Der Kulmbacher DFB-Stützpunkt ist wieder futsch

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Lucas Ohnemüller (Mitte) ist einer von 29 Kulmbacher Spielern am Stützpunkt. Nach Friesen will der 13-Jährige aber wohl nicht wechseln. Rechts hinten Leo Popp. Foto: Monika Limmer
Lucas Ohnemüller (Mitte) ist einer von 29 Kulmbacher Spielern am Stützpunkt. Nach Friesen will der 13-Jährige aber wohl nicht wechseln. Rechts hinten Leo Popp. Foto: Monika Limmer
Die Trainer Joachim Riedel und MIchael Schreiber (von links) bei der Stützpunktarbeit in Kulmbach. Foto: Monika Limmer
Die Trainer Joachim Riedel und MIchael Schreiber (von links) bei der Stützpunktarbeit in Kulmbach. Foto: Monika Limmer
 
Foto: Monika Limmer
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Foto: Monika Limmer
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Foto: Monika Limmer
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Lucas treibt den Ball im Vergleich mit dem Stützpunkt Coburg nach vorne. Foto: Monika Limmer
Lucas treibt den Ball im Vergleich mit dem Stützpunkt Coburg nach vorne. Foto: Monika Limmer
 
Luis Popp schießt auf das Coburger Tor. Foto: Monika Limmer
Luis Popp schießt auf das Coburger Tor. Foto: Monika Limmer
 
Links der Kulmbacher Stützpunktspieler Leo Popp. Foto: Monika Limmer
Links der Kulmbacher Stützpunktspieler Leo Popp. Foto: Monika Limmer
 
Der langjährige Jugendleiter des ATS Kulmbach, Werner Dierschke, bedauert die Auflösung des Kulmbacher Stützpunktes. Foto: Christian Schuberth
Der langjährige Jugendleiter des ATS Kulmbach, Werner Dierschke, bedauert die Auflösung des Kulmbacher Stützpunktes. Foto: Christian Schuberth
 
Ex-Profi Armin Eck leitete vier Jahre den DFB-Stützpunkt in Kulmbach. Foto: Alexander Muck
Ex-Profi Armin Eck leitete vier Jahre den DFB-Stützpunkt in Kulmbach. Foto: Alexander Muck
 
Der aktuelle Kulmbacher DFB-Stützpunktleiter Michael Schreiber wird auch in Friesen zuständig sein. Foto: Monika Limmer
Der aktuelle Kulmbacher DFB-Stützpunktleiter Michael Schreiber wird auch in Friesen zuständig sein. Foto: Monika Limmer
 
Der für Nordbayern zuständige DFB-Stützpunktkoordinator Michael Urbansky. Foto: privat
Der für Nordbayern zuständige DFB-Stützpunktkoordinator Michael Urbansky. Foto: privat
 

Die besten Kulmbacher Fußball-Talente müssen künftig nach Kronach fahren, um Sondertraining durch den Verband zu bekommen.

Nun ist es amtlich - ab Herbst gibt es keinen DFB-Stützpunkt mehr in Kulmbach. Ein neuer Tiefpunkt für den seit Jahren schwächelnden Jugendfußball im Landkreis. Wollen die besten Nachwuchskicker der Region weiter in den Genuss einer kostenlosen Talentförderung durch den Verband kommen, so müssen sie ab Herbst in den Kronacher Vorort Friesen fahren - oder nach Bayreuth. Der Unmut bei Trainern, Funktionären und Verantwortlichen im Raum Kulmbach ist groß.

Wie Michael Urbansky, seit 2014 für ganz Nordbayern zuständiger DFB-Stützpunktkoordinator, auf Anfrage bestätigte, wird der Stützpunkt vom Sportgelände der Carl-von-Linde-Realschule in den Kronacher Stadtteil Friesen verlegt. Der dortige Sportverein, der als Tabellenführer der Bezirksliga Ost vor dem Wiederaufstieg in die Landesliga steht, hätte sich beim Verband dafür beworben und "mit einer soliden Infrastruktur und einer starken Nachwuchsarbeit, die unter dem Mantel der JFG Grün-Weiß Frankenwald mit dem FC Stockheim geleistet wird, überzeugt".

Und in Kulmbach? Hier sieht Urbansky ein Problem in der Qualität der Jugendarbeit. Der 34-Jährige sagt: "In den Vereinen müsste etwas mehr getan werden, da läuft es nicht so, wie man es sich vorstellt." Die Verlegung nach Friesen habe aber vor allem "strukturelle Gründe". So möchte Urbansky die Kinder aus dem nördlichen Landkreis Kronach "stärker in die Förderung einbinden".


