Gerhard Korittke hat es mit eigenen Augen gesehen. Aber fassen kann er es noch nicht so richtig. Er wurde Zeuge, wie ein 70-Tonnen-Autokran einen Passanten unter sich begrub und wie wenige Zentimeter über Leben und Tod entschieden.
Der 81-jährige Rentner saß gestern Früh an seinem Fenster. Er beobachtete die Bauarbeiten in der "Kalten Grube", im Anwesen gegenüber. Korittke berichtet: "Gegen 9 Uhr hatte ein großer Autokran gerade einen kleinen, gelben Kran am Haken." Er wollte ihn von der Straße über eine Gartenmauer in den Vorgarten heben. Der "Kleine" sollte zum Dachdecken verwendet werden.
Korittke sah, wie sein 79-jähriger Bekannter, der wenige Häuser entfernt wohnt, sich ebenso für die Bauarbeiten interessierte. Der Senior schob sein Fahrrad auf dem Gehweg langsam an dem 70-Tonner entlang. "Der kleine Kran war vielleicht noch zwei Meter vom Boden entfernt. Da hat der Riesenkran auf einmal Schlagseite gekriegt und ist mit seiner Last umgekippt."
Der Krankörper erfasste den 79-Jährigen, der Kranarm schlug in das Einfamilienhaus nebenan ein und spaltete dessen Dachstuhl. Es habe einen dumpfen Schlag getan. "Man hat die Ziegel splittern gehört. Ich hab' so gezittert", sagt Korittke leise und bewegt seine Arme hin und her. Die Arbeiter der Dachdeckerfirma seien sofort zur Unfallstelle geeilt und hätten den Rettungsdienst gerufen.
"Wie ein Wunder" "Dann war es wie ein Wunder", erzählt Korittke und seine blauen Augen fangen an zu strahlen. "Der Erwin stand auf einmal wieder auf den Beinen." Offenbar hatte das Haus den Fall des Kranes gerade noch rechtzeitig gestoppt. Der 79-Jährige überlebte den Unfall in einer Lücke zwischen Gehweg, Kranreifen und Gartenