Nachhilfe beginnt bei manchen Kindern schon in der Grundschule. Ist der Druck zu groß?
Mehr als eine Million Schüler nehmen in Deutschland regelmäßig bezahlten Unterricht. Das hat eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ans Licht gebracht. Die Ursachen dafür sind so unterschiedlich wie die Eltern, die Lehrer und die Kinder. Die Schulen im Landkreis Kitzingen reagieren auf ihre ganz eigene Art und Weise auf diese Entwicklung.
Die Familie will nicht genannt werden. Ihr Fall soll auf keinen nachvollziehbar sein. Dabei geht es nicht um ein Schwerverbrechen, noch nicht einmal um Ladendiebstahl oder um eine Rauferei auf dem Pausenhof. Das Kind, nennen wir es Xaver, hat es lediglich nicht auf die Realschule geschafft und besucht jetzt eine der acht Mittelschulen im Landkreis Kitzingen.
Die Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Und bis zum Anfang der vierten Jahrgangsstufe deutete alles darauf hin: Xaver ist ein Realschulkind.
Dann der Schock, kurz vor Weihnachten: Die Lehrerin teilt den Eltern mit, dass es wohl doch nicht reichen wird. "Der Xaver hat ein bissle geschludert", gibt die Mutter zu. Im Januar wird eine Nachhilfekraft eingestellt. Zwei Mal die Woche, eine Stunde. Xaver macht Fortschritte. Für das Übertrittszeugnis reicht es aber nicht. Ganz knapp nicht. Die Eltern machen dafür auch die Lehrkraft mitverantwortlich. Und sie hegen einen unglaublichen Verdacht.
Mündlich sei das Kind kaum mehr aufgerufen worden, erzählen sie. Etliche Male fehlte nur ein halber Punkt zur besseren Note. In der Addition hat es für den nötigen Notenschnitt von 2,66 deshalb auch nicht mehr gereicht. "Da gibt es sicher ein Quote", vermutet der Vater. "Manche Kinder sollen einfach in die Mittelschule, damit die auch voll werden."
Eine Aussage, die Kurt Krause, stellvertretender Schulamtsdirektor so auf keinen Fall stehen lassen kann.
"Das wäre ja fatal, wenn es so eine Quote gäbe", sagt er. "Dieses Gerücht taucht immer wieder auf, ist aber vollkommen falsch."
28.300 Kinder waren nach dem letzten Schuljahr bayernweit für den Übertritt an die Realschulen geeignet. 14.800 hatten einen Notendurchschnitt von 2,33 und besser. Notwendig ist ein Schnitt von 2,66 aus den Fächern Deutsch, Mathe und Heimat- und Sachkunde. 6000 Kinder hatten bayernweit versucht, über den Probeunterricht mit Aufnahmeprüfung quasi nachzurücken. Bestanden haben 1300, also etwas mehr als 20 Prozent. An der Richard-Rother-Realschule waren es fünf von 20 Kindern, die es über die Aufnahmeprüfung doch auf die Realschule schafften.
Nach vier Jahren Grundschule fällt die Entscheidung: Mittelschule, Realschule oder Gymnasium. Entsprechend groß kann der Druck sein.
Die Studie der Bertelsmann-Stiftung untermauert diese These: Etwa jeder siebte Grundschüler in Deutschland nimmt demnach Nachhilfe. Zahlen für den Landkreis Kitzingen liegen nicht vor. Aber die Schulen haben ihren ganz eigenen Weg eingeschlagen, um diesem Problem Herr zu werden.
An der St.Hedwig-Grundschule ist der Anteil der Kinder mit Migrantenhintergrund relativ hoch. Also gibt es seit letztem Jahr eine außerordentliche Nachhilfe für zehn dieser Kinder in den Jahrgangsstufen eins und zwei. Außerdem bieten der Förderverein und der Arbeitskreis Asyl jeweils eine Hausaufgabenbetreuung an. "Das ist aber nicht mit einer Nachhilfe gleich zu setzen", betont der kommissarische Leiter der Schule, Dr. Klaus Aschrich.
An der Richard-Rother-Realschule geben ganz besondere Lehrer Nachhilfe: Schüler der 8. bis 10. Jahrgangsstufe. Und das klappt ganz wunderbar, wie die Projektverantwortliche Katrin Bergmann bestätigt.
Wer Nachhilfe geben - oder nehmen - will, der meldet sich bei ihr. "Und ich schaue zu, dass ich die beiden zusammenbringe."
Das Sekretariat stellt Räume ab 13 Uhr zur Verfügung, die Eltern können sich melden, falls es Probleme gibt. "Das war bislang nicht der Fall", sagt Bergmann. Zehn Euro für vier Unterrichtsstunden verlangen die älteren Semester. Und die profitieren selbst von der Regelung, wiederholen sie doch die Grundlagen für ihr Wissen.
Wer weiß, vielleicht ist Xaver irgendwann auch ein Lerntutor. Seine Eltern wollen nach der fünften Klasse Mittelschule noch einmal den Übertritt in die Realschule angehen. Einen Notenschnitt von 2,5 aus den Fächern Deutsch und Mathe bräuchte er dafür. Xaver würde auch gerne wechseln, er fühlt sich der Aufgabe Realschule durchaus gewachsen. Wobei ihm die ersten Wochen in der Mittelschule durchaus gefallen haben.