Der Kulmbacher Stadtrat macht sich vom Acker

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Photovoltaik: Die geplante Freiflächenanlage bei Grafendobrach wird nicht gebaut. Symbolbild: Ralf Lienert
Photovoltaik: Die geplante Freiflächenanlage bei Grafendobrach wird nicht gebaut. Symbolbild: Ralf Lienert

Gegen grünen Strom von der Wiese: Warum die Grafendobracher Freiflächen-Photovoltaikanlage abgeschmettert wurde. Dazu auch unser Kommentar.

Die Diskussion war kontrovers, die Meinungen gingen quer durch - fast - alle Fraktionen. Aber letztlich schmetterte der Stadtrat am Donnerstag die bei Grafendobrach geplante Freiflächen-Photovoltaikanlage auf 13,7 Hektar Ackerfläche gegen sieben Stimmen (5 SPD, 1 GOL, 1 WGK) ab. Die breite Mehrheit votierte gegen grünen Strom vom Acker.

Schnell wurde in der Debatte klar, dass das Projekt der Rugendorfer Firma Münch Energie keine Chance haben würde. Auf einen formalen Grund verwies Michael Pfitzner (CSU). Man könne nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen. Wenn gewollt, müsste man zunächst die gültigen Grundsatzbeschlüsse ändern, Photovoltaik nur auf Dächern zu genehmigen.

Droht Schadenersatz?

Da auf dieser Grundlage bisher Anträge von sechs Investoren abgelehnt worden seien, befürchtete MdL Inge Aures (SPD), dass die Stadt schadenersatzpflichtig würde. "Die anderen hätten einen Rechtsanspruch gegen uns."

Stefan Schaffranek (WGK) plädierte dafür, die Grundsatzbeschlüsse beizubehalten. Denn Kulmbach tue schon sehr viel für erneuerbare Energien. Ralf Hartnack (WGK) und Thomas Nagel (FDP) sahen durch die Freiflächen-Photovoltaik die Ziele des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" konterkariert. Weiter sagte Nagel: "Dem Investor geht es um wirtschaftliche Interessen, nicht nur um Idealismus: Das ist Klimaschutz mit monetärem Hintergrund!"

Ludwig legt sich ins Zeug

MdL Rainer Ludwig, umweltpolitischer Sprecher der FW-Landtagsfraktion, legte sich für das Grafendobracher Projekt ins Zeug, denn die geplante Anlage sei fast nicht einzusehen. Man dürfe sich nicht hinter Grundsatzbeschlüssen verschanzen. Er kritisierte die Stadtratsmehrheit: "Wir wollen alle die Energiewende, aber offenbar nicht hier vor Ort. "

Auch Hans Werther (SPD) meinte, dass der Standort klug gewählt sei: "Dort führen keine Wanderwege durch, und die Insekten fühlen sich wohl." Sein Parteifreund Matthias Meußgeyer sah hier das Floriansprinzip verwirklicht. Er forderte, "die unsäglichen Grundsatzbeschlüsse" zu revidieren.

Komisch und abenteuerlich

Die Diskussion habe teilweise komische Züge, sagte Hans-Dieter Herold (Die Grünen) und wunderte sich, dass Solarstrom plötzlich schlecht für den Artenschutz sein soll. "Eine abenteuerliche Argumentation!" Keine Sorgen hatte der gelernte Jurist vor etwaigen Schadenersatzansprüchen.

Von einer vertanen Chance sprach Ingo Lehmann (SPD). Denn die Firma Münch Energie biete den Kulmbacher Stadtwerken an, grüne Energie aus Grafendobrach ins städtische Stromnetz einzuspeisen.

Kommentar: Der Stadtrat hat's vergeigt

Keine gute Nachricht für den Klimaschutz: Der Kulmbacher Stadtrat ist nicht von seinen Grundsatzbeschlüssen aus den Jahren 2009 und 2014 abgerückt. Die Welt dreht sich weiter, die Probleme werden größer, aber man lehnt beharrlich und pauschal grünen Strom vom Acker ab. Bei Freiflächen-Photovoltaik hätte man sich - vernünftigerweise - Einzelfallentscheidungen gewünscht.

Die breite Mehrheit konnte sich nicht damit anfreunden, regenerative Energie auf der Wiese zu produzieren. Man bekam in Grafendobrach ein Bilderbuchprojekt auf dem Tablett serviert. Aber: Der Stadtrat hat's vergeigt.

Kein Großinvestor von auswärts, dem die Region ziemlich wurscht ist, sondern ein Mittelständler aus Rugendorf im Landkreis Kulmbach, der annähernd 100 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Investor, der für die Photovoltaikanlage auf 13,7 Hektar einen Standort ausgesucht hat, der fast nicht einsehbar ist. Ein Investor, der transparent im Vorfeld seine Pläne offenlegte.

Das war schon mal ganz anders - siehe Windpark Rugendorf, der den Grafendobrachern drei weithin sichtbare (und hörbare) Rotoren auf der Fichtichhöhe bescheren soll: Dieses Projekt (auch das auf der Kirchleuser Platte) winkte der Kulmbacher Stadtrat vor ein paar Jahren einstimmig durch, ohne dass mit den Bürgern vorher gesprochen worden wäre.

Und beim Projekt von Münch Energie gab es im Dorf keine breite Front, die Gegenwind gemacht hätte. Also beste Voraussetzungen, um sauberen Strom für 3300 Haushalte zu produzieren - in der Region und für die Region, denn die Kulmbacher Stadtwerke hätten die regenerative Energie einkaufen können. Interessant, was Stadtwerkechef Stephan Pröschold dazu zu sagen gehabt hätte. Aber er durfte nicht, wie von Ingo Lehmann (SPD) vorgeschlagen, sprechen.

Wieder funktionierte die alte Achse: Die CSU komplett dagegen, und die WGK ließ ihren energiepolitischen Sprecher im Landtag, MdL Rainer Ludwig, komplett im Regen stehen.

Atomkraftkraftwerke sind out. Die klimaschädlichen Kohlekraftwerke werden vom Netz genommen. Monstertrassen, die die Energie von Nord nach Süd transportieren, will keiner haben. Und der Strom soll trotzdem aus der Steckdose kommen. Wie, bitteschön, soll das funktionieren?