Söder-Anweisung erreicht Kronach: Wenn Politik zum Kreuz wird

4 Min
Im Nahversorgungsladen Nadler in der Kronacher Klosterstraße gibt es ein separates Nebenzimmer mit ganz vielen Kreuzen. Foto: Andreas Schmitt
Im Nahversorgungsladen Nadler in der Kronacher Klosterstraße gibt es ein separates Nebenzimmer mit ganz vielen Kreuzen. Foto: Andreas Schmitt
Das Finanzamt hat zwei Kreuze gekauft. Hier präsentiert Amtschef Günter Wolkersdorfer das Modell, das im Servicecenter hängt.
Das Finanzamt hat  zwei Kreuze gekauft. Hier präsentiert Amtschef Günter Wolkersdorfer das Modell, das im  Servicecenter hängt.
 
Hans Hemmerlein und das neue Kreuz im Wasserwirtschaftsamt. Foto: Andreas Schmitt
Hans Hemmerlein und das  neue  Kreuz im Wasserwirtschaftsamt. Foto: Andreas Schmitt
 
Ein besonderes Kreuz-Modell hängt im Landratsamt. Foto: Andreas Schmitt
Ein besonderes Kreuz-Modell hängt im Landratsamt.  Foto: Andreas Schmitt
 

Die Anordnung des Ministerpräsidenten, in jeder bayerischen Amtsstube ab dem 1. Juni ein Kreuz aufzuhängen, ist bis in den Frankenwald durchgedrungen.

 

Nun hängen sie. Die Anweisung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), ab dem 1. Juni in jeder bayerischen Amtsstube ein Kreuz aufzuhängen, wurde in Kronach umgesetzt. "In den vergangenen Tagen haben sich einige ein Kreuz ausgesucht", berichtet Dieter Nadler, der in der Klosterstraße einen Nahversorgungsladen betreibt. Und dort ein separates Nebenzimmer mit vielen Kreuzen hat).

Einige von Nadlers Kunden der vergangenen Tage waren dienstlich unterwegs. Sie kauften ein Kreuz für ihre Behörde. "Wir haben die Kreuze in eigener Zuständigkeit und mit eigenen Mitteln erworben", berichtet Günter Wolkersdorfer, Leiter des Finanzamts. Die Behörde hat ein Kreuz für das Haupthaus in der Amtsgerichtsstraße und eines für das Service-Center am Melchior-Otto-Platz gekauft. "Wenn die Anweisung kommt, hängen wir das auf. Am Tag der Franken hissen wir auch eine rot-weiße Fahne."

Ebenfalls auf positive Resonanz stieß der Söder-Vorschlag im Wasserwirtschaftsamt in der Kulmbacher Straße. "Das Kreuz passt hierher und ist ebenso ein Zeichen für Bayern wie die Büste des Prinzregenten Luitpold, der schon seit Jahren im ersten Stock hängt", sagt Amtsleiter Hans Hemmerlein. Das Holzkreuz wurde von einem Wasserwerker an der Kronacher Flussmeisterstelle angefertigt.


Kreuz vor der Sicherheitsschleuse

Am Kronacher Amtsgericht hängt vor der Sicherheitsschleuse ein Edelstahl-Kruzifix. "Meine persönliche Konfession hat keine Relevanz, wir vollziehen die geänderten Gesetze", kommentiert Direktor Jürgen Fehn. Die Gerichtskreuze sind übrigens im Gebiet des Oberlandesgerichts Bamberg identisch. "Sie wurden in der Werkstatt einer unserer Justizvollzugsanstalten hergestellt", sagt Fehn.

Auch die anderen Kronacher Staatsbehörden sind versorgt. Im Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung am Kaulanger hängt seit Jahren ein Holzkreuz in Eingangsnähe; ein weiteres war unnötig. In der Polizeiinspektion nebenan wurde am Freitag aufgerüstet. Der Waffen- und Gerätewart brachte ein Kruzifix an. Bei der Ludwigsstadter Polizei wanderte das Kreuz indes vom Aufenthaltsraum zum Eingang.

Keinen Bedarf sahen hingegen die beiden größten Kommunalverwaltungen im Kreis. Für sie war das Söder-Vorhaben nicht verbindlich, galt nur als Empfehlung. "Wir haben im Rathaus schon viele Kreuze, auch in öffentlichen Bereichen ", sagt Kronachs Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein (FW).


Christlichkeit auch ohne Söder

"Der Ausdruck der Christlichkeit ist da", betont Beiergrößlein, in dessen Büro auch ein Kreuz hängt. "Wir brauchen kein Neues am Eingang, nur weil Söder das jetzt will. Bei uns wird das Kreuz längst gelebt."

Nichts Neues auch in Küps: "Wir sind im Rathaus sehr auf die Werte bedacht und haben schon ein Kreuz, auch ohne diesen Erlass", sagt Bürgermeister Bernd Rebhan (CSU). Seine Meinung: "Die Diskussion ist auf jeden Fall übertrieben."

