Weniger Präsenz an der Uni, dafür mehr Eigenverantwortung und Disziplin: die Lichtenfelserin Esther Schardt berichtet.
Gespenstisch stille Universitätsgebäude und leere Kneipenstraßen sind Geschichte: Seit vergangener Woche gibt es an den bayerischen Universitäten wieder erste Präsenzveranstaltungen nach der corona-bedingten Pause. Esther Schardt aus Lichtenfels ist eine der Studentinnen, die den "Neustart" an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg derzeit miterlebt. "Neustart", das heißt den Spagat zwischen Online-Angeboten und gefüllten Seminarräumen. In letzteren dürfen nun maximal 15 Personen sitzen, an Einzeltischen mit viel Abstand zueinander.
"Die Stimmung ist trotzdem entspannt. Man kommt mit Mund-Nasen-Bedeckung rein und legt sie ab, sobald man an seinem Platz ist. Man weiß, was zu tun ist", erzählt die 20-Jährige. Sie studiert Lehramt für Grundschule mit Unterrichtsfach Musik und Didaktikfach katholische Theologie - "zum Glück schon im zweiten Semester! Die Erstsemestler haben es sicher nicht leicht gerade", resümiert sie. In anderen Fächern, wie etwa dem praktischen Klavierunterricht, behält sie aber ihre Maske für 45 Minuten an. Ihre Lehrerin hat sie darum gebeten, denn jene zählt zur Risikogruppe. Das war in den vergangenen Wochen noch nicht nötig: Der musikpraktische Einzelunterricht fand weitestgehend online statt. Mit einer App, die man in den Grundzügen mit dem bekannten Skype vergleichen kann, übte Esther Schardt zu Hause, während ihre Lehrerin ihr Tipps gab. Trotz besserer Übertragungsqualität hatte diese Lösung aber auch ihre Tücken: Während die Schülerin spielte, konnte sie nur schlecht verstehen, was ihr "Gegenüber" sagte. Man unterbrach sich gegenseitig des öfteren und musikalische Feinheiten herauszuhören war sehr schwer.
Man spart viel Zeit
Doch das verstärkte Angebot an medialen Lehrformen hat auch Vorteile für sie: Da sie in Lichtenfels wohnt und Pendlerin ist, spart sie nun viel Zeit "auf den Schienen oder im Auto". Vormals fuhr sie an fünf Tagen in der Woche mit dem Zug nach Bamberg, am Samstag zusätzlich nach Fürth, wo sie gerade noch die Theorieeinheiten ihrer C-Ausbildung für Kirchenmusik absolviert.
Nun fährt sie für das knappe Präsenzprogramm mit dem Auto nach Bamberg zum Erba-Gelände, wo die meisten ihrer Veranstaltungen stattfinden. Einige Kursformate haben jedoch ihre Online-Version für das gesamte Sommersemester, das von den Dozenten wahlweise bis Mitte August verlängert werden kann, angekündigt. Doch viele Studenten kritisieren das.
Die restliche Lernzeit verbringt Esther Schardt gerne im Flussbad in Lichtenfels - mit Laptop und Notizen. Die studentischen Kontakte, die durch die Corona-Krise ebenfalls vielerorts gelitten haben, vermisst sie dagegen nicht: "Ich habe mich schon letztes Semester ganz auf mein Studium konzentriert und habe auch in diesem Semester einen vollen Stundenplan. Es fehlt mir aber auch nicht." Im Gegenteil: Esther Schardt könnte sich gut vorstellen, auf ähnliche Weise weiter zu studieren. Sich ihre Lernzeit frei einzuteilen, Stichwortzettel selbst erstellen und nur kurze Videokonferenzen mit den Dozenten zu haben - wie derzeit etwa im Fach Deutsch, das ebenso wie Mathematik obligatorisch zu ihrem Studienplan gehört, üblich - oder manche Online-Veranstaltungen im Nachgang zehnmal anhören, wenn man etwas nicht genau verstanden hat. Auch schwierige Fächer, wie zum Beispiel "Ensemble-Leitung", funktioniere mittlerweile online gut: "Da steht man vor dem Laptop und dirigiert praktisch eine Wand. Für kommende Woche sollen wir dann noch Dirigier-Videos herstellen. Das ist schon ein komisches Gefühl, aber das Positive daran ist: Man kann sich danach auch selbst gut analysieren!"
Fast wie in den 70er Jahren
Diese "Freiheit" erinnert ein wenig an die Erzählungen des Universitätslebens aus den 70er Jahren. "Mir macht das Studieren Spaß. Ich suche mir selbstständig Veranstaltungen aus und vertiefe die Themen, die ich möchte. Ich kann mir meine Zeit viel selbst einteilen und sehen: Wo habe ich Kapazitäten frei? Das empfinde ich als sehr positiv", sagt die 20-Jährige. Doch nicht für alle kann das ein Segen sein. Sie rät daher ihren Mitstudenten: "Ich achte darauf, dass ich immer auf dem aktuellen Stand bin. Diese Zeit jetzt ist kein Freifahrtschein für alles, man muss immer am Ball bleiben!" Es kann auch nützlich sein, im Stoff, den manche Dozenten schon für das komplette Semester online stellen, schon etwas vorzuarbeiten. So blieben mehr Zeitressourcen für die Klausurenphase. Diese findet schließlich, wie geplant, Ende Juli/Anfang August statt. Und ein wenig Freizeit muss in den Semesterferien ja auch noch bleiben: Esther Schardt verbringt diese dann wahrscheinlich beim Segeln. In den kommenden Wochen möchte sie ihren Segelführerschein machen, außerdem reitet sie noch regelmäßig und spielt die Orgel in so manchem Lichtenfelser Gottesdienst. Auch nach Ende ihres Studiums und dem Referendariat möchte sie gerne "in der Gegend" bleiben. "Vielleicht einen alten Bauernhof renovieren, das wäre mein Traum!"