Ein Dachdecker aus Paris ist etliche Male nach Mainfranken gereist. Allerdings nicht wegen der schönen Denkmäler und Dörfer. Ihm ging es mehr um die Aufzucht - von Drogen.
von unserem Mitarbeiter Franz Barthel
Würzburg — Marihuana ist mindestens ein Jahr lang, bis Ende September 2009, von einer vietnamesischen Bande in fünf so genannten indoor-Plantagen in Würzburg, Rottendorf, Kitzingen, Sommerhausen und Dittelbrunn angebaut und nach der Ernte nach Tschechien geliefert worden. Einen Dachdecker ( 48) aus Paris hat eine Große Strafkammer des Landgerichts Würzburg jetzt als Mitglied dieser Bande zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt.
Als die Polizei Ende September 2009 die Gewächshäuser der Bande stürmte, war das ein in Bayern bis dahin einmaliger Erfolg. Über 3000 Marihuana-Pflanzen konnten geerntet und über 160 Kilogramm bereits verpacktes Rauschgift mit einem Großhandelswert von etwa einer halben Million Euro sichergestellt werden.
Der Dachdecker hatte sich damals noch rechtzeitig nach Paris abgeseilt.
Erst im November 2012 ist er dort festgenommen und dann von Frankreich ausgeliefert worden. Der Prozess war der elfte und letzte einer Serie gegen zahlreiche vietnamesische Gärtner aus den fünf Plantagen und ihre Auftraggeber.
Die Bande hatte zum Anbau von Marihuana leer stehende Fabrikhallen in Würzburg und Rottendorf angemietet, einen historischen Altbau in Sommerhausen, in Kitzingen eine ehemalige Gastwirtschaft und in Dittelbrunn im Landkreis Schweinfurt einen leer stehenden Supermarkt. Bei Vermietern waren die Marihuana-Bauern geschätzt, weil sie zum Teil sehr hohe Mieten auf Monate hinaus im Voraus zahlten.
Den "Kopf" der Bande, damals Inhaber eines asiatischen Spezialitäten-Restaurants in Würzburg, hat das Landgericht Würzburg bereits im Dezember 2010 zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
In seinen Plantagen haben ausschließlich Vietnamesen gearbeitet, die dort auch wohnten und verpflegt wurden. Sie waren zum Teil in Vietnam und im europäischen Ausland, vor allem in Tschechien und Frankreich, als Gärtner angeworben worden.
Die Ehefrau des Gastwirts, die beim Geschäft mit Marihuana für Büroarbeiten zuständig war, wurde wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handel ihres Mannes mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
Angeklagter gibt Ahnungslosen Angeblich, so der angeklagte Dachdecker aus Paris, habe er ab und zu im Urlaub seinen Schwager in dessen Restaurant in Würzburg besucht und sich auch in dessen Hallen umgeschaut. Es könne schon sein, dass er gelegentlich fragte, ob er auch mal ein bisschen gießen dürfe. Was da gewachsen ist, habe er jedoch nicht gewusst.
Er habe auch im Auftrag seines Schwagers Essen für die vietnamesischen Gärtner in die Hallen gefahren, aber die Landsleute niemals gefragt, was sie da eigentlich anbauen und wohin das Grünzeug geliefert wird.
Nach den Ermittlungen der Kripo und Aussagen von vietnamesischen Zeugen war der Dachdecker aus Paris allerdings bereits beim Einrichten von Hallen für das Marihuana-Geschäft mit dem Verlegen von elektrischen Leitungen und der Installation der vielen für die Aufzucht benötigten Wärmelampen beteiligt. Das hat er bestritten. Vielleicht habe er mal eine Birne ausgewechselt, mehr sei nicht gewesen, denn er habe das Dachdecken gelernt, mit Strom kenne er sich nicht aus, da lasse er die Finger davon. Warum Gärtner aus seiner Heimat ihn belasten, aussagten, dass er beim Pflanzen, Düngen und Ernten dabei war und Anweisungen gab, wenn sein Schwager nicht da war, könne er sich nicht erklären.
