Nach Beißvorfall in Kulmbach: Prozesse, Emotionen, Vorwürfe

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Weil viele Kinder an dem Grundstück in Ziegelhütten vorbeilaufen, veranlasste die Stadt Kulmbach nach dem Beißvorfall vor zwei Jahren die Beschlagnahme der zwei Rottweiler. "Es war für uns wie eine Zeitbombe", sagte eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung jetzt vor Gericht. Symbolfoto: Frank Leonhardt/dpa
Weil viele Kinder an dem Grundstück in Ziegelhütten vorbeilaufen, veranlasste  die Stadt Kulmbach  nach dem Beißvorfall  vor zwei Jahren  die Beschlagnahme der  zwei Rottweiler. "Es war für uns wie eine Zeitbombe", sagte eine Mitarbeiterin der  Stadtverwaltung  jetzt  vor Gericht. Symbolfoto: Frank Leonhardt/dpa

Das Verfahren gegen den Halter von zwei Rottweilern, die in Ziegelhütten einen Buben gebissen und schwer verletzt haben, zieht Kreise.

Was vor zwei Jahren in Ziegelhütten passierte, ist unstrittig: Zwei Rottweiler gelangten durch ein Tor, das nicht hätten offen sein dürfen, auf die Straße und verfolgten einen neunjährigen Schüler, der an jenem Samstag im Mai zufällig dort vorbeilief. Die Hunde bissen mehrmals zu und verletzten den Buben schwer. Unter anderem erlitt er eine 15 Zentimeter lange Skalpierungsverletzung am Kopf. Zum Schluss lagen die beiden 50-Kilo-Rüden auf dem blutenden und schreienden Kind.

Vorhersehbar und vermeidbar

Gestritten wird vor dem Amtsgericht Kulmbach, ob der 57-jährige Hundehalter dafür verantwortlich gemacht werden kann. Ja, meint Staatsanwalt Jochen Götz. Der Vorfall sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Die Anklage lautet auf fahrlässige Körperverletzung.

Nein, sagt Rechtsanwalt Alexander Schmidtgall. Die Verteidigung spricht von einem bedauerlichen Unfall, den der Angeklagte nicht verursacht habe.

Zeuge: Hunde büxten aus

Dessen Schwiegervater hatte vor Gericht erklärt, dass die Hunde von der Frau des Angeklagten ins Haus gebracht worden seien, bevor diese mit dem Auto wegfuhr und das Gartentor offen ließ. Offenbar sei es den Hunden gelungen, so der Zeuge, durch die nicht abgeschlossene Haustür auszubüxen.

Am Mittwoch wurde wieder lang verhandelt. Die Wahrheitsfindung ist nicht einfach, denn dem Angeklagten muss seine Schuld nachgewiesen werden. Nachdem das Gericht am ersten Prozesstag zehn Zeugen gehört hatte, waren es diesmal vier.

Ob man der Wahrheit näherkam? Jedenfalls wurde deutlich, dass der Angeklagte eine Reihe von Prozessen führt. Vor einem Zivilgericht wurde laut Verteidiger ein Schmerzensgeld an den Buben bezahlt. Aber vor allem mit der Stadt Kulmbach liegt der Mann im Clinch, die gegen ihn ein lebenslanges Hundehaltungsverbot ausgesprochen und wegen seiner Unzuverlässigkeit die Beschlagnahme von "Max" und "Alfons" angeordnet hatte. Dagegen klagt er vor dem Verwaltungsgericht.

Vorwürfe an die Stadt

Anwalt Schmidtgall zufolge ist sein Mandant von der Stadt mit Zwangsgeldbescheiden bombardiert worden. Einer Mitarbeiterin der Behörde warf er gestern vor, von Anfang an die Wegnahme der Rottweiler beabsichtigt zu haben. "Er hatte keine Chance, die Hunde zu behalten."

Der Verteidiger hinterließ einen sehr emotionalen Eindruck. Und Richterin Sieglinde Tettmann mahnte: "Die Aufgabe von Juristen ist es, sachlich, objektiv und unvoreingenommen an die Sache ranzugehen." Weiter stellte sie fest, dass nach dem tragischen Vorfall Strafverfahren, Zivilprozess und die Klage vor dem Verwaltungsgericht "ineinander übergreifen". Für den Strafprozess spiele dies aber keine Rolle.

Die Verwaltungsmitarbeiterin und eine Kollegin machten vor Gericht deutlich, dass es seit Jahren mit dem Angeklagten Ärger gegeben habe. Nachbarn, die Angst vor den frei laufenden Rottweilern hatten, hätten sich immer wieder beschwert.

"Wie eine Zeitbombe"

Der Hundehalter sei uneinsichtig gewesen und habe sich nicht an die Auflagen gehalten. Weil zwei Schulen, ein Kinderhort, ein Kindergarten, ein Bolzplatz und zwei Sportvereine in der Nähe sind, so die Zeugin, habe die Stadt nach dem Beißangriff handeln müssen. "Es war wie eine Zeitbombe. Es war nicht vorhersehbar, was passieren wird."

Laut Zeugin kam der Sachverständige der Stadt zu der Ansicht, dass ein auf den Menschen fehlgeleiteter Beutetrieb vorlag. Das beginne mit dem Hetzen des Opfers und ende, wenn das Opfer leblos am Boden liegt. Der Gutachter der Verteidigung bezeichnete die Rottweiler dagegen als nicht aggressiv. Er stellte fest: "Sie waren vollkommen normal und friedlich."

Von wegen unversperrte Haustür

Wie zuvor schon ein Polizist, bestätigte die Stadtmitarbeiterin auch, dass kurz nach dem Vorfall von der unversperrten Haustür noch nicht die Rede gewesen sei. Vielmehr habe die Frau des Angeklagten angegeben, dass die Hunde bei ihrem Mann im Garten waren. Und sie habe ihn aufgefordert, dass er wegen des offenen Tores aufpassen soll.

Die Verhandlung wird in zwei Wochen fortgesetzt.

Strafgesetzbuch

Paragraf 229 Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.