Dorle ist ein vier Monate alter Goldendoodle-Welpe und gehört seit kurzer Zeit zum Erzieherteam des Kindergartens Auferstehungskirche in Kulmbach.
Dorle ist der Star im Auferstehungskindergarten in der Blaich. Die Kinder sind vernarrt in das feuchte Näslein, die treuen braunen Augen und das kuschelige Fell. Die vier Monate alte Goldendoodle-Hündin - eine Mischung aus Königspudel und Golden Retriever - geht seit letzter Woche für ein paar Stunden in den Kindergarten.
Immer an ihrer Seite: ihr Frauchen, Kindergartenleiterin Katrin Hammer. Sie ist selbst mit Tieren aufgewachsen und hat früher ab und zu ihren damaligen Hund zu Ausflügen mitgenommen. "Kinder, die sonst nie aus sich rausgegangen sind, flitzten mit meinem Hund auf einmal rum und blühten richtig auf", erzählt sie.
An diesem Tag stoßen Katrin Hammer und Dorle zur Memory-Runde von sechs Fünfjährigen dazu. Dorle legt sich in die Mitte, ganz zur Freude der Kinder. Es wird gefragt, wie es ihr geht, was sie heute schon gemacht hat und wie lange sie noch bleibt. "In den letzten Jahren ist mir aufgefallen, dass viele Kinder wieder Berührungsängste zu Tieren aufbauen", erzählt Katrin Hammer. Viele Familien hätten keine Möglichkeiten mehr, Tiere zu halten. Zu wenig Zeit und eine eingeschränkte Wohnsituation seien meist die Gründe. "Wenn Kinder dann mal auf Tiere treffen, haben sie Angst", sagt Hammer. Dorle soll helfen, diese Ängste abzubauen. Aber kein Kind werde gezwungen, Kontakt zur Hündin aufzunehmen.
Mia würde am liebsten den ganzen Tag mit Dorle kuscheln. "Sie ist so niedlich", sagt die Fünfjährige. Die Hündin wälzt sich auf den Rücken und lässt sich am Bauch kraulen. "Bei den Kindern ist sie wesentlich entspannter als zu Hause."
Katrin Hammer hat ihre Hündin von einer Sozialpädagogin, die schon jahrelang hobbymäßig Hunde züchtet. "Sie hat Dorle ausgesucht und auf den Kindergartenalltag vorbereitet."
Autofahren, erster Kontakt mit Küken und kleine Rempler: Die Züchterin ist verschiedenste Situationen mit dem Vierbeiner durchgegangen. Seit Ende Dezember geht Katrin Hammer mit Dorle in die Welpenschule und gewöhnt sie an den Kindergarten. "Ich habe mir das viel komplizierter vorgestellt. Aber man braucht gar keine behördlichen Genehmigungen", erklärt Hammer. Dennoch habe sie im Vorfeld ihr Konzept mit freiwilligen Regeln an das Gesundheitsamt und die Aufsichtsbehörde geschickt, um Ärger zu vermeiden.
Die Küche ist für Dorle tabu, sie darf nur mit Leine zu den Kindern und Katrin Hammer muss dabei sein: "Wir haben uns überlegt, was für ein sicheres und hygienisches Miteinander von Hund und Kindern wichtig ist."
Den Eltern und dem Träger, der "Die Kita", habe sie ein pädagogisches Konzept vorgestellt. "Es standen alle von Anfang an hinter der Idee", erzählt Hammer. Dorle soll nun regelmäßig in den Kindergartenalltag eingeplant werden.
Dorle motiviert die Kinder
Die sechs Kinder sitzen mit Zangen und Kochlöffeln ausgestattet in einem Halbkreis. Dorle liegt in der Mitte. Johannes nimmt mit seiner Zange ein Leckerli aus einem Eimer und übergibt es an Maximilian, der gibt es mit einem Kochlöffel an Mia weiter. Als das Leckerli am Ende der Reihe bei Eva angekommen ist, darf sie es Dorle geben. "Die Kinder sind eher motiviert, etwas durchzuhalten, wenn Dorle dabei ist", erklärt Hammer. Zudem sei das Spiel gut für die Motorik der Fünfjährigen.
Für Hammer gibt es noch viele weitere positive Aspekte. "Oft haben Kinder Schwierigkeiten, mit Menschen zu reden. Bei Hunden ist das kein Problem für sie."
Der Hund stärkt das Selbstbewusstsein der Kleinen. Katrin Hammer war es wichtig, einen Welpen für den Kindergarten einzusetzen. "Sie bekommt in ihrer Prägezeit alles mit und lernt von Anfang an, wie man mit Kindern umgehen muss. Wenn sie älter ist, gehört das ganz normal zu ihrem Leben dazu."
Dorle ist vom vielen Spielen ganz müde geworden. Sie kuschelt sich an ihr Frauchen. Nach kurzer Zeit fallen ihr die Augen zu. Als die Kinder das bemerken, wird es auf einmal still. "Die Kinder lernen, Rücksicht zu nehmen", flüstert Katrin Hammer. Für Dorle ist nun Feierabend. "Ich freue mich schon aufs nächste Mal", flüstert Mia dem Welpen ins Ohr, als sie sich von ihm verabschiedet.
"Auch das Wohl des Vierbeiners beachten"Tierheimleiterin Susanne Schilling findet es generell positiv, dass Kinder und Hunde zusammen kommen - vorausgesetzt, es werden aus Sicht des Vierbeiners ein paar Grundsätze beachtet. "Natürlich hat ein Hund seine ganz eigenen Bedürfnisse, vor allem ein Welpe. Ganz wichtig ist: Er muss seine Ruhepausen haben und sollte in dieser Zeit, etwa wenn er schläft, auch tatsächlich ungestört sein und nicht bedrängt werden."
Zudem sollten feste Zeiten vorgesehen werden, in denen der Hund aktiv ist. "Ein Welpe hat eine Aufmerksamkeitsspanne von gerademal einer Viertelstunde. Das sollte man berücksichtigen, um ihn nicht zu überfordern. Er hat ja keine Sprache, mit er sich für Kinder verständlich artikulieren kann."
Oberstes Prinzip: Es muss gewährleistet sein, dass die Kinder niemals mit dem Hund allein sind. "Ein Erwachsener als Aufsicht muss schnell eingreifen können, etwa wenn er merkt, dass der Hund überfordert ist oder wenn er mal grober angefasst wurde. Das merkt sich gerade ein junger Hund - und er kann sich wehren. Er ist kein Spielzeug, sondern ein Lebewesen. Ein ausgewachsener Hund toleriert vielleicht nicht mehr alles, was er noch als Welpe über sich hat ergehen lassen."
Manchmal, so die Tierkennernin, müsse man notfalls den Hund vor dem Kind schützen. "Das ist nicht böse gemeint, sondern dient dem Schutz und Wohlergehen aller Beteiligten. Die Kinder wollen ja auch, dass es ihrem neuen Freund gut geht."