Klage gegen Freischießen stößt auf Unverständnis bei allen

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Die Imbiss-Stände und Schausteller-Geschäfte sind auf der Hofwiese zum Teil schon aufgebaut. Foto: Corinna Igler
Die Imbiss-Stände und Schausteller-Geschäfte sind auf der Hofwiese zum Teil schon aufgebaut.  Foto: Corinna Igler

Schausteller und Brauereien befürchten Umsatzverluste, wenn auf der Hofwiese früher Schluss ist. Man überlegt sogar, den klagenden Anwohner elf Tage in Urlaub zu schicken, damit er ungestört ist.

Die Forderung nach kürzeren Feierzeiten beim Kronacher Freischießen stößt bei den Schaustellern auf Unverständnis. "Wenn die Sperrzeit verlängert würde, wäre das eine Katastrophe für die Schausteller, denn im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte kommen die Besucher immer später auf die Feste", erklärt Michael Wolf. Der 54-Jährige ist seit 27 Jahren im Geschäft und zum 17. Mal beim Freischießen dabei.

Der Kläger aus Kronach fordert, dass das Freischießen werktags um 23.30 Uhr und am Wochenende um 24 Uhr endet. Somit könnten auch die XXL-Nächte am Wochenende nicht mehr stattfinden. An diesen Tagen ist es erlaubt, bis 2 Uhr morgens zu feiern.


Party in der Stadt
"Was meint der Kläger, was durch das Verbot passiert?", fragt sich Wolf. "Wenn die Leute in Feierstimmung sind, dann ziehen sie eben weiter.
Auf dem Schützenplatz ist es dann zwar zwei Stunden früher still, dafür geht die Party in der Stadt weiter."

Ludwig Barth hofft auf die Toleranz des Klägers. Er ist in einer Schaustellerfamilie groß geworden und dieses Jahr zum ersten Mal beim Schützenfest. Der 24-Jährige will abwarten, wie sich das Geschäft entwickelt. Das Feiern gehöre zur Kultur, findet er. "Ich habe mir sagen lassen, dass die Kronacher ihr Schützenfest noch gebührend feiern. So soll es doch sein. Ich finde, dass man sich die elf Tage anpassen kann, das restliche Jahr geht es doch ruhiger zu."


Der Kläger wollte nicht
Auch Nici Köhrmann ist dieses Jahr zum ersten Mal mit ihrem Fahrgeschäft in Kronach. Sie hofft, dass die Klage abgewiesen wird. "Im Sommer leiden alle darunter, wenn früh Schluss ist, weil gerade in den Abendstunden das Geschäft erst richtig anläuft", sagt die 38-Jährige. Die Stadt profitiert doch auch davon, wenn viel los ist", sagt die 38-Jährige. "Bei einer Kirmes in Nordrhein-Westfalen haben wir Schausteller gemeinsam mit der Stadt einem Kläger angeboten, während des Veranstaltungszeitraums Urlaub zu machen und die Kosten zu tragen. Er wollte aber nicht." Auch in Kronach wäre sie notfalls bereit, dem Kläger diese Lösung vorzuschlagen.

Die drei Brauereien, die auf der Hofwiese Bier ausschenken, befürchten einen Umsatzverlust, wenn der Bierhahn früher zugedreht werden muss, besonders in den XXL-Nächten.


Der Ausschank lief gut
Marc Jungkunz, Außendienst-Gebietsleiter der Gampertbräu Weißenbrunn, bestätigte, dass der Besuch beim Freischießen während der Woche nach 23 Uhr stark nachgelassen habe. An den XXL-Nächten sei der Ausschank nach Mitternacht recht gut gelaufen. "Manche hätten sogar nach 2 Uhr gern noch eins getrunken", berichtete Jungkunz. Hauptnutznießer der verlängerten Öffnungszeiten an den Wochenenden seien jedoch die Cocktailbars.

