Im Prozess um den Vater, der seinen Sohn im September vergangenen Jahres in Kitzingen mit einer Stichwaffe lebensgefährlich verletzt hat, hat der Oberstaatsanwalt unfreiwillig schlechte Karten: Weil viel Alkohol im Spiel war, fehlt es an wirklich verlässlichen Zeugen.
Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung hat Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen am Freitag Nachmittag in Würzburg für einen Rentner (60) aus Kitzingen beantragt, der während einer Auseinandersetzung mit seinem Sohn (36) ein Zier-Schwert mit 51 Zentimeter langer Klinge von der Wand genommen hat, um sich Respekt zu verschaffen.
Einen lebensgefährlichen Stich in den Brustkorb hat das Opfer dank schneller ärztlicher Hilfe überlebt. Ein Rettungshubschrauber war am Abend des 2. September 2012 in der Kitzinger Siedlung gelandet und hatte den Patienten in die Klinik gebracht. Der Sohn lebte, da er in Kitzingen aufgrund seiner nicht ganz unauffälligen Biografie keine Wohnung fand, bei seinen Eltern in deren kleiner Zwei-Zimmer-Wohnung.
Anlass des verhängnisvollen Streits war, dass der Sohn wieder einmal Besuch hatte von einem guten Bekannten, der unter den Spätaussiedlern als Mann mit überdurchschnittlichem und außerdem regelmäßigem Alkoholkonsum bekannt war. Den wollte der Angeklagte aus der Wohnung werfen, weil er seiner Meinung nach auf seinen gesundheitlich angeschlagenen Sohn einen sehr schlechten Einfluss ausübte und da war sein Sohn dazwischen gegangen.
Zu wenig nüchterne Zeugen Oberstaatsanwalt Raufeisen hatte nach drei Verhandlungstagen unverschuldet schlechte Karten: Angeklagt war ein versuchtes Tötungsdelikt, aber dafür, wie es wirklich war, fehlten ihm letztlich verlässliche Zeugen und sogar der Rechtsmediziner ließ ihn bei dem Schwert-Fall "im Stich". Man sei, sagte der Oberstaatsanwalt in seinem Plädoyer, nahe, aber nicht ganz an die Wahrheit herangekommen.
Details hätten der Angeklagte und sein Sohn für sich behalten. Die Erinnerung von Zeugen sei zum Teil durch ihren Promillewert zur Tatzeit vernebelt und hinzu komme das Bemühen der Familienmitglieder, dem Rentner, der seit September 2012 in Untersuchungshaft sitzt, eine längere Freiheitsstrafe zu ersparen.
Den von Täter und Opfer geschilderten "Unfall", dass der Sohn den ebenfalls alkoholisierten Vater beruhigen und ihm das Schwert abnehmen wollte, dass beide bei dem Gerangel stürzten und dass der Sohn dabei in die Spitze des Schwertes fiel, diesen möglichen Tatablauf konnte auch der Rechtsmediziner Dr. Thomas Tatschner nicht ausschließen.
Da die gefährliche Stichverletzung unterhalb der Achselhöhle lag, hätte für ein vorsätzliches, versuchtes Tötungsdelikt, von dem die Anklage ursprünglich ausging, der Sohn den Arm heben müssen, damit der Vater an der Stelle zustechen kann.
Verschollener Zeuge vorgeführt Der einzige Zeuge, der am Tatort war, allerdings mit 3,5 Promille, war die Ursache dafür, dass das Schwurgericht auch noch am Freitag Nachmittag verhandelte. Der Zeuge, der in Kitzingen bei seiner Mutter lebt, aber nicht gemeldet ist, hatte zwar die Ladung zur Verhandlung am Montag erhalten und eine erneute Ladung für Mittwoch, war aber an beiden Tagen nicht vor Gericht erschienen. Vermutlich in der stillen Hoffnung, dass das Gericht auch ohne ihn zurecht kommt und ihm die Aussage gegen den Vater seines guten Bekannten erspart.
Gestern früh haben Kitzinger Polizeibeamte den Mann "vorgeführt" und an der Türe zum Sitzungssaal abgeliefert.
Da der Zeuge bei seiner Aussage dem Angeklagten erkennbar nicht weh tun wollte, bat der Oberstaatsanwalt um eine kurze Pause, forderte zwei Justizwachtmeister an und erklärte dem Zeugen, dass er ihn im Sitzungssaal festnehmen und zum Ermittlungsrichter bringen lasse, wenn er weiter so drauflos lügt. Die Aussicht, dieses Wochenende und weitere nicht in Kitzingen verbringen zu können, hat daraufhin das Erinnerungsvermögen des 33-Jährigen schlagartig aufgehellt. Plötzlich konnte sich zum Beispiel auch noch daran erinnern, dass der Angeklagte bereits mit der mächtigen Zierwaffe auf dem Balkon saß, ihn einen Taugenichts nannte und aufforderte, schnell aus der Wohnung zu verschwinden.
Das Schwurgericht wird sein Urteil am Montag verkünden.