Vielleicht habe man auf ihn "abgeladen", weil man wusste, dass er nach Frankreich entkommen war.
Dass er Jungpflanzen mit Erdballen ausgeliefert und später Marihuana-Stauden zum Verarbeiten in andere Hallen brachte, treffe nicht zu, so der Angeklagte. Er hätte sofort seinen Urlaub abgebrochen und wäre nach Paris zurückgekehrt, wenn der Schwager von ihm etwas Strafbares verlangt hätte. Bei Säcken, die er gelegentlich beförderte, habe er angenommen, dass sich Müll darinnen befinde oder Gartenabfälle.
Gericht und Staatsanwaltschaft gingen davon aus, dass der bereits verurteilte Gastwirt zwar beim Marihuana-Anbau "vor Ort" der Chef war, dass er aber selbst noch einen Boss über sich hatte, ebenfalls einen Vietnamesen, der von Tschechien aus den Anbau von Marihuana in Deutschland steuerte.
Ohne Startkapital aus Tschechien in Höhe von mindestens 100 000 Euro, die von dort gelieferte aufwändige Elektro-Ausstattung für die Plantagen und die Setzlinge, hätte der Gastwirt das Pflanzgeschäft nicht finanzieren können.
Illegal eingeschleust Bei den illegal eingeschleusten Arbeitskräften für die Plantagen handelte es sich zum Teil um arme Reisbauern, die nicht einmal lesen und schreiben konnten. Das Leben in den sogenannten indoor-Plantagen soll straff organisiert gewesen sein, berichteten die "Gärtner": Gearbeitet wurde, auch an Wochenenden, zehn Stunden am Tag, die eingesetzten Vietnamesen mussten Marihuana-Setzlinge ein- und umtopfen, gießen und düngen, später die Blüten abschneiden, trocknen und für den Export, nach Tschechien, verpacken.
Die meisten haben nicht mehr als ein Taschengeld erhalten, jedenfalls nicht versprochene Löhne von bis zu 1000 Euro im Monat.
Essen wurde aus dem Restaurant des Chefs angeliefert, ihren Pass hatten sie abgeben müssen, tagsüber kamen die Leute fast nie nach draußen, Licht wurde am Abend auf einen Schlag für alle gelöscht. Die Luft sei schlimm gewesen für das Personal, das gleich neben den Pflanzen und den Säcken mit Erde und Dünger schlief. Da die Gärtner überwiegend geständig waren, kamen die meisten nach monatelanger Untersuchungshaft mit Bewährungsstrafen davon.
An allen Tatorten sei es "mollig warm" gewesen, berichtete ein Kripo-Beamter vor Gericht.
Der Stromverbrauch in den Objekten war hoch: Zahlreiche 600-Watt-Lampen stellten eine Dauer-Temperatur von 38 Grad sicher und förderten das Wachstum, Klimaanlagen sorgten für frische Luft, Filter verhinderten, dass von dem leicht süßlichen Marihuana-Geruch allzu viel nach draußen drang. Fenster waren zugeklebt oder die Jalousien immer unten.
In Kitzingen sollten im Sommer 2009 in einer von der Bande angemieteten ehemaligen Gastwirtschaft mindestens 400 Marihuana-Setzlinge aufgezogen werden. Nach Problemen mit der Energieversorgung, - die Pflanzen wurden von zahlreichen Wärmelampen und damit richtigen "Stromfressern" bestrahlt - sind die Pflanzen jedoch "umgetopft" worden, von Kitzingen nach Rottendorf. In einer anderen Plantage, einem ehemaligen Supermarkt in Dittelbrunn, fühlten sich 1000 Marihuana-Pflanzen überhaupt nicht wohl. Schuld daran sollen die schlechte Belüftung gewesen sein und Styroporplatten an der Decke.
Daraufhin ist dort vorzeitig geerntet worden. Die zum Teil bereits verdorbenen Pflanzen wurden in einer Plantage in Rottendorf nach Anweisung des Chefs mit Marihuana-Blüten aus Ernten in Würzburg und Sommerhausen gemischt.