Kulmbacher in der Mehrheit

Für die Eltern der Kulmbacher Kinder sei es zumutbar, "die 20 Kilometer nach Friesen zu fahren". Zudem änderten sich die Fahrtstrecken der aktuellen Stützpunktspieler kaum, will der DFB-Stützpunktkoordinator nachgerechnet haben. Im Stützpunkt Kulmbach sind derzeit 29 Jungen und Mädchen aus dem Landkreis Kulmbach, 15 aus dem Lichtenfelser Raum, zwölf aus Kronach und fünf aus dem Raum Bayreuth.

Der Forderung, doch mehr wohnortnahe Stützpunkte einzurichten, erteilt Urbansky aber eine Absage. "Wir sind mit 15 Stützpunkten und 58 Honorartrainern in Nordbayern schon sehr gut abgedeckt. Außerdem betreiben wir ja Elite- und keine Breitenförderung."

1999 wurde der DFB-Stützpunkt als einer von bayernweit 64 in Kulmbach eingerichtet. Erster Leiter war der
heutige FCN-Cheftrainer Michael Köllner. Parallel gab es damals aber auch noch einen Stützpunkt in Hummendorf bei Kronach, der 2012 nach zehn Jahren aufgelöst wurde.

2011 hatte Kulmbach schon einmal überraschend den Stützpunkt an Hollfeld abgeben müssen. Landrat Klaus Peter Söllner und OB Henry Schramm schrieben daraufhin Protestbriefe an den Verband - mit Erfolg. Ab 2012 gab es wieder jeden Montag Talentförderung an der Realschule. "Das hat schon damals keiner verstanden, warum der Stützpunkt aufgelöst wurde", erinnert sich Landrat Klaus Peter Söllner, der auch dieses Mal wieder um den Stützpunkt kämpfte - allerdings vergeblich. "Das ist bedauerlich. Ich habe Herrn Urbansky auch andere Sportgelände im Landkreis vorgeschlagen, doch hat man sich für Friesen entschieden. Zumindest wurde uns zugesichert, dass Friesen keine Dauerlösung ist."


Flutlicht fehlt

Wie der Landrat aus Gesprächen mit Michael Urbansky erfahren musste, hätten auch die Trainingsbedingungen im Winter in Kulmbach eine Rolle gespielt. Mangels Flutlicht auf dem Fußballgelände der Realschule mussten die Kinder zuletzt zum TSV Melkendorf ausweichen.

Deshalb werde man am Landratsamt auch bauliche Verbesserungen auf dem Realschul-Sportgelände andenken. Denn Söllner sagt: "Wir geben den Stützpunkt nicht dauerhaft preis." Michael Urbansky macht dem Landrat diesbezüglich auch Hoffnung: "Der Stützpunkt in Friesen ist kein Dogma. Wir schauen immer, was sich wo entwickelt."

Der Talentsichtungstag für die neu zum Stützpunkt kommenden Spieler des Jahrgangs 2006 findet am Sonntag, 16. Juli, bereits auf dem Gelände des SV Friesen statt. Auch das Trainertrio mit Leiter Michael Schreiber, Joachim Riedel und Jürgen Schneider wechselt mit nach Friesen.
Michael Schreiber, der auch noch den Kreisligisten TSV Bindlach trainiert, wäre durchaus gerne an der Kulmbacher Realschule geblieben, wo man "beste Voraussetzungen habe". Doch die Problematik mit dem Training in der schlechten Jahreszeit sei "schon ein gravierender Punkt". Dafür fehle allerdings in Friesen eine Halle wie in Weiher.


Die Kulmbacher Reaktionen

Fünf Jahre (von 2002 bis 2006) war auch Ex-Profi Armin Eck als DFB-Stützpunkttrainer in Kulmbach tätig. "Dass der Stützpunkt wegkommt, ist für Kulmbach schade", sagt er 51-jährige frühere Deutsche Meister des FC Bayern. Denn der Kulmbacher Raum gebe immer noch "genügend gute Spieler für einen Stützpunkt her". Für die Betroffenen sei es "schade, dass sie künftig weiter fahren" müssten. Mit der Verlegung nach Friesen habe Eck aber nichts zu tun. "Dass ich in der neuen Saison den SV Friesen trainiere, ist wirklich Zufall", beteuert Eck, der selbst mit seiner privaten Fußballschule allwöchentlich kostenpflichtiges Förder-Training in Bamberg, Kulmbach und Neuses bei Kronach anbietet. Insgesamt 50 Spieler trainiert er regelmäßig.
Auch der langjährige Jugendleiter des ATS Kulmbach, Werner Dierschke, bedauert den Standortwechsel. "Das ist schon traurig, ein großer Verlust für Kulmbach." Doch der 75-Jährige muss auch eingestehen, dass es mit dem Jugendfußball in Kulmbach derzeit nicht zum Besten bestellt ist. So gibt es im ganzen Landkreis nur noch sechs A-Junioren-Mannschaften bei der JFG Maintal/Friesenbachtal (2), der SG Neudrossenfeld, JFG Plassenburg, SG Marktleugast und SG Motschenbach. "Wir bei der JFG Plassenburg hätten auch keine mehr, wenn wir nicht viele Flüchtlinge im Team hätten. Jeder Verein sollte sich bewusst werden, wie wichtig Jugendarbeit ist", sagt Dierschke.


