Leben mit Hartz IV: Junge Mutter seit Jahren auf die Tafel angewiesen - "sonst wäre der Kühlschrank leer"

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Tafel in Kitzingen
Bevor die Tore öffnen, haben die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der Tafel alle Hände voll zu tun, um die Waren auszulegen.
Foto: Ralf Dieter
Mit dem Transportfahrzeug sind die Ehrenamtlichen unterwegs, um die Waren in den Supermärkten einzusammeln.
Ralf Dieter

Eine junge Frau erzählt aus ihrem Leben. Sie hat einen Beruf erlernt, ein Kind auf die Welt gebracht. Die Zukunft schien rosig. Jetzt ist sie auf Hilfe angewiesen und froh, dass es die Kitzinger Tafel gibt.

Es kann schnell gehen. Kaum einer weiß das so gut wie Bettina Schmidt. Seit drei Jahren lebt sie vom Arbeitslosengeld 2. Mit ihrem kleinen Kind hat sie eine kleine Wohnung bezogen. Alle zwei Wochen machen sie sich frühmorgens auf den Weg zur Kitzinger Tafel. Frisches Obst, Gemüse und die Grundnahrungsmittel holen, um den Kühlschrank wieder aufzufüllen. „Ohne diese Einrichtung hätten wir echt ein Problem“, sagt die junge Frau.

Ein Leben mit Hartz IV ist kein Zuckerschlecken. Ihren richtigen Namen möchte Bettina Schmidt deshalb auch nicht in der Zeitung lesen. Zumal sie mit dem Vater ihres Kindes vor Gericht streitet. Es geht ums Sorgerecht, um die Finanzen.

800 Euro im Monat: Junge Frau aus Kitzingen aus Tafel angewiesen

Seit drei Jahren wohnt Bettina Schmidt im Landkreis Kitzingen. Sie hat eine Lehre abgeschlossen, wollte hier eine Anstellung finden. „Ich liebe meinen Beruf“, sagt sie. Körperliche Schmerzen bremsten sie aus. Eine genaue Diagnose der Ärzte steht noch aus. Ans Arbeiten in ihrem gelernten Beruf ist jedenfalls nicht mehr zu denken. Zumal Felix (Name geändert) ihre Aufmerksamkeit braucht. Eine Woche lebt er bei der Mutter, eine beim Vater.

800 Euro im Monat hat Bettina Schmidt zur Verfügung. „Inklusive Miete“, sagt sie. 420 Euro gehen dafür ab, für Versicherungen und andere Fixkosten hat sie 150 Euro eingerechnet. Einen Fernseher? WLAN? „Spar ich mir“, sagt sie. Trotzdem: Am Ende des Monats wird es jedes Mal knapp. „Die Lebensmittel, die ich bei der Tafel erhalte, könnte ich woanders gar nicht kaufen“, sagt die junge Frau. „Das Geld hätte ich gar nicht.“ Entsprechend hart waren die ersten Wochen des Lockdowns, als die Tafeln im Freistaat geschlossen blieben. „Meine Oma hat mir damals Geld per Post geschickt“, erinnert sie sich. Sonst wäre der Kühlschrank leer geblieben.

Am Mittwoch und Samstag ist Lebensmittel-Ausgabe in der Äußeren Sulzfelder Straße. Um 13 Uhr öffnen die ehrenamtlichen Mitarbeiter die Tür. Die Schlange reicht dann schon bis zur Straße. „Da warten immer mehr als 50 Menschen“, sagt Herbert Müller. Seit 16 Jahren ist er bei der Tafel aktiv. Zusammen mit seiner Frau Katharina gibt er die Berechtigungsscheine im Paul-Eber-Haus aus. Seit Corona ist die Zahl der Bedürftigen noch einmal gestiegen. Alleine in den letzten drei Wochen kamen rund 15 Neuzugänge hinzu.

Immer mehr Menschen mit finanziellen Problemen

400 Familien und 350 Kinder sind aktuell bei der Kitzinger Tafel gemeldet. Das Klientel ist bunt gemischt. Asylbewerber und Deutsche halten sich in etwa die Waage. Rentner und Alleinerziehende sind dabei. Eines stellt Herbert Müller, der die Finanzen der Antragssteller überprüft, bevor er den Berechtigungsschein ausgibt, seit ein paar Jahren fest: „Die finanziellen Probleme werden immer größer.“ Bettina Schmidt ist da keine Ausnahme. Die Grundsicherung reicht gerade so zum Allernötigsten.

Jeden zweiten Mittwoch macht sie sich zwischen sechs und sieben Uhr auf den Weg zur Tafel. Der kleine Felix kommt auf den Kindersitz und dann geht es mit dem Rad in die Äußere Sulzfelder Straße, um die Einkaufstasche möglichst weit vorne in der Schlange zu platzieren. Danach fahren die beiden wieder heim. „Das haben wir Kunden intern so geregelt“, erklärt sie. Wer seine Taschen früh abstellt, muss sich mittags nicht am hinteren Ende der Schlange anstellen. „Klappt in der Regel prima“, sagt Bettina Schmidt. Manchmal kommt es allerdings zu Diskussionen und kleinen Streitigkeiten. „Dann muss man halt vermitteln“, sagt sie. Der Vorteil des Systems: Sie muss mit ihrem Sohn mittags nicht lange warten und ist schnell wieder daheim. „Und wenn das Wetter schlecht ist, steht man nicht allzu lange im Regen“, sagt sie mit einem Lachen.

Ihre Taschen sind immer gut gefüllt. An Lebensmitteln mangelt es bei den Ausgaben nie. Tafel-Vorsitzender Manfred Seigner und sein Team von Ehrenamtlichen können sich auf die Leiter der hiesigen Supermärkte verlassen. Von Dienstag bis Samstag holen sie mit ihrem Sprinter die gespendeten Waren ab und deponieren sie in der Ausgabestelle. „Wer an den Ausgabetagen zuletzt kommt, hat auch noch eine Auswahl“, sagt Herbert Müller.

Kitzinger Tafel ist mehr als nur Lebensmittel-Ausgabestelle

Für Bettina Schmidt ist die Tafel in den letzten drei Jahren zu mehr als einer bloßen Ausgabestelle von Waren geworden. Sie trifft Menschen, mit denen sie sich austauscht, die sie fragen, wie es ihr geht und Anteilnahme zeigen. „Manchmal ist es auch ein Ort zum Weinen“, sagt die Frau, die viel lieber wieder anpacken würde, als sich helfen zu lassen, die viel lieber arbeiten würde, als Arbeitslosengeld 2 zu beziehen.

Ende August soll sie endlich eine verlässliche Diagnose erhalten. „Ich würde so gerne wieder selbst Geld verdienen“, sagt sie. Am liebsten in ihrem erlernten Beruf, gerne aber auch in einem anderen, möglichst kreativen. Bis dahin ist sie noch auf externe Hilfe angewiesen. „Und die gibt es in unserem Land“, sagt sie. „Man muss nur wissen, wo.“

Die Zuständigen im Kitzinger Jobcenter geben ihr wichtige Informationen und bei der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit der Diakonie (KASA) haben die Mitarbeiterinnen auch immer ein offenes Ohr, helfen beim Ausfüllen von Anträgen oder geben Tipps, wo finanzielle Unterstützung möglich ist. Und nächsten Mittwoch wird sie sich wieder früh um 7 auf den Weg in die Äußere Sulzfelder Straße machen. Lebensmittel holen – damit der Kühlschrank für zwei Wochen gefüllt ist.

Hilfe bei der Tafel

Ausgabe von Berechtigungsscheinen für die Tafel: Jeden Donnerstag, von 12 bis 16 Uhr im Tafelbüro im Paul-Eber-Haus in Kitzingen.

Anderer Termin nach telefonischer Vereinbarung: Tel. 09324 / 25 66, mobil 0160 91 26 49 42 oder E-Mail mueller-hk@t-online.de

Für den Nachweis der Berechtigung sind folgende Unterlagen nötig: Personalausweis, Meldebescheinigung, Bescheid Arbeitslosengeld, Rentenbescheid oder Unterlagen über andere Einkünfte.