Mit der Kohleschaufel schlägt der Großvater dem Mann seiner Enkelin auf den Kopf. Die Konsequenz: Eine blutende Wunde und ein Termin vor dem Amtsrichter.
Eine Familie ist ein wohl behüteter Raum - wo man sich respektiert, ehrt und liebt. So lautet die Theorie. Die Praxis sieht leider oft ganz anders aus. Und die ganz schlimmen Fälle landen vor Gericht.
Enkeltochter, Oma und Opa trafen sich gestern vor dem Kitzinger Amtsrichter Marc Betz. Davor hatten sie ungefähr ein Jahr lang nicht miteinander geredet. Obwohl die Großeltern ihre längst erwachsene Enkelin quasi groß gezogen hatten, wie sie dem Richter erzählten. Der Grund für die Trennung war schmerzhaft: Der 75-jährige Opa hatte dem rund 30 Jahre jüngeren Mann seiner Enkelin eine Kohlenschaufel über den Kopf gezogen. Folge: Eine klaffende Wunde hinter dem Ohr, die mit zwei Stichen genäht werden musste. Eine Woche später zog das junge Paar aus dem gemeinsamen Haus aus. Seither: Funkstille.
Eine Familie ist kein starres Gebilde. Mal verträgt man sich besser, mal schlechter. Auch Streit gehört dazu, wie Richter Betz richtig anmerkte. Die Situation in dieser Familie war schon lange vor dem 9. März 2012 verfahren: Das junge Paar mitsamt Neugeborenem im Erdgeschoss, die Großeltern im Obergeschoss. Küche und Bad teilte man sich. Anlass für Auseinandersetzungen gab es immer wieder. Meistens ging es um das liebe Geld.
Ärger ums putzen Die Enkelin hatte das Haus übertragen bekommen. Als Gegenleistung waren bestimmte Dienste vereinbart worden: Einkaufen, Essen kochen, putzen. Ums Sauber machen ging es auch am 9. März. Die Oma wollte 100 Euro haben. Eine Putzfrau sollte ins Haus kommen. So erzählen es die Enkelin und ihr Mann. "Die hat doch ständig Geld verlangt", sagt die junge Frau .
Gegenseitiges schubsen Vor allem wollte ihre Oma an diesem Tag eines: Ihr Sterbegeld. Den vollen Betrag. "Einen Scheißdreck bekommst Du", soll ihr der Mann der Enkelin entgegen geschleudert haben. Mehrmals hätten ihn die älteren Leute dann aufgefordert, das Zimmer zu verlassen. Mit beiden Händen habe die Oma ihn dann geschubst, den Gehstock in der Ecke stehen lassend. "Ich war fix und fertig", berichtet sie dem Richter.
Als der jüngere Mann anfing, die Großmutter zu schubsen, nahm der Großvater die Kohlenschaufel vom Boden und schlug sie ihm einmal über den Kopf. So erzählen es die beiden Rentner vor Gericht. "Und das ist die Wahrheit", betont die 78-Jährige mehrfach.
Eine andere Version der Wahrheit präsentieren Enkelin und Ehemann. Seine Frau habe ihn angerufen und geweint, berichtet der Lagerist. Also hat er die Arbeitsstelle verlassen und ist zu ihr gefahren. Die Großeltern hätten ihm seine Schulden vorgeworfen, es sei immer lauter und hektischer geworden. Die Oma habe ihm von hinten mit Fäusten auf den Rücken geschlagen. Als er sie abschütteln konnte und sich umdrehte, habe er schon die Schaufel im Gesicht gehabt. 76 Zentimeter lang und sechs Zentimeter breit. Mit dem Krankenwagen ging es in die Klinik. Zwei Tage später hat er schon wieder gearbeitet.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft kommt dem angeklagten Großvater ein Stück entgegen: Von einer gefährlichen Körperverletzung könne nach der Beweisaufnahme keine Rede sein, der Angeklagte sei zu dem Zeitpunkt provoziert worden, man müsse von einem minderschweren Fall ausgehen. Dem schließt sich Richter Betz in seinem Urteil an, gibt gleichzeitig zu bedenken, dass eine Kohleschaufel sicherlich nicht das richtige Mittel war, um sich zu wehren. Einem Freispruch, wie vom Verteidiger gefordert, könne er aber nicht zustimmen. Fünf Monate auf Bewährung erhält der 75-Jährige und muss außerdem 750 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung spenden. Wie erwartet liegt sich die Familie nach dem Urteilsspruch nicht in den Armen. Getrennt verlassen sie das Gerichtsgebäude. Die Funkstille wird sich wohl fortsetzen.