Weißenbrunn: Welche Abzweigung gen Zukunft?

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Wegen der Wanderwege kommen jedes Jahr viele Besucher in die Gegend um Weißenbrunn. Günther Kaim ist in dieser Gegend geboren und aufgewachsen. Er weiß um die Vorzüge der Kommune - kennt aber auch die Probleme. Foto: Hendrik Steffens
Wegen der Wanderwege kommen jedes Jahr viele Besucher in die Gegend um Weißenbrunn. Günther Kaim ist in dieser Gegend geboren und aufgewachsen. Er weiß um die Vorzüge der Kommune - kennt aber auch die Probleme.  Foto: Hendrik Steffens

Die Gemeinde Weißenbrunn punktet mit Hügeln, Natur und einem regen Vereinsleben. Doch sie leidet an Einwohnerschwund und wirtschaftlichen Engpässen. Wenn es nach Bürgermeister Egon Herrmann geht, könnten Rentner der Kommune eine Perspektive bieten.

Wenn Wanderer von außen kommen, dann jammern sie manchmal über die Hügel um Weißenbrunn. Kaum ebene Wege, da komme man gehörig aus der Puste. "Aber die Hügel schaffen doch erst diese wunderbare Aussicht", sagt Günter Kaim, lächelt und zeigt in das Tal vorm Geiersberg. Die Natur und das Netz aus Wanderwegen macht Weißenbrunn für den 71-Jährigen zu einer Heimat, die er nie lange verließ. Über die weniger werdenden Gasthäuser und den ÖPNV ist er nicht so erfreut.

Der öffentliche Nahverkehr war noch nie ein Aushängeschild der Region, erinnert sich der Obmann der Wanderabteilung des Turn- und Sportvereins Weißenbrunn. Vor mehr als 50 Jahren fuhr er als Azubi täglich die zwölf Kilometer nach Marktrodach und zurück. Denn "ein Bus wäre langsamer gewesen." Und auch heute sei es vielfach eine Zumutung, auf den ÖPNV in und um Weißenbrunn angewiesen zu sein.


Hingegen schätzt Kaim das Vereinsleben in der Kommune sowie die gute soziale Infrastruktur mit Ärzten, Schule, Krippe, Kindergarten, ... Er sieht allerdings mit Sorge, dass immer mehr junge Menschen abwandern.

Die Entwicklung

In den vergangenen zehn Jahren sank die Einwohnerzahl von 3149 auf 2895. Das sind rund acht Prozent. Dabei ging die Zahl der unter 25-Jährigen von 773 auf 604 zurück. Die der 25- bis 49-Jährigen schwand von 1185 auf 856. Gestiegen ist nur der Anteil der über 50-Jährigen von 1191 auf 1435. Geboren wurden im vergangenen Jahr 15, gestorben sind 25 Bürger.

Bürgermeister Egon Herrmann (SPD) bleibt angesichts der Zahlen ruhig. Er hat nichts anderes erwartet. Und er hat eine Idee, wie er Weißenbrunns Bevölkerungszahl stabilisieren könnte. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir künftig in den Städten speziell bei Senioren für unser Gebiet werben." Aber dazu später.

Die Gemeinde im südlichen Landkreis ist klamm. "In den letzten zehn Jahren waren viele Pflichtaufgaben zu erfüllen", sagt Herrmann. Die Liste der Ausgaben ist lang: Drei Ortsteile brauchten ein neues Kanalsystem, zwei Kinderkrippen wurden gebaut, die Schule saniert und die Wasseraufbereitung erneuert, zudem wurde die alte Schultheiss-Brauerei abgerissen. Seit Jahren ist Weißenbrunn in der Haushaltskonsolidierung. Dank Strukturhilfen vom Freistaat konnte die Gemeinde ihre Schulden in den vergangenen drei Jahren zwar von 9,5 Millionen Euro auf sieben verringern. Aber im Mai wandert mit Münch Energie ein großer Gewerbesteuerzahler ab. Von durchschnittlich 720 000 Euro Gewerbesteuer in den vergangenen Jahren bleiben künftig 350 000 bis 400 000.

Gewerbe ansiedeln? Schwierig!

Dass ein Ersatz für Münch kommt, ist unwahrscheinlich. Weißenbrunn ist wegen seiner hügeligen Lage nicht prädestiniert für die Ansiedlung von Gewerbegebieten. Eines in Hummendorf besteht seit Jahren, "wird aber leider nicht angenommen", so Herrmann. Da hilft es auch nichts, dass Weißenbrunn 2013 eine der ersten Kommunen im Landkreis war, die flächendeckend schnelles Glasfaser-Internet installierte und auch aktuell auf einem guten Stand ist.

