auf Tage voller Zugausfälle und ungewisser Verbindungen einstellen. Eine Schlichtung des Tarifkonflikts ist weiter nicht in Sicht.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, macht die Bahn für den achten Ausstand in der laufenden Auseinandersetzung verantwortlich: "Die Eskalation verursacht die Deutsche Bahn AG", sagte er am Montag in Berlin. Der Arbeitgeber verhandele seit zehn Monaten, ohne ein Ergebnis zu wollen. "Einen Schritt vor, zwei zurück" - das sei die Strategie der Bahn. Forderungen nach einer Schlichtung wies Weselsky erneut zurück: "Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten."
Schwieriger Konflikt Der Einsatz eines Vermittlers sei nur bei Fragen wie Entgelt und Arbeitszeit möglich. In den Gesprächen ging es bisher aber vor allem um Strukturfragen: Die GDL dringt darauf, auch für andere Berufsgruppen als Lokführer Tarifabschlüsse mit der Bahn aushandeln zu dürfen.
Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Einfluss im Konzern ringt. Zudem will die GDL einen Erfolg erzielen, bevor das kommende Tarifeinheitsgesetz der schwarz-roten Bundesregierung die Macht kleiner Gewerkschaften beschränkt.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte den Streik. "Ich habe Verständnis dafür, dass viele Bürger über das Ausmaß verärgert sind", sagte Dobrindt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: "Der Tarifstreit bei der Bahn ist für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen. Alle Beteiligten müssen sich fragen, ob der Schaden, den dieser Ausstand anrichten könnte, noch in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung steht."
Millionenschaden Kritik an dem neuerlichen Streikaufruf kommt auch aus der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte die GDL auf, den angekündigten Ausstand sofort wieder abzusagen. "Der gesamten deutschen Wirtschaft drohen Schäden von täglich 100 Millionen Euro. Das Vorgehen der GDL ist verantwortungslos."
Die GDL hatte am Donnerstag das neue Tarifangebot der Bahn zurückgewiesen und einen langen Arbeitskampf angekündigt. Die Bahn hatte angeboten, die Löhne in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent zu erhöhen. Dazu käme eine Einmalzahlung von 1000 Euro. Die GDL fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche.
Die Ersatzfahrpläne der Bahn für die kommenden Tage stehen; kurzfristige Änderungen sind nach Auskunft der Bahn nicht auszuschließen. Fahrgäste sollten sich aktuell im Internet oder bei der Hotline der Bahn informieren: 0800/0996633. Das Unternehmen rechnet mit "starken Beeinträchtigungen". Beim jüngsten Streik im April waren im Fernverkehr zwei von drei Zügen und im Regionalverkehr jeder zweite Zug ausgefallen.
Kein "bahnfrei" für Schüler "Bahnfrei" wird es in den kommenden Tagen an den Schulen es aber ebenso wenig geben wie "hitzefrei" am heutigen Sommer-Dienstag; ein Sprecher des Kultusministeriums geht davon aus, dass der Unterricht an den Schulen in Bayern planmäßig läuft, "auch wenn der eine oder andere Schüler vielleicht auch mal zu spät kommt".
Roland Gröber, der Leiter des Beruflichen Schulzentrums in Bamberg, verweist wie seine Kollegen im Verbreitungsgebiet auf die allgemeine Schulpflicht. "Ich gehe davon aus, dass sich die Schüler und Eltern entsprechend informieren."
Was tun? Mit sechs Streiktagen trifft es Bahnkunden dieses Mal besonders hart. Wie sollten Reisende jetzt vorgehen?
1. Prüfen, ob der Zug tatsächlich ausfällt: Wer schon ein Bahnticket hat, muss es nicht abschreiben: Die Deutsche Bahn will einen Teil der Verbindungen aufrechterhalten. Im Fernverkehr sollen etwa 30 Prozent aller Züge fahren, im Regionalverkehr sollen es 15 bis 60 Prozent sein. Hier sind die Unterschiede je nach Verkehrsgebiet groß. Den Ersatzfahrplan finden Bahnkunden über die Internetseiten der Bahn unter
www.bahn.de/liveauskunft. Auf dem Smartphone finden Fahrgäste diese Auskunft mit der App DB Navigator oder unter m.bahn.de.;
2. Bei Verspätung Geld zurückverlangen: Fährt der ausgewählte Zug, heißt das nicht, dass er pünktlich sein Ziel erreicht. Laut Gesetz bekommen Fahrgäste ab einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Reisepreises zurück. Ab zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent.
In bestimmten Fällen können Fahrgäste, die mit einer Verspätung von mindestens 60 Minuten am Zielort rechnen müssen, ein anderes Verkehrsmittel wie Bus oder Taxi nutzen - und zwar, wenn die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr liegt. Die Deutsche Bahn erstattet Kosten (auch für ein Hotel) bis zu maximal 80 Euro.
3. Einen anderen Zug nutzen: Steht die eigene Verbindung nicht im Ersatzfahrplan, können Reisende auf einen anderen Zug umsteigen. Das darf auch ein höherwertiger Zug sein. In diesem Fall wird bei Tickets wie den Sparpreis-Angeboten die Zugbindung aufgehoben.
4. Fahrkarte erstatten lassen: Die Bahn bietet Fahrgästen an, Fahrkarten und Reservierungen während des Streiks kostenlos zu erstatten - auch für Verbindungen, die fahren.
Online-Tickets lassen sich über das Kundenkonto im Internet kostenlos stornieren. Anlaufstelle in den Bahnhöfen sind die DB-Reisezentren.
