Dass im Klassenraum fast jeder ein Handy griffbereit hat, ist gefühlt schon lange klar. Kürzlich hat eine Studie des Digitalverbands "Bitkom" dies auch belegt. Da stellt sich die Frage: Wie gehen Schulen im Kreis Kronach damit um?
Butterbrot, Mathebuch, Mobiltelefon. Neun von zehn Schülern haben ein Handy dabei, wenn sie morgens das Haus verlassen. Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Digitalverbands "Bitkom". Der Verband forderte als Konsequenz, "fächerübergreifend im Unterricht Medienkompetenz zu vermitteln", damit die Geräte sinnvoll und gefahrlos genutzt werden. In Kronach stößt man mit der Forderung auf offene Ohren.
Genau 92 Prozent der 14- bis 19-Jährigen Schüler gaben bei der Erhebung an, ihr Handy oder Smartphone mit in die Schule zu nehmen. Smartphones gehören zum Alltag von Schülern.
Die neun von zehn Schülern, die "Bitkom" angibt, hält Renate Leive, Leiterin des Kronacher Kaspar-Zeuß-Gymnasiums, sogar für untertrieben. "Bei uns am Gymnasium sind es eher 9,8", sagt sie. Handys sind omnipräsent. Aber im Schulalltag müssen sie ausgeschaltet bleiben.
In Ausnahmefällen gestattet "Der Umgang ist gesetzlich klar geregelt", sagt Leive und verweist auf das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (kurz BayEUG im Artikel 56, Absatz 5) des Kultusministeriums: "
Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten. Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten." Ausnahmen bestätigen am KZG die Regel: Schüler, die Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr oder Sanitäter sind, dürfen ihre Geräte eingeschaltet lassen. Bei Unwohlsein oder wenn der Unterricht unerwartet früher endet, dürfen Schüler ihre Eltern anrufen.
"Wo Handys sinnvoll sind, erlauben wir sie auch", sagt Leive und spricht damit für alle Schulleiter im Landkreis.
Praktischer als dicke Bücher Abgeben müssen die Schüler ihre Geräte bei Klassenarbeiten. Es habe Fälle gegeben, so Leive, in denen Wissen "das im Kopf sein sollte, bei Google abgerufen wurde."
Auch an der Maximilian-von-Welsch-Schule hält man sich an die gesetzlichen Vorgaben. "Die Geräte müssen ausgeschaltet bleiben. Es sei denn, der Lehrer gibt einen Rechercheauftrag", sagt Leiterin Christa Bänisch. Und das käme zunehmend häufiger vor. Im Unterricht selbst würden vor allem Tablets - deren Funktionen mit denen von Handy vergleichbar sind - genutzt.
Virtuelle Programme mit Lerninhalten sind "zunehmend praktischer als schwere Schulbücher", zeigt sich die Leiterin der Realschule offen gegenüber technischen Neuerungen. Auch einige Hausaufgaben könnten die Schüler - dank Online-Lernportalen - schon auf dem Heimweg im Bus oder Zug erledigen.
Die Realschule nimmt als Modellschule teil an dem Schulversuch "Lernreich 2.0", der digitale Medien etablieren will: Als Werkzeuge für "individualisiertes, intelligentes Üben sowie für systematische Rückmeldungen zur Verbesserung der Lernbereitschaft und der Lernergebnisse", wie es von der federführenden Stiftung Bildungspakt Bayern heißt.
Der Versuch richtet sich an die Jahrgangsstufen sechs bis neun und soll auf eine digital geprägte Lebens- und Arbeitswelt vorbereiten.
Auch das Online-Lernportal "Mebis" (für Medien, Bildung, Service) des Landesmedienzentrums Bayern ermöglicht Schulen eine zunehmende Digitalisierung des Stoffs. Viele Schulen im Kreis Kronach, darunter auch das KZG und das Frankenwaldgymnasium nutzen das Angebot.
