Im Kreis Kronach gibt es immer weniger Wirtschaften

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Die Zapfanlage im Gasthaus Kohlmann ist schon nicht mehr in Betrieb. Bier kann Albin Fischer nur noch aus einer Flasche anbieten - privat, nicht wie früher zum Verkauf. Der hier zu sehende letzte Tropfen steht symbolisch für die Zahl der schließenden Wirtschaften. Fotos: Hendrik Steffens
Die Zapfanlage im Gasthaus Kohlmann ist schon nicht mehr in Betrieb. Bier kann Albin Fischer nur noch aus einer Flasche anbieten - privat, nicht wie früher zum Verkauf. Der hier zu sehende letzte Tropfen steht symbolisch für die Zahl der schließenden Wirtschaften.  Fotos: Hendrik Steffens
Das typische Wischen über die Theke beherrscht Fischer perfekt.
Das typische Wischen über die Theke beherrscht Fischer perfekt.
 

Viele Schankbetriebe im Kreis Kronach haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ihre Tore geschlossen - unsere Recherche ergab weit über 50. Ihr Tod waren verlorene Aufgaben, neue Regeln und Vereine.

Alles noch wie's war. Obwohl der Gasthof Kohlmann seit Monaten geschlossen ist, besteht Ordnung. Die Biergläser sind sauber hinter der Theke aufgereiht und die Heizung läuft. Albin Fischer wischt über den Tresen. Dass Nino De Angelo aus dem Radio "Jenseits von Eden" haucht, ist Zufall - aber passend.

"Meine Tochter und ich, wir haben lange überlegt, ob wir den schweren Schritt machen", sagt der 72-jährige Wirt mit müdem Lächeln. Drei Jahre ist es her, dass seine Frau plötzlich aus dem Leben schied. Ihr Name steht noch im Eingang unter dem Betreiberschild, sie war die eigentliche Wirtin. Er hatte einen anderen Hauptberuf, stand aber nach Feierabend mit hinter dem Tresen, die letzten 40 Jahre.

Dass er an der Wirtschaft hängt, zeigt ihr guter Zustand - so sauber wie gerade erst zugesperrt. Die fünf Fremdenzimmer im Haus betreiben der Neuseser und seine Tochter, die Industriekauffrau gelernt hat, noch. Der Schankraum schloss mit Beginn 2015. "Es wären große Investitionen fällig gewesen", sagt Fischer. Theke, Küchenboden, Dunstabzugshaube... Gleichzeitig kamen der Mindestlohn, die Kennzeichnungspflicht für Allergene... "Dabei bleiben die Gäste aus, weil immer mehr Schwarzgastronomie betrieben wird", sagt Fischer. Mit dieser Bezeichnung spielt er auf Vereine an, deren Heime teilweise täglich geöffnet sind.

Mit günstigem Bier, aber ohne große Kosten für Personal, Steuern und Konzession - so lautet der Vorwurf vieler Wirte im Kreis - drängen Vereinsheime die Gasthäuser aus dem Geschäft.

In 30 Jahren halbiert
Es gibt sicher unterschiedliche Gründe dafür, aber fest steht, dass allerorts Gasthäuser schließen: Laut Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) hat sich in Bayern seit den 1980er Jahren die Zahl von Schankwirtschaften nahezu halbiert. Heute gebe es in 40 Prozent aller Kommunen keine Schankwirtschaften mehr und in 13 Prozent keine Gastronomie mehr, heißt es von dem Arbeitgeberverband. Will man die Zahl der geschlossenen Gasthöfe im Kreis Kronach erfassen, kann das nur annähernd genau sein. "Betrachtet man allein die Kreisstadt, so war im Rückblick auf die Jahrhunderte wohl fast in jedem dritten Haus schon eine Bier- oder Gastwirtschaft", meint Kreisheimatpfleger Robert Wachter.

Straffe Reglementierung
Wirte schließen ihre Pforten, wenn sie keinen Nachfolger haben, sie Pleite gehen oder die Lust sie verlässt. "Ich kenne zwei Wirte im Kreis, die zu diesem Jahr aufgehört haben, weil sie von zunehmender Reglementierung die Nase voll hatten", sagt Bob Neubeck, Dehoga-Vorsitzender für Kronach. Gesetzliche Bestimmungen und bürokratische Hürden setzten vor allem kleinen Gastronomen zu. Der viel zitierte Mindestlohn sei nur eines der politisch gemachten Erschwernisse. Dazu kämen die strenge Durchsetzung von Arbeitszeit-Richtlinien und viele weitere, so Neubeck.

Die von der Dehoga bayernweit erhobenen Zahlen hält Neubeck auch übertragen auf den Kreis Kronach für realistisch, "vielleicht sogar untertrieben." Spontan kommt ihm der Steinwiesener Ortsteil Neufang in den Sinn, wo es kein Lokal mehr gebe. In vielen Kommunen des Kreises sei "nicht mehr arg viel los".

Kreisheimatpfleger Dieter Lau berichtet von Aufgaben, die Wirtshäuser früher mal erfüllten: "In den Flößerdörfern des 19. Jahrhunderts war das Gasthaus ein Ort, an dem getrunken, Arbeit vermittelt, Aufträge verteilt, Neuigkeiten ausgetauscht wurden und Geschäfte gemacht worden sind", sagt er. Vieles davon ist überflüssig geworden.

Bei einer Autofahrt durch Küps und umliegende Dörfer gibt er dem Reporter einen Eindruck. Links und rechts weist er innerhalb weniger Minuten auf gut ein Dutzend leer stehender Häuser: Drei Linden, Jägerstube, Zur Eisenbahn... "Dieser hier hält sich noch. Aber die Wirtskinder wollen studieren. Der macht also auch zu", kommentiert Lau und weist aus dem Autofenster.

Allerdings zeigt Lau auch Lokale, die gut laufen. Wie ein Gasthaus, bei dem es donnerstags Pfefferhaxe zum Mitnehmen gibt. Ein anderes Lokal setze sich durch edle Atmosphäre und besondere Qualität der Speisen durch - trotz gehobener Preise. "Man braucht zunehmend eine Nische, etwas Besonderes, um Erfolg zu haben", glaubt Lau. Früher sei es selbstverständlich gewesen, dass man die Bekannten abends zum Stammtisch getroffen hat. Aber das ist vorbei. Der Stammtisch ist heute digital, genau wie die Partnerbörse. Hinzu kommt der demografische Wandel. Immerhin bietet auch der einigen Dorfwirten ein Geschäft: Wer einen Festraum hat, kann Trauerfeiern ausrichten.

Was aus der Schankstube im Gasthaus Kohlmann werden soll, weiß Albin Fischer noch nicht. "Mit Pächtern haben viele Kollegen nur Ärger", sagt er. Und seine Tochter wolle nicht nur servieren, sondern auch mal ein Wochenende für ihre Kinder haben, was er gut verstehe. Bald kommt zu den fünf Fremdenzimmern, die meist ausgebucht sind, ein sechstes dazu. "So bekommen wir den Unterhalt rein", sagt Fischer. Wenn ein Käufer komme, der genug zahle, könne man reden. Unglücklich wirkt der 72-Jährige mit seiner Entscheidung, das Gasthaus zu schließen, jedenfalls nicht.

Leere Gasthäuser im Landkreis Kronach