"Die Lebensqualität ist in Gefahr"

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Im Kuhstall von Dietrich Eschenbacher hat sich wieder einmal Nachwuchs eingestellt. Beim Interview mit BR-Redakteur Peter Müller saugte ein Kälbchen erwartungsvoll am Daumen des "Rangabauern". Vergeblich - er hatte keine Milch dabei. Foto: Bianka Herrmannsdörfer
Im Kuhstall von Dietrich Eschenbacher hat sich wieder einmal Nachwuchs eingestellt. Beim Interview mit BR-Redakteur Peter Müller saugte ein Kälbchen erwartungsvoll am Daumen des "Rangabauern". Vergeblich - er hatte keine Milch dabei. Foto: Bianka Herrmannsdörfer

"Rangabauer" Dietrich Eschenbacher, der seinen Hof in Tennach seit 1990 ökologisch bewirtschaftet, beklagt die endlose Wachstumseuphorie.

Dietrich Eschenbacher, im Landkreis und darüber hinaus besser als "Rangabauer" bekannt, ist Bio-Landwirt aus Überzeugung und Leidenschaft. Auch agrarpolitisch war er früher aktiv - im Bayerischen Bauernverband, im Maschinen- und Betriebshilfsring und in der Waldbauernvereinigung. Mit seiner Meinung hielt er nie hinterm Berg, auch wenn er sich damit nicht immer beliebt machte. Heute lässt es der 72-Jährige, der den Hof bereits übergeben hat, etwas ruhiger angehen, betrachtet das Geschehen auf den landwirtschaftlichen Spielfeldern gewissermaßen von der Seitenlinie aus. Langweilig wird ihm dabei aber nicht.

Herr Eschenbacher, Sie haben sich mit Ihrer Familie 1990 dazu entschlossen, auf die biologische Landwirtschaft umzustellen.
Welche Gründe waren ausschlaggebend?

Dietrich Eschenbacher: Das Image der Landwirtschaft wurde damals bei den Verbrauchern immer schlechter, die Bauern wurden als Vergifter der Kulturlandschaft angesehen. Die Hubschrauber, die mit Agrarchemie über die Rapsfelder flogen, hinterließen die Abdrift auch in den Hausgärten. Gülle wurde unkontrolliert ausgebracht, wodurch auch Fließgewässer verunreinigt wurden. Es kam zu Fischsterben. Durch überhöhten Einsatz von Düngemittel und Agrarchemie wurde versucht, höhere Erträge zu erzielen, um den Preisverfall der Produkte auszugleichen oder die Existenzen zu sichern. Ganz schlimm war das Unkrautvernichtungsmittel Gesaprim im Mais. Damals wurden bereits für den Herbst acht Liter pro Hektar empfohlen. Die Folge war die Verunreinigung von Teichen und Bächen in den Dörfern, bei Reptilien traten dadurch vermehrt Missbildungen auf.
Für uns ergab sich daraus auch ein wirtschaftlicher Grund: Durch den enormen Anstieg der Produktionskosten, sei es durch Düngemittel, Agrarchemie und Reparaturen, war man gezwungen, mit Gewalt höhere Erträge zu erwirtschaften. Stichworte: Größere Masttier-Einheiten bei Schweinen und Rindern, Höchstleistungen bei Milchkühen um 10 000 Liter pro Tier und Jahr. Nur so konnten konventionell arbeitende Landwirten überleben, was auch heute noch gültig ist. Für uns war das keine Lösung.

Können die Verbraucher allen Produkten vertrauen, die in den Supermärkten als "bio" angeboten werden?
Grundsätzlich ja. Aber Lebensmittelskandale sind unser täglich Brot. Die Verursacher sind mafiös strukturierte Geschäftemacher, die mit der Urproduktion des Nahrungsmittels nichts zu tun haben, sondern mit allen Möglichkeiten versuchen, Gesetze zu umgehen und auf Kosten der bäuerlichen Landwirtschaften - ob konventionell oder ökologisch - Riesenprofite zu machen. Beim Ökolandbau hat der Verbraucher den Vorteil, dass vom Biobauern über Verarbeitung, Handel und Verkauf alles kontrolliert beziehungsweise zertifiziert werden muss. Verfehlungen werden deshalb relativ schnell aufgedeckt.

Stichwort "Genussregion Oberfranken": Die wird ja von unseren Politikern immer wieder proklamiert.
Die Genussregion wurde von der Politik mit Landwirten, Selbstvermarktern, Metzgern, Bäckern, Brauern und Gastronomen gegründet. Erzeugung, Verarbeitung und Verkauf regionaler Nahrungsmittel, die Erhaltung unserer Kulturlandschaft und der handwerklichen Unternehmen sind die Inhalte dieses Wirtschaftskreislaufs. Die Vorleistungen sind also erbracht. Die Verbraucher sollten das nutzen, um sich eine hohe Lebensqualität zu sichern. Das ist aber nicht selbstverständlich und nicht immer bequem.

Hofladen, Brotzeitstübla, Wirtshaussingen, Kartoffeln lesen, Abfischen und jetzt am Wochenende wieder das Hoffest - Ihre Angebote haben teilweise schon Kultstatus. Wollten sie damals nur einen Treffpunkt in einem Dorf ohne Wirtshaus schaffen oder war die Gastronomie als zweites Standbein wirtschaftlich notwendig?
Eigentlich wollten wir nur eine Bio-Metzgerei mit Hofladen einrichten. Während der Bauarbeiten haben wir dann aufgrund vieler Anfragen von Wanderern und Ratschlägen unserer Kunden den Entschluss gefasst, eine Brotzeitstube ins Leben zu rufen. Wir freuen uns, dass es inzwischen ganz viele Menschen gibt, die unsere gastronomischen Angebote schätzen und immer wieder nutzen. Aktuell haben wir 15 Termine mit Kindergärten, die samt Eltern zum Kartoffeln lesen und zum Kartoffelfeuer kommen. Ab sofort kann samstags wieder jeder bei uns auf dem Feld Kartoffeln für den Eigenbedarf aufsammeln.

Sie haben vor einigen Jahren den Betrieb an Ihren Sohn Frank übergeben. Sind Sie seitdem im Ruhestand oder eher im Unruhestand?
Ich übernehme nach wie vor verschiedene Aufgaben in der Bio-Metzgerei und in der Gastronomie. Und wenn es darum geht, mit dem Mähdrescher zu fahren, zu pflügen oder Heu zu machen, sage ich auch nicht Nein. Die Arbeit macht mir halt immer noch viel Spaß. Auch der Samstags-Stammtisch "Laaf'n und Waaf'n" findet selten ohne mich statt.

Wie ist die Ernte ausgefallen?
Beim Getreide hatten wir heuer eine noch einigermaßen normale Ernte, bei Futtererbsen und Kartoffeln zum Teil Totalschaden. In der Blütezeit stand Wasser in den Feldern, außerdem war es zu kalt. Zufrieden sind wir mit dem Futterbau im Grünland und Klee, zumal bisher auch keine größeren Schäden durch Wildschweine verursacht wurden.

Der Milchpreis ist im Keller. Deshalb sind schon einige Landwirte dazu übergegangen, Automaten aufzustellen - sogenannte Milchtankstellen. Was halten Sie davon?
Das sind begrüßenswerte Initiativen und gute Alternativen für den Verbraucher. Sie lösen aber das grundsätzliche Problem nicht. Das besteht darin, dass durch die Aufhebung der Milchkontingentierung innerhalb kürzester Zeit hohe Überschüsse produziert wurden, die der Markt nicht aufnehmen kann. Das schlägt auf den Preis durch.

Und wie verhält es sich mit der Bio-Milch?
Einige Bauern versuchen jetzt ebenfalls, zur Existenzsicherung ihren Betrieb schnell umzustellen, um Bio-Milch produzieren zu können. Eigentlich dauert eine solche Prozedur drei Jahre. So könnte es durchaus auch bei der Bio-Milch zu Überschüssen kommen, die einen Preisverfall zur Folge haben und für die ökologisch wirtschaftenden Betriebe mit Milchvieh existenzgefährdend sein können. Für unsere Wirtschaftskreisläufe im ländlichen Raum wäre das eine Katastrophe.

Was läuft Ihrer Meinung nach falsch in der Agrarpolitik?
Das ist die endlose Wachstumseuphorie, die aber mit der bäuerlichen, bodenständigen und regionalen Landwirtschaft nichts mehr zu tun hat. Vielmehr zerstört sie das soziale Gefüge im ländlichen Raum, das das Fundament für Lebensqualität sein sollte. Hinzu kommt die Anonymität bei der Landbewirtschaftung in unserer Heimat.

Wie meinen Sie das?
Es findet ein Ausverkauf des ländlichen Raumes statt, von dem anonyme Geldgeber profitieren. Ausführlicher möchte ich das nicht kommentieren.

Wenn Sie auf die vergangenen 50 Jahre zurückblicken: Würden Sie etwas anders machen?
Ich will das einmal so beantworten: Mein Vater war das achte Kind einer kleinen Landwirtsfamilie, meine Mutter stammt aus einer Hoteliersfamilie. Das waren die Vorgaben für meine angeborene Lebensphilosophie, nämlich ein bodenständiger Bauer und Dienstleister in der Vermarktung und Gastronomie zu sein. Von daher bin mit meinem Lebenslauf ganz zufrieden.