Kam das Gift wirklich aus dem Garten oder aus einem Medikamentenschrank? Wie gelangte das "reizende" Gebräu in den Kaffee-Automaten des Arztes?
Eine Freiheitsstrafe von acht Jahren hat Oberstaatsanwalt Thomas Trapp gestern vor dem Schwurgericht für eine russische Kinderbuch-Autorin (50) wegen versuchten Doppelmordes beantragt. In dem Prozess ging es um den Giftanschlag auf einen Würzburger Arzt (69) und dessen neue Lebensgefährtin.
Die angeklagte Moskauerin war jahrelang die Geliebte des Mediziners und ist danach noch für Putzen und Gartenarbeit bei gelegentlichem Sex weiter beschäftigt worden.
Für Rechtsanwalt Frank Barthel (Kitzingen) kam die Tat vermutlich aus dem familiären Umfeld des Mediziners, wo viele die russische Freundin des Arztes für nicht standesgemäß hielten und ihr die spektakuläre Aktion mit Gift "anhängen" wollten, spekulierte der Verteidiger. Der Anwalt plädierte angesichts vieler offener Fragen und Zweifel auf Freispruch. Am Freitag, 14 Uhr, will das Schwurgericht das Urteil verkünden.
Auf Engelstrompete festgelegt Im sogenannten "Engelstrompete"-Prozess hatte der Rechtsanwalt am vierten Verhandlungstag, als man beim Schwurgericht schon fest mit dem Urteil rechnete, noch einen prozessualen "Knaller" gezündet: Die Substanzen Atropin und Scopolamin, mit denen nachts im Haus des Mediziners das Wasser im Tank des Kaffee-Automaten vergiftet wurde, seien, so "im Internet nachzulesen", regelmäßig auch in Medikamenten enthalten, die bei Patienten mit Multipler Sklerose zur Behandlung bestimmter Beschwerden auftreten. Da die Ehefrau des Arztes an Multipler Sklerose in fortgeschrittenem Stadium leidet, sei davon auszugehen, dass derartige Präparate bereits verordnet wurden und damit Personen in ihrer Umgebung zugänglich waren.
Damit war vorübergehend eine neue Spur gelegt, nachdem die Ermittlungen bisher das Gift im Kaffee-Automaten ausschließlich in Verbindung gebracht hatten mit den mannshohen, im Garten des Mediziners üppig blühenden "Engelstrompeten" , deren Blüten, Blätter und Stengel Atropin und Scopolamin enthalten.
Kurzfristig hatte das Schwurgericht daraufhin noch einmal einen Sachverständigen von der Rechtsmedizin geladen. Der konnte allerdings bei seiner Recherche im bundesdeutschen Medikamenten-Angebot kein Präparat finden, das statt des Extrakts von der Engelstrompete für den Anschlag in Frage käme. Und der Arzt, dem der Anschlag galt, berichtete, erneut als Zeuge geladen, dass er der Frau, mit der er nach wie vor verheiratet ist, niemals ein Präparat verschrieben habe, das einen der Wirkstoffe der Engelstrompete enthalte.
Freundschaftlich verbunden Obwohl er seit langem von seiner Ehefrau getrennt lebt, sei er dieser noch freundschaftlich verbunden und wüsste es daher auch, wenn sie bei einem weiteren Arzt in Behandlung wäre. Medikamente, die er seiner Frau verschreibe, bewahre diese außerdem in ihrer behindertengerechten Wohnung in der City auf und nicht bei ihm. Die Trennung von der Ehefrau sei, so der Arzt bei seiner ersten Zeugenaussage, ausschließlich darauf zurückzuführen, dass er am Stadtrand von Würzburg in einem Haus am Hang lebt und die vielen Treppen seien für seine an MS erkrankte Frau einfach ein zu großes Hindernis geworden.
Die Anklage geht davon aus, dass die angeklagte Ex-Geliebte des Arztes, um sich an dem und seiner neuen "Flamme" zu rächen, aus der ihr bekannten Pflanze im Garten einen lebensgefährlichen Sud hergestellt hatte, in der Nacht zum 28. November 2011 in die Wohnung des Ex-Lovers geschlichen war und die Brühe dort in den Kaffeeautomaten geschüttet habe.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, bei dem der Mediziner wie üblich vier oder fünf große Kaffeetassen konsumiert hatte, ist er in kritischem Zustand auf eine Intensivstation eingeliefert worden. Bei seiner damaligen Lebensgefährtin, die sich beim Kaffeetrinken zurückhielt, waren die Beschwerden nicht so alarmierend.
Verliebt in eine Frau Für die angeklagte Frau mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit gebe es, so die Verteidigung, überhaupt kein Motiv. Nach drei Ehen habe sie sich vor Jahren schon für die Zukunft neu orientiert und in eine Frau in Russland verliebt, die sie auch heiraten wolle.
Da sie diese Frau bisher nur übers Internet erlebte, hatte der Vorsitzende Richter Burkard Poepperl leichte Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Heiratsabsicht.
Doch die Angeklagte blieb dabei: Sie kenne die Freundin sehr gut, aus deren Gedichten, sie habe sich häufig mit ihr bei ihrer Tätigkeit als Autorin ausgetauscht und es müsse ja keine Beziehung werden, bei der man ständig beisammen ist: "Da gehe ich mal zu ihr und dann sie mal zu mir", sie sei, so die Angeklagte über ihre Fähigkeit zur Partnerschaft, "offensichtlich ein Einzelgänger und nicht für die klassische Ehe geschaffen".
Auf Empfehlung ihres Anwalts hat die Angeklagte nach den Plädoyers auf ein Schlusswort verzichtet.