Was Roland Richter aus Neuenmarkt an der Schwelle zum Jenseits "erlebte"

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Roland Richter
Roland Richter

Wie ist es zu sterben? Ist die Angst vor dem Lebensende begründet? Für Roland Richter aus Neuenmarkt hat der Tod seinen Schrecken verloren.

Dem Jenseits nahe, und doch nicht ganz aus dem Leben geschieden: Diese Reise haben, glaubt man der Statistik, etwa vier Prozent der Deutschen schon einmal angetreten. Sie berichten von ungewöhnlichen "Nahtod-Erfahrungen". Zu diesen Menschen zählt auch Roland Richter aus Neuenmarkt. Im Interview erzählt der 59-Jährige, was er gefühlt hat in jenen Augenblicken, als er zwischen den Welten schwebte, und was es mit dieser Stimme aus dem Nirgendwo auf sich hat. Herr Richter, wie kam es, dass Sie dem Tod von der Schippe gesprungen sind? Roland Richter: Das war im September 2012. Ich musste zur Nachsorge einer Nierenstein-Operation ins Klinikum Kulmbach. Alles verlief ohne Komplikationen, aber der Arzt bat mich, noch über Nacht zur Beobachtung zu bleiben. Das hat mir wohl das Leben gerettet. Ich bin plötzlich mit starken Kopfschmerzen aufgewacht, mir war heiß und kalt gleichzeitig und mein Blutdruck jenseits von 250. Daraufhin holte die Nachtschwester einen Arzt zu mir ins Zimmer - aber da war ich schon weg. Was heißt "weg"? Es war nur ein Moment. Ich habe aber keine Ahnung, wie lange dieser Augenblick gedauert hat. Vielleicht nur ein paar reale Sekunden, vielleicht auch eine Minute. Da ich an keinem Gerät angeschlossen war, konnte man das in Aufzeichnungen auch nicht nachverfolgen. Was ich aber weiß ist: Es war herrlich, fühlte sich wunderschön an. War das wie eine Art Koma? Nein, ich war gefühlt voll da, also bei Bewusstsein. Es war hell um mich, ich habe mich geborgen gefühlt, richtig heimelig geradezu. Da waren keine Sorgen und auch keine Schmerzen mehr. Eine große Leichtigkeit durchfloss mich.

Und dann kam das eigentlich Mysteriöse und ich grüble bis zum heutigen Tag, was das jetzt zu bedeuten hat. Da war diese Stimme aus dem Hintergrund, die fragte mich: Wenn du gleich hinüber kommst, wen willst du als erstes begrüßen? Deinen Vater, deine Großmutter oder deine Mutter? Kurios ist die Abfolge - denn genau in der Reihenfolge sind diese mir nahe stehenden Menschen auch gestorben. Kam es zum Wiedersehen? Nein, das nicht. Bis ich mich sozusagen entscheiden konnte, wen ich als erstes wiedersehe, wurde ich aus dieser Szene rausgerissen. Es wurde schwarz um mich und ich hatte sofort wieder diese starken Schmerzen gespürt. Die Ärzte und die Schwester, die um mich herum standen, haben mir bestätigt, dass ich zurückgeholt werden musste. Es muss wohl relativ haarig gewesen sein, das bestätigt auch der medizinische Bericht. Die Ursache für meinen Zustand klärte sich dann auf: Ich hatte eine Blutvergiftung, die unerkannt geblieben war. Sie haben diese Stimme erwähnt. Können Sie sie beschreiben? Es war eine Männerstimme, unheimlich Vertrauen erweckend. Wenn mich so jemand auf der Straße anspricht, mit dem würde ich jederzeit mitgehen. Einfach lieb und freundlich, eine Stimme, die dich quasi einlädt und festhält. Das ist mittlerweile sieben Jahre her. Beschäftigt Sie dieses Erleben noch immer? Immer mal wieder, ja. Ich habe das damals nicht gleich kapiert, das dauerte eine paar Tage. Jedenfalls habe ich seither nicht mehr diese Angst vorm Tod. Wobei: Ich möchte noch nicht sterben, ich würde gerne nächstes Jahr mit meiner Familie meinen 60. Geburtstag feiern. Es ist für viele ein Unterschied, ob man Angst vor dem Tod hat oder vor dem Sterbeprozess als solchen. Das stimmt. Ich selber fürchte mich zwar nicht mehr vor dem Tod, habe aber einen Horror davor, ein Pflegefall zu werden und quälend langsam dahinzusiechen. Für mich ist der Körper eine Hülle im Diesseits, die ich auf der anderen Seite nicht mehr brauche. Deswegen bin ich auch seit vielen Jahren potenzieller Organspender, verzichte auf lebensverlängernde Maßnahmen. Ich bin auch registrierter Körperspender bei Gunther von Hagens und seinen "Körperwelten", dafür stelle ich meine sterblichen Überreste zur Verfügung. Haben Sie sich zum Thema Nahtod-Erfahrung mit anderen ausgetauscht oder darüber gelesen? Viele beschreiben den Moment als Schweben über dem eigenen Körper, als Verlassen der sterblichen Hülle. Nein, so war das nicht bei mir. Es war kein Rüberschleichen oder -gleiten, es war plötzlich von hier rein in diese Welt. Als wenn jemand das Licht ausmacht und wieder anknipst.

Ich spreche offen über das Thema, gehe jedoch nicht damit hausieren. Aber so kam ich drauf, dass ein früherer Arbeitskollege von mir etwas Ähnliches erlebt hat. Er war wegen eines Herzinfarkts in Bamberg zur Behandlung. Er berichtete, er sei aus einem dunklen Tunnel rausgekommen. Er hatte aber dabei keine Stimme gehört. Nach Angaben von Experten heißt es, es bestehe eine Häufung solcher Schilderungen bei Menschen, die sich als religiös bezeichnen, an Gott, das Jenseits und die Wiederauferstehung glauben. Trifft das auf Sie zu? Ich bin katholisch erzogen worden, war Ministrant, bin aber mittlerweile aus der Institution Kirche ausgetreten. Was nicht heißt, dass ich nicht mehr an Gott glaube. Ich glaube nach diesem Erlebnis im Krankenhaus jetzt sogar verstärkt daran, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Forscher haben verlautbart, sie hätten eine mögliche Erklärung für solche - wie sie es nennen - Visionen gefunden: Demnach schüttet das Gehirn in einer Ausnahmesituation Botenstoffe aus, um den Körper sozusagen explosionsartig aufzuwecken. Dieses Feuerwerk im Kopf wiederum führe zu diesen traumhaften Erlebnissen. Es ist also eigentlich nichts anderes als Biochemie. Das habe ich auch schon gelesen und das möchte ich auch nicht bestreiten. Aber ich weiß nicht, ob es diese tief empfundenen Gefühle von Geborgenheit und Fürsorge erklären kann, wie ich sie erlebt habe. Ich für meinen Teil glaube, dass es die Seele ist, das Gefühlsleben eines Menschen, das die Reise antritt. Kann man dieses von Ihnen beschriebene Gefühl konservieren? Wenn es so unglaublich schön war, möchte man aus diesem Zustand doch eigentlich nicht mehr raus, oder? Richtig weg wollte ich nicht, wenn man das so sagen kann. Es war fast ein bisschen Enttäuschung dabei zurückzukommen. Offensichtlich meinte mein Schutzengel oder wer auch immer, dass ich noch nicht an der Reihe bin.