5. Alternative Verkehrsmittel finden: Für viele Reisende ist der Fernbus die naheliegendste Alternative. Der Marktführer MeinFernbus/FlixBus plant mit höheren Kapazitäten und will jeden Reisenden, der noch ein Ticket sucht, ans Ziel bringen. Die Ticketpreise steigen bei kurzfristiger Buchung.
Günstiger reist man mit den Mitfahrgelegenheiten: Auf zahlreichen Onlineportalen bieten Autofahrer freie Plätze in ihrem Auto für eine bestimmte Strecke an. Teurer aber flexibler fährt man mit dem Mietwagen; bei der Suche nach dem günstigsten Angebot helfen Vergleichsportale im Internet wie Billiger-mietwagen.de oder Check24.
Die sportliche Alternative ist bei kürzeren Strecken das Fahrrad; zumindest dann, wenn der Arbeitskampf sich nicht bis in den Winter hinzieht ...
Stimmen aus dem Netz Der Streik bei der Bahn wird auch auf den Portalen unserer Mediengruppe im Internet (
www.infranken.de, https://de-de.facebook.com/inFranken) rege und kontrovers diskutiert. Einige Meinungen:
Alfred W.: Die GDL sollte mal die ICE-Strecken über eine Woche bestreiken. Das würde Wirkung zeigen. Nicht der arbeitenden Bevölkerung den Weg zur Arbeit abschneiden, und so den Arbeitsplatz Unbeteiligter riskieren.
Frank B.: Es gibt auch Leute in meinem Bekanntenkreis, die auf diese Verkehrsmittel angewiesen sind, weil sie sich trotz Arbeit kein Auto leisten können! Wenn man nicht zur Arbeit kommt, und seinen Job wegen dieser unsinnigen Streiks gefährdet sieht, zahlt dann diese Gewerkschaft?????
Gabriele G.: Langsam wird's kritisch. Es hängen ja noch viele andere dran: die Läden in den Bahnhöfen oder die Taxifahrer, die nichts verdienen, wenn die Bahnhöfe leer sind.
Rob E.: Absolut kein Verständnis. Ich bin selbst in der Mitarbeitervertretung, aber das ist Erpressung pur.
Peter S.: Die GDL schafft es, das Streikrecht durch Missbrauch selbst einzuschränken. Wenigstens wissen dann alle, wem sie dafür danken können. Streikrecht ja, aber bitte auch verhältnismäßig.
Max R.: Auf jeden Fall! Die Lokführer zeigen so, dass sie existenziell wichtig sind und so ordentlich bezahlt werden müssen. Nur durch Streiks ist gute Beschäftigung möglich. Zum Beispiel der Acht-Stunden-Tag ist das Ergebnis gewerkschaftlicher Macht. Lange Streiks sorgen dafür, dass durch Kundenunzufriedenheit der Druck auf die DB größer wird.
Lisa M.: Also ich habe wirklich bisher immer wieder Verständnis gehabt. Aber sechs Tage durchgehend streiken?! Es fallen zwar nicht alle Züge aus, aber da man zu 100 Prozent auf die Bahn angewiesen ist, finde ich diesen Streik wirklich alles andere als gut! Und wenn man mal ganz ganz ehrlich ist: Eigentlich müssten doch Altenpfleger, Krankenpfleger, Erzieher, Kinderpfleger usw. eher für mehr Geld streiken.
Hanna K.: Streik ist ein Grundrecht!! Oder wollt ihr auf eure Grundrechte, wie Menschenwürde, Demokratie, Gleichheit etwa verzichten?
Titus S.: Statt auf die GDL solltet ihr lieber mal auf die Konzernmanager der Bahn schimpfen. Von ihnen kommt weiterhin kein Angebot zur Absenkung der Arbeitszeit, kein Angebot zur Begrenzung von Überstunden, kein Angebot zur Belastungssenkung für das Zugpersonal, kein Angebot zur Ergebnisbeteiligung, kein Angebot zur Einführung einer weiteren Entgeltstufe. Die Forderungen der GDL sind also fundiert und berechtigt.
Kommentar: Streiken ist ein gutes Recht ! Wenn es so weiter geht, will bald kein Kind mehr Lokführer werden: Der Traumberuf wird zum Buhmann, die Gewerkschaft GDL steht am Pranger , und ihr Chef Claus Weselsky scheint das Bad in der empörten Menge zu genießen.
Der Ruf nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist verständlich, aber er geht ins Leere. Wie soll ein Lokführer denn "verhältnismäßig" streiken? Langsamer fahren etwa?
Am Streikrecht darf nicht gerüttelt werden. Es ist ein gutes Recht jedes Arbeitnehmers und eine Säule der Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft, die durch die Macht der "Märkte" schon mehr als genug Federn lassen musste.
Natürlich ist ein Streik kein Selbstzweck. Wenn beim Streik von so Wenigen so Viele betroffen sind, ist die Frage erlaubt, ob wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um den Griff zu diesem letzten Mittel zu rechtfertigen. Zu einer Einigung gehören zwei, streiten kann einer alleine auch nicht. Wer die Personalpolitik im einstigen Staatsunternehmen Bahn über die Jahre kritisch beleuchtet, bekommt durchaus Verständnis für die GDL und ihre harte Haltung.
Streik ist ein Machtpoker, ohne Frage. Und deshalb hat der Bahnstreik einen üblen Beigeschmack: Viele, sehr viele Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten unter weitaus schlechteren Bedingungen als die Lokführer. Für die aber macht sich keine Macht zum Buhmann.