Sexueller Übergriff nach Fasching im Kreis Kulmbach: Angeklagter schockiert von geforderter Strafe

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Wurde eine junge Frau im Fasching 2017 begrapscht? Im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bayreuth wird der Fall, der sich im Landkreis Kulmbach ereignete, von der Berufungskammer noch einmal aufgerollt. Symbolfoto: Heiko Wolfraum /dpa
Wurde eine junge Frau im Fasching 2017  begrapscht? Im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bayreuth wird der Fall, der sich im Landkreis Kulmbach ereignete, von der Berufungskammer noch einmal aufgerollt. Symbolfoto: Heiko Wolfraum /dpa

Im Schneewittchen-Prozess zeichnet sich ab, dass der Angeklagte einen großen Fehler begangen haben könnte. Dem Mann wird sexuelle Nötigung vorgeworfen, weil er im Fasching 2017 eine Frau begrapscht haben soll.

Der Angeklagte schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf. Er war am Donnerstag schwer beeindruckt vom Strafmaß, das Staatsanwalt Jan Köhler gefordert hatte: ein Jahr Freiheitsstrafe, weil er im Fasching 2017 eine junge Frau, die als Schneewittchen verkleidet war, begrapscht haben soll. Köhler hegte keinen Zweifel, "dass Sie der Frau zweimal unter den Rock gegriffen haben" - strafbar als sexuelle Nötigung.

Der 35-jährige Mann, der vom Amtsgericht Kulmbach in erster Instanz freigesprochen worden war, ahnte wohl, dass er womöglich - wie es in der Fußballersprache heißt - ein klassisches Eigentor geschossen hat. Denn hätte der Angeklagte den Ehemann der Frau nicht wegen Körperverletzung angezeigt, wäre auch die Gegenanzeige wegen des sexuellen Übergriffs nicht erfolgt. Wahrscheinlich wäre Gras über die Sache gewachsen.

Alle haben Party gemacht

Keiner hätte etwas davon erfahren, was in jener Februarnacht 2017 nach einer großen Faschingsveranstaltung im Landkreis Kulmbach geschehen war. Der Abend war lustig, der Saal brechend voll. Es wurde Party gemacht, gefeiert und getrunken. Nüchtern war keiner mehr, als man in den frühen Morgenstunden zu viert nach Hause ging: Schneewittchen und sein Mann, der Angeklagte und eine Freundin, in deren Wohnung alle übernachten wollten.

Bis dahin verstand man sich prächtig. Bis der Angeklagte in der Küche übergriffig geworden sein soll gegen die Frau, die noch ihr Faschingskostüm trug. "Er fasste mir mit einer Hand unters Kleid, zwischen die Beine", so die 25-Jährige. Zunächst von hinten, und als sie ihn weggestoßen habe, noch mal von vorne.

Übel verprügelt

In der Berufung vor dem Landgericht Bayreuth bestritt der Angeklagte die Tat: "Da war nichts." Was der Ehemann damals aber ganz anders sah und den Übeltäter heftig verprügelte. Obwohl aus Spaß bitterer Ernst geworden war, verständigten sich die Beteiligten darauf, keine Polizei zu holen, wie Zeugen bestätigten.

Gegen fünf Uhr traf ein herbeigerufener Krankenwagen am Ort des Geschehens ein. Die Sanitäter behandelten die Kopfverletzung des Angeklagten. Und der Ehemann begab sich mittags mit einer gebrochenen Hand ins Klinikum Kulmbach.

Am zweiten Prozesstag verdichteten sich durch die Aussagen des Krankenhausarztes, der beiden Rettungssanitäter und der Therapeutin, die das Opfer betreut hatte, die Anzeichen, dass es sich bei der Anzeige der Frau nicht um eine Retourkutsche handelte, wie das Amtsgericht Kulmbach bei seinem Freispruch angenommen hatte. Denn schon unmittelbar nach dem Vorfall und am Tag danach - also zeitnah - äußerte das Ehepaar mehrmals Vorwürfe gegen den 35-Jährigen.

Vorsitzender Richter Werner Kahler deutete an, dass die Aussage der Frau als glaubwürdig einzustufen sei. Er regte an, dass Rechtsanwalt Wolfgang Schwemmer mit seinem Mandanten sprechen solle. Der Angeklagte werde "nichts zugeben, was er nicht getan hat", betonte der Verteidiger anschließend.

Kein Motiv für Retourkutsche

Der Staatsanwalt forderte ein Jahr Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne, und eine Geldauflage von 4200 Euro. Die Angaben des Ehepaares bezeichnete Köhler als plausibel. Zum Beispiel die Reaktion des Mannes, der völlig ausrastete, als seine Frau bedrängt wurde. Dafür sei er rechtskräftig verurteilt worden und habe eine Geldstrafe kassiert. Deshalb gebe es auch kein Motiv, den Angeklagten in die Pfanne zu hauen, um den Ehemann zu schützen. Dagegen sei die Aussage des Angeklagten, dass der Angriff aus heiterem Himmel kam, nicht plausibel.

Der Anwalt der Nebenklägerin, Gert Lowack aus Bayreuth, bedauerte es, dass sich der Angeklagte nicht zu seiner Tat bekannt habe. Das Verfahren mache der Nebenklägerin, die auch am Donnerstag im Gerichtssaal anwesend war, sehr zu schaffen.

Traumatisiert vom Ehemann

Der Verteidiger war überzeugt, "dass der Freispruch des Amtsgerichts Kulmbach richtig war". Er hatte eine eigene Erklärung, was die Frau in Angst und Schrecken versetzt habe: das Verhalten ihres Mannes. "Sie zitterte, weil er den anderen Mann bewusstlos schlug. Das ist die Traumatisierung. Sie hatte Zukunftsangst, was aus ihrem Kind und aus ihrer Familie wird." Der Bayreuther Anwalt hielt es für völlig abwegig, dass ausgerechnet sein schwer malträtierter Mandant den Sanitätern von dem Übergriff erzählt haben soll. Schwemmer beantragte, die Berufung von Staatsanwaltschaft und Nebenklage zu verwerfen.

Die Bayreuther Strafkammer fällt ihr Urteil am 22. November.