"Uns würde eine Verkürzung der Ausschankzeiten am härtesten treffen, weil wir heuer den ,Schützenstadl‘ bewirtschaften", berichtet Braumeister Edgar Schönmüller von der Franken-Bräu. Denn der Stadl fülle sich jeweils erst später am Abend. Wenn die Stimmung am besten sei, müsste man aufhören. Von daher hätte die Franken-Bräu das schlechteste Los gezogen, wenn es per Gerichtsbeschluss zu einer Verkürzung der Ausschankzeiten kommen würde. Vor allem in den XXL-Nächten würde sich das stark bemerkbar machen. Im Biergarten höre die Musik um 23 Uhr auf und oft werde es dann merklich kühler. Da sei die Stimmung im Stadl auf dem Höhepunkt. Schon vor dem Freischießen sei ein sechsstelliger Betrag investiert worden. Heuer habe man viel mehr Geld für sehr gute Musik ausgegeben als in den vergangenen Jahren. Deshalb hoffte der Braumeister, dass die Klage keinen Erfolg haben werde.


Schreiben des Anwalts
Ein öffentliches Statement des Anwohners war auch gestern nicht zu kriegen. Am Morgen klingelte es durch, am Nachmittag war dauerhaft besetzt.

Doch er hat ein Schreiben gemailt, das sein Anwalt der Stadt Kronach am 28. Juli zugeschickt hat, das aber unbeantwortet geblieben ist. Darin fordert der Anwalt des Anwohners in dessen Namen die Zusicherung durch die Stadt Kronach, dass auf dem Schützenplatz maximal 18 Veranstaltungen jährlich im Sinne der Freizeitrichtlinie stattfinden werden, die elf Freischießen-Tage inbegriffen. Doch in dem Schreiben heißt es auch: "Bezüglich der 11 Festtage zum Kronacher Freischießen verbleibt es bei den bisher festgelegten Betriebszeiten." Von den verbleibenden sieben Tagen sollten zwei Veranstaltungen bis maximal 1 Uhr dauern, zwei bis maximal 24 Uhr und drei bis maximal 23 Uhr. Der Anwalt hatte um Bestätigung bis 29. Juli, 18 Uhr, gebeten.


Antwort blieb aus
Allerdings blieb diese von Seiten der Stadt Kronach aus, wie Hauptamtsleiter Stefan Wicklein bestätigt und auch begründet: "In einem Telefonat mit dem Anwohner am 18. Juli hat der Bürgermeister ihm zugesagt, dass über diese 18 Veranstaltungen, bei denen es sich übrigens nur um eine Richtlinie handelt, hinaus keine weiteren genehmigt werden. Das hat der Bürgermeister dem Anwohner auch mit Schreiben von 23. Juli bestätigt."

Dass der Anwohner dann noch für die sieben Veranstaltungen neben den elf Freischießentagen Vorschriften, was die Zeiten angeht, machen wollte, ging der Stadtverwaltung dann aber zu weit.


Keine weiteren Genehmigungen
Wicklein verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass außer für das Freischießen für keine weiteren Veranstaltungen heuer auf dem Schützenplatz bislang Genehmigungen erteilt worden sind.

Möglicherweise hat der Anwohner wegen der ausgebliebenen Antwort auf sein Schreiben vom 28. Juli Klage gegen den am 5. Juli erteilten Bescheid für die Festzeiten beim Freischießen erhoben. Er bittet in seiner E-Mail lediglich die Medien, die Entscheidung des Gerichts abzuwarten.


Das Gericht entscheidet
Das Verwaltungsgericht Bayreuth will noch vor Festbeginn entscheiden, ob die Klage rechtens ist und in welcher Form das Traditions-Fest stattfinden wird.

