Verrohende Sprache auf der einen, sinnloses Wortgeklingel auf der anderen Seite - ein paar Beispiele:
Auf der einen Seite meint man täglich festzustellen, dass unsere Sprache zusehends verroht. Da werden Begriffe in den sogenannten sozialen Medien in öffentlichen Diskussionen verwendet, für die sich diejenigen, die sie benutzen, schämen müssten.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Tendenz, mit unnötigem Wortgeklingel Verbindlichkeit und Höflichkeit im Ton vorzutäuschen. Beispiel gefällig? - "Im Sinne eines realistischen Erwartungsmanagements möchte ich Ihnen vorab die Information mit auf den Weg geben, dass sie bisher alle weiteren Interviewanfragen abgelehnt hat."
Heiß auf gut Deutsch: "Sie wird wahrscheinlich nicht antworten (- stellen Sie sich darauf ein!)" Oder diese Formulierung: "Im Bereich Produktion werden Synergie-Effekte optimal genutzt und Verschlankungs-Potenziale erkannt." Übersetzt bedeutet das: "Die Beschäftigten in der Produktion müssen mehr arbeiten, weil Entlassungen anstehen."
Warum wird so formuliert? - Weil diejenigen, die hier sprachpanschend am Werke sind, vielleicht nicht den A... in der Hose haben, Tacheles zu reden. Aber jetzt halte ich mich lieber zurück, ehe ich noch ein Beispiel für die Verrohung der Sprache liefere.
Stefan George
WEIHE
Hinaus zum strom! wo stolz die hohen rohre
Im linden winde ihre fahnen schwingen
Und wehren junger wellen schmeichelchore
Zum ufermoose kosend vorzudringen.
Im rasen rastend sollst du dich betäuben
Am starken urduft, ohne denkerstörung.
So dass die fremden hauche all zerstäuben.
Das auge schauend harre der erhörung.
Siehst du im takt des strauches laub schon zittern
Und auf der glatten fluten dunkelglanz
Die dünne nebelmauer sich zersplittern?
Hörst du das elfelied zum elfentanz?
Schon scheinen durch der zweige zackenrahmen
Mit sternenstädten selige gefilde.
Der zeiten flug verliert die alten namen
Und raum und dasein bleiben nur im bilde.
Nun bist du reif, nun schwebt die herrin nieder,
Mondfarbne gazeschleier sie umschlingen.
Halboffen ihre traumesschweren lider
Zu dir geneigt die segnung zu vollbringen:
Indem ihr mund auf deinem antlitz bebte
Und sie dich rein und so geheiligt sah
Dass sie im kuss nicht auszuweichen strebte
Dem finger stützend deiner lippe nah.