Eine Sonderstellung hat das Landratsamt. Es ist in manchen Bereichen staatliche Behörde, in anderen kommunale Dienststelle. Laut bayerischem Landkreistag ist die Söder-Idee deshalb für Landratsämter keine Verpflichtung, sondern eine Empfehlung.

In Kronach war das egal. Landrat Klaus Löffler (CSU) entschied frühzeitig, ein Kreuz aufzuhängen. "Das wurde im Haus von niemandem problematisiert", sagt Pressesprecher Bernd Graf. Der Landrat: "Wir sollten uns zu den prägenden Werten unserer Heimat bekennen, auf denen unser Zusammenleben basiert."

Pro-Kommentar von Veronika Schadeck: Wer kein Kreuz will, soll gehen

Der Freistaat will das Kreuz und die Kirche schafft es ab. Diesen Eindruck habe ich bei der jüngsten Diskussion gewonnen. Meiner Meinung nach gibt es grundsätzlich wichtigere Herausforderungen als eine Kreuz-Diskussion - Altersarmut, Pflege oder der Kampf um den sozialen Frieden zum Beispiel.
Unverständlich war für mich die Reaktion einiger Kirchenvertreter. Ich glaube, dass sich in der Region die Mehrheit der Andersgläubigen nicht an Kreuzen stört. Zumal diese oft ihre Kinder in konfessionelle Kindergärten schicken. Viele fürchten wohl eine "gottlose Gesellschaft" mehr als ein Kreuz in Amtszimmern.

Bisher lebten wir friedlich miteinander. In der Rennsteig-Region sind fast in jedem Sportverein Andersgläubige. Muslime und Atheisten sind Arbeitskollegen, die sich verstehen. So wenig wir uns an Frauen mit Kopftuch oder am Zuckerfest störten, so wenig störten sich unsere muslimischen Mitbürger am Kreuz. Das Kreuz ist ein Symbol des christlichen Glaubens, es kann auch als Versöhnungszeichen zwischen Gott und den Menschen sowie zwischen den Menschen untereinander verstanden werden. Somit kann es auch ein Symbol für Toleranz und Umgang mit anderen Glaubensbekundungen sein. Toleranz bedeutet für mich, andere Religionen zu akzeptieren. Gleichzeitig sollen auch Andersgläubige das Kreuz tolerieren. Wer mit dem Kreuz nicht leben kann, der soll woanders leben.

Und was die Kirche betrifft: Ich wünsche mir, dass sie auch in anderen Bereichen so eine Toleranz üben würde. Etwa wenn es darum geht, dass "jeder" wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion gehen kann. Oder sie sollte sich überlegen, wie sie bei den bevorstehenden Reformprozessen und dem vorhandenen Priestermangel den Spagat schafft zwischen einem Rückzug aus der Fläche und der Nähe zum Menschen.

Contra-Kommentar von Marian Hamacher: Söder ist auf andere Kreuze aus

Ist Deutschland in besonderer Weise vom Christentum geprägt worden? Absolut! Es ist schlichtweg ein historischer Fakt. Wie sehr die christliche Religion tagtäglich nicht nur praktiziert, sondern auch gelebt wird, macht alleine die heutige Ausgabe dieser Zeitung wieder sichtbar. Auf gleich mehreren Seiten können Sie lesen, wie das Fronleichnamsfest in den Gemeinden unseres Landkreises gemeinsam mit großen Prozessionen begangen wurde.

An diesem Engagement, diesem Selbstverständnis würde sich auch nichts ändern, hinge in jeder bayerischen Amtsstube seit gestern nicht ein Pflicht-Kreuz an der Wand. Doch es ist das Symbol der christlichen Religion - und kein säkulares. Also auch kein "Bekenntnis zur Identität" oder zur "christlich-abendländischen Prägung" Bayerns, als das es Markus Söder zu verkaufen versucht. Er macht das Kreuz vielmehr zu einem Symbol der Ausgrenzung. Nach dem Motto: Wem es nichts bedeutet, gehört nicht zu uns. Oder anderes interpretiert: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", wie es Söders Vorgänger Horst Seehofer sieht.

Da stellt sich die Frage, ob es eine solche Anordnung gegeben hätte, stünde im Herbst keine Landtagswahl an? Eine Wahl, in der die CSU Stimmen an den rechten Rand zu verlieren droht. Der Verdacht liegt nahe, dass so über das Thema „Identität“ Stimmen zurückgewonnen werden sollen. Kreuze an der Wand für Kreuze auf dem Stimmzettel werben sollen. 

Doch kein Bundesland, keine Partei sollte das nötig haben. Jeder Leiter einer staatlichen Behörde sollte es selbst in der Hand haben, ein Kreuz aufzuhängen oder aber darauf zu verzichten. In vielen Einrichtungen hängt sogar seit Jahrzehnten eines an der Wand – wie das Beispiel Küps zeigt. Und dort, wo dies bislang nicht der Fall war, wird es seine Gründe gehabt haben.