"Medienscouts" unterstützen Einige Kritiker sehen in Mobiltelefonen Geräte, die in Schulen das Schummeln beflügeln. Andere weisen auf die Gefahren des ständigen "Im-Netz-Seins" hin: Die Sucht nach Erreichbarkeit, Cyber-Mobbing oder auch die Gefahr, mit der Handykamera Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Zur Prävention hat der Weiße Ring das Projekt "Medienscouts" etabliert.
In den Landkreisen Kronach, Kulmbach und Lichtenfels - hier gibt es 70 "Scouts" - begleitet der stellvertretende Außenstellenleiter Peter Bürgin das Projekt mit. Es gehe unter anderem darum, "Opfern von Erniedrigungen im Internet niederschwellige Hilfe auf Augenhöhe anzubieten", so Bürgin vom Weißen Ring. Die Medienscouts halten außerdem Seminare für Schüler insbesondere der Unterstufen ab, um vor Online lauernden Gefahren zu warnen und zur Zivilcourage zu ermutigen. "Insbesondere Smartphones bieten tolle Funktionen. Aber die dürfen nicht außer Kontrolle geraten", so Bürgin.
Die "Scouts" gibt es an den meisten Schulen im Landkreis. Darunter die Maximilian-von-Welsch-Schule, das KZG und das Frankenwald-Gymnasium. Sie werden von Lehrern für Vorträge vor Klassen "gebucht" und stehen Schülern ständig als Ansprechpartner zur Seite.
Dass Medienkompetenz an seiner Schule angemessen vermittelt wird, daran hegt Klaus Morsch, Leiter des FWG, keinen Zweifel. "Insbesondere in den Bereichen Wirtschaftsinformatik und Informatik lernen die Schüler ständig am und mit dem Computer", aber auch in Bio, Physik, Chemie, Kunst und Musik würden interaktive White boards mit Internetzugang im Unterricht eingesetzt. Ob jedoch Mobiltelefone über Lernplattformen in den Unterricht einbezogen würden, das obliege den Vorlieben der Lehrer, so Morsch.
Kommentar:
Einfach mal daheim lassenSmartphones sind eine feine Sache: Wissensspeicher, Wecker, und in seltenen Notlagen sogar Lebensretter. Aber sie machen auch abhängig.
Drei Stunden pro Tag verdaddelt der Durchschnittsdeutsche aktiv mit dem Mobiltelefon.
Das ist das vorläufige Ergebnis einer Studie des Informatikers Alexander Markowetz von der Universität Bonn. Zusammen mit dem Psychologen Christian Montag hat er den Handygebrauch einiger Tausend Menschen untersucht, wie die Zeitung
Welt Ende vergangenen Jahres berichtete.
Interessant daran ist: Den kleinsten Teil der Zeit verbrachten die Befragten beim Telefonieren - nur etwa zehn Minuten. 35 Minuten gehen durchschnittlich fürs Chat-Programm WhatsApp drauf, 15 Minuten für Facebook, fünf Minuten für die Bildergalerie Instagram und fast eine halbe Stunde für Spiele. Eine weitere Erkenntnis war: Zwölf Prozent der Nutzer schauen sechsmal pro Stunde auf ihr Handy, um ja nichts zu verpassen.
Das kann man wohl getrost als Sucht bezeichnen.
Muss diese Sucht bereits im Schüleralter befeuert werden? Muss es Schülern erlaubt sein, ihre Smartphones in der Schule mitführen zu dürfen? Muss es nicht!
Klar sollen Jugendliche zu kompetenten und vorsichtigen Mediennutzern erzogen werden. Und klar müssen sie Zugang zu Online-Lernprogrammen haben. Aber dazu müssen sie nicht permanent ein Mobiltelefon mitführen. Das geht auch mit den Computern, Laptops und Tablets, die wohl jede Schule mittlerweile im Angebot hat. Wenn Schüler den Vormittag - und manchmal noch den Nachmittag - von ihren Handys getrennt wären, würde ihnen das nicht schaden.