Kommt die Kulmbacher Lösung?

In Kulmbach gebe es aber einen Lichtblick, so Dierschke, denn der ATS, VfB, TSV 08, TSV Melkendorf, Vatan Spor und BC Leuchau verhandelten gerade über eine Zusammenarbeit im Nachwuchsbereich. "Dafür plädiere ich seit Jahren. Scheinbar ist man endlich schlauer geworden", sagt Dierschke.
Und was sagen die betroffenen Talente? Der 13-jährige Lucas Ohnemüller, der seit einem Jahr am Stützpunkt ist und dorthin zu Fuß gehen kann: "Das ist schon blöd, ich werde dann wohl aufhören, denn ich habe keine Lust auf die Fahrerei nach Kronach." Ebensowenig die Eltern seines Kumpels Tim Budemann. Dessen Mutter Inga sagt: "Das ist sehr schade, der Stützpunkt vor Ort kam uns natürlich entgegen. Nach Friesen fahren wir auf keinen Fall."


"Das ist ein Armutszeugnis"

Und Christine Fischer, Mutter von Spieler Leopold aus Losau sagte, als sie von der Auflösung des Kulmbacher Fußball-Stützpunktes erfuhr: "Das ist ein Armutszeugnis. Warum leistet sich denn der reiche DFB nicht in allen größeren Städten Stützpunkte?"


Kommentar von Sportredakteur Christian Schuberth

Der Verlust des DFB-Stützpunktes in Kulmbach ist ein schwerer Schlag für den Jugendfußball im Landkreis, der in großen Nöten steckt. Nicht nur, dass die Zahl der Jugendmannschaften in der Region ständig rückläufig ist, auch die Qualität hat deutlich nachgelassen. Das Vakuum, das die in den achtziger und neunziger Jahren in Nordbayern führende und nach der Jahrtausendwende mit der Herrenmannschaft untergegangene Jugendabteilung des ATS Kulmbach hinterlassen hat, können die JFG Maintal/Friesenbachtal und der SV Motschenbach trotz großen Engagements allein nicht stopfen.
Vor allem im älteren Jugend-Bereich sind die Zahlen alarmierend. Gab es 2015 noch neun A-Jugendmannschaften im Landkreis, so sind es 2016 nur noch sechs. Und von ihnen spielt nur die JFG Maintal/Friesenbachtal oberhalb der Kreisebene (Bezirksoberliga). Ähnliches gilt für die B-Jugend (acht Teams), wo ebenfalls nur die JFG Maintal/Friesenbachtal (Bezirksoberliga) höherklassig kickt.
Bevölkerungsrückgang, zunehmende Konkurrenz anderer Sportarten, verändertes Freizeitverhalten oder abnehmendes Sportinteresse der Jugend mögen ebenso schuld sein wie die Tatsache, dass immer weniger Menschen bereit sind, ihre durch steigende Arbeitsherausforderungen zunehmend knapper bemessene Freizeit für die Allgemeinheit zu opfern.
Doch auch der Fußball-Verband hat sein Scherflein zur allgemeinen Krise im Nachwuchsbereich beitragen. Statt etwa geringere Mannschaftsstärken auch in den älteren Altersklassen führte der BFV 2002 die Jugendfördergemeinschaften (JFG) ein. Doch die sind inzwischen vielerorts gescheitert. Frag nach bei der JFG Oberland oder der JFG Schiefe Ebene. Denn wie beim Spiel in Überzahl verlässt man sich bei größeren Zusammenschlüssen oft auf die anderen - das eigene Engagement lässt nach.
"Die JFG ist ein Auslaufmodell", muss selbst BFV-Kreisjugendleiter Thomas Sauerstein eingestehen.
Und dann gehen durch Fusionen immer auch Derbys flöten. Die Folge: Selbst in den Kreisligen blühen den Kindern Weltreisen nach Burgebrach (von Kulmbach knapp 80 Kilometer) oder Walsdorf (knapp 70 Kilometer).
Fußballer aus dem Talent-Stützpunkt spornen oft auch ihre Mitspieler im Verein an, besser zu werden. Die Multiplikatoren werden zweifellos weniger, wenn viele Kulmbacher Eltern ihre Kinder nicht wöchentlich nach Kronach kutschen wollen.
Der Verlust des DFB-Stützpunktes wird die Krise im Kulmbacher Jugendfußball weiter verschärfen - und den Vereinen in naher Zukunft noch größere Nachwuchssorgen bereiten.