Weil die Wirtschaft in der Gemeinde schwächelt, fehlen Arbeitsplätze. Und wenn Arbeit fehlt, dann bleiben auch die jungen Familien fern. Aber Weißenbrunn kann keine Firmen aus dem Hut zaubern.

Herrmann glaubt, dass seine Kommune, um die Bevölkerungszahlen zu stabilisieren, ältere Menschen anlocken könnte. Dafür sprächen die günstigen Lebenskosten und die Schönheit der Natur. Doch es fehlt an zwei Faktoren: seniorengerechtem Wohnraum und einem reibungslos funktionierenden ÖPNV. Bei Letzterem hofft Weißenbrunns Bürgermeister auf die Umsetzung des geplanten Bedarfs-ÖPNV (der FT berichtete mehrfach). "Das wäre schon ein guter Schritt nach vorn."

"Wir sind bestrebt, uns als Wohngemeinde zu etablieren. Vor allem auch für ältere Menschen", beschreibt Herrmann die Richtung, die er mit seiner Kommune einschlagen will. Doch wie gesagt: Neben einem ordentlichen ÖPNV fehlt es an geeigneten Wohnformen. Seit Jahren sucht Herrmann nach Unterstützern, um Angebote zum betreuten Wohnen in Weißenbrunn zu realisieren. Für eine Kommune allein ist so ein Großprojekt unbezahlbar. Man braucht Träger wie etwa die Caritas und die Joseph-Stiftung beim Projekt "In der Heimat wohnen" in Teuschnitz. Um solche Träger bemüht sich Herrmann intensiv. "Aber bislang waren die Bemühungen leider vergebens."

Freistaat müsste spendabler sein

Um die Lebensqualität in der Gemeinde auf Dauer hoch zu halten, braucht es Investitionen in freiwillige Leistungen. Viele Kommunen im Landkreis setzen auf Förderungen - machen vorbereitende Untersuchungen, erstellen Entwicklungskonzepte. Für Weißenbrunn ist das - bei aktueller Einkommenslage - unerschwinglich. Das störende Stichwort bei jeder Förderung lautet "Restfinanzierung". Egal wie viel Geld Freistaat oder Bezirk bei Projekten zuschießen würden - einen nicht unerheblichen Teil trägt immer die Kommune.

Herrmann wünscht sich mehr finanzielle Unterstützung aus München. Es würden von Seiten der Regierung viele Programme und Erhebungen zu Problemen und Potenzialen von Regionen gemacht. "Aber wenn es dann darum geht, Kommunen bei der Umsetzung zu entlasten, fehlt das Geld."

Ehrenamt nicht strapazieren

In Weißenbrunn hat er das Glück, auf eine rege Dorfgemeinschaft zählen zu können, die sich einbringt. Etwa beim Naturbad. Das ehemals kommunale Bad ist mittlerweile in die Hände des Fördervereins Naturbad Weißenbrunn übergegangen. Dessen rund 400 Mitglieder sorgen dafür, dass der Betrieb läuft. Nur den Defizitausgleich übernimmt die Kommune. "Ohne die Ehrenamtlichen wäre es nicht haltbar", sagt der Bürgermeister. Das Bad steigert die Lebensqualität im Ort. Und es zeigt, dass die Weißenbrunner bereit sind, für ihre Kommune die Ärmel hochzukrempeln. Ähnlich beim Bau des Feuerwehrhauses in Wildenberg. Die Kommune stellte das Material, den Bau machten Freiwillige.

Doch Herrmann weiß auch: Es ist ein schmaler Grat, das Ehrenamt zwar einzubinden, aber nicht überzustrapazieren. München müsse bereit sein, Geld aufzuwenden. Kommunen und Landkreise seien finanziell zunehmend nicht ausreichend ausgestattet. "Da müsste vom Staat mehr kommen. Die Kommunen machen alles gern - wenn die finanzielle Ausstattung passt."

Die Serie (8 von 18)

Wie sind die Kommunen im Landkreis für die Zukunft aufgestellt? In unserer Serie "Demografie im Kreis Kronach" beleuchten wir die aktuelle Lage in den 18 Gemeinden: Wie steht es um die Alters- und Infrastruktur? Wie wird die Zukunft aussehen? Lesen Sie selbst.