Wie Pressesprecherin Angelika Janßen auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt, werden Klage und Eilantrag des Anwohners der Gegenseite, also der Stadt Kronach, zugestellt. Diese muss dann innerhalb einer gewissen Frist die Akten vorlegen. Damit wird nicht vor Donnerstag beziehungsweise Freitag gerechnet. "Und dann gehe ich davon aus, dass die Kammer zügig entscheidet", sagt Angelika Janßen. Immerhin seien ja bis zu Beginn des Festes noch einige Tage Zeit.


Die Rechtsvorschriften
Wie wahrscheinlich es ist, dass die Klage eines Einzelnen gegen das Traditions-Fest durchgeht, konnte sie nicht einschätzen. "Das kommt auf die Rechtsvorschrift an", sagt sie, also darauf ob der von der Stadt erteilte Bescheid bezüglich der Festzeiten gegen die Rechtsvorschriften verstößt oder nicht.

Wie berichtet, soll das Freischießen nach den Wünschen des Anwohners, der Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingereicht hat, am Wochenende um 24 Uhr enden und während der Woche um 23.30 Uhr. Jeweils eine halbe Stunde vorher soll der Ausschank enden.


Die Reaktionen im Netz
Sowohl in unserem Online-Portal als auch der Facebook-Seite des FT Kronach gab es Kommentare zur Klage gegen die Öffnungszeiten. Die Klickzahlen sind sehr hoch und spiegeln das Interesse an diesem Thema wider. Die meisten User würden es sehr bedauern, wenn auf der Hofwiese nicht so lange gefeiert werden dürfte wie im vergangenen Jahr.

Während "Knirsch" in unserem Online-Portal meint, dass es andernorts ganz normal sei, dass um 23 Uhr Schluss mit Feiern sei, weil ja die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr dauere, schlägt "Saphire" dem Anwohner vor, er solle doch zur Freischießen-Zeit in Urlaub fahren. Dann hätte er Ruhe. Damit ist diese(r) User(in) nicht allein.
"Jaster1977" bedauert, dass die Klage so kurz vor Torschluss eingereicht worden sei. Ein ganzes Jahr hätte der Anlieger dazu Zeit gehabt.

Auf unserer Facebook-Seite überschlagen sich die Kommentare. Und sie erhalten zum Teil sehr viele "Gefällt mir". Schon wenige Minuten, nachdem wir das am Donnerstagabend gepostet hatten, schlugen die User dem Kläger vor, sich doch eine wirkliche Aufgabe zu suchen oder wegzuziehen, wenn ihm das Freischießen nicht in den Kram passe. Oder er solle sich Gehörstöpsel kaufen.

Mario fragt sich, warum der Anwohner sich nicht wegen der vielen vorbeifahrenden Züge an die Bahn wendet. Der Lärm der Güterzüge störe den Mann anscheinend nicht. Der Schützenplatz sei für Veranstaltungen da. Katrin wundert sich auch, warum sich der Anwohner, der direkt am Zuggleis wohnt, über die viel weiter entfernten Feiernden aufregt.

Steffen gibt zu bedenken, dass man die Wiesn-Öffnungszeiten in München in die Überlegungen einbeziehen müsse und fragt sich rhetorisch, ab welcher Uhrzeit es die meisten Probleme mit Betrunkenen gebe. Yvonne bedauert, dass so viele andere Veranstaltungen wie das Golf-Treffen oder das Fußballschauen wegen dieses Anwohners abgesagt wurden.

Manuela hofft, dass die Klage des Anwohners abgewiesen wird. Einmal im Jahr sei so etwas wie das Freischießen durchaus zumutbar. Steffi und Pamela sprechen das Beispiel Fürth an. Dort sei das Weinfest nach zig Jahren abgesagt worden, weil drei klagende Anwohner Recht bekommen hätten. Bei diesem Weinfest hätte laut Urteil um 22 Uhr Schluss sein sollen, der Ausschank um 21.30 Uhr stoppen müssen. Myriam führt die Kulmbacher Bierwoche als Beispiel an. Da wohnten die Leute noch viel näher dran und keiner beschwere sich.