Der schuldunfähige Mann, der einen anderen Obdachlosen gequält und brutal misshandelt hat, kommt zunächst in eine Entziehungsanstalt. Aber über ihm schwebt ein Damoklesschwert.
Was am 6. Januar in der Kulmbacher Obdachlosenunterkunft in der Hermann-Limmer-Straße geschah, war ein Gewaltexzess. Ein 28-jähriger Mann hatte einen anderen Obdachlosen gequält und brutal misshandelt.
Nach Erinnerung des Opfers dauerte das Martyrium zwei Stunden. Schläge mit Fäusten, einem Kabel und einer Holzlatte und immer wieder Fußtritte. "Ein bisschen länger und ich wäre tot gewesen", sagte der Geschädigte (19), der in einem unbeobachteten Augenblick flüchten konnte.
Explosive Mischung
Bestraft werden konnte der Beschuldigte nicht. Wegen einer paranoiden Schizophrenie ist er schuldunfähig. Zusammen mit seiner Alkohol- und Drogensucht eine explosive Mischung: Der Mann, der als gemeingefährlich gilt, musste sich jetzt vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Bayreuth verantworten, die am Dienstag ihr Urteil verkündete.
Dabei war eine schwierige Rechtsfrage zu klären. Kann der Mann - nach Paragraf 64 Strafgesetzbuch - in einer Entziehungsanstalt untergebracht oder muss er - nach Paragraf 63 - auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie eingewiesen werden? "Bitte geben Sie mir keinen 63er", bettelte er vor Gericht. Die Ungewissheit, vielleicht lebenslang nicht mehr aus der Psychiatrie rauszukommen, mache seinem Mandanten Angst, so Rechtsanwalt Wolfgang Schwemmer aus Bayreuth.
Zwei Maßregeln
Die Kammer fand einen Mittelweg, dem auch Staatsanwalt Julius Klug zustimmen konnte: Sie ordnete beide Maßregeln an. Die Handhabe dafür, so Vorsitzender Richter Michael Eckstein, biete der Paragraf 72. "Das habe ich noch nie gemacht. Unser Fall ist aber einer, der sich hier absolut aufdrängt." Denn der Beschuldigte weise die Besonderheit auf, dass bei ihm sowohl eine psychische Erkrankung als auch sein Alkoholismus stark ausgeprägt sind. Diese besondere Gemengelage habe sich erst am Freitag herausgestellt.
Das Gericht entschied, den Mann zunächst in die Entziehungsanstalt einzuweisen. Das heißt, er bleibt im Bezirkskrankenhaus und wechselt nur die Krankenstation. Dort sollen seine beiden Probleme behandelt werden.
Ob er nach der Höchstdauer von zwei Jahren wieder in Freiheit kommt oder ob anschließend die Unterbringung in der Psychiatrie erforderlich ist, "hängt jetzt von Ihnen ab", betonte Eckstein. Er sprach von einem "massiven Druck" auf den Beschuldigten, der sogleich erklärte: "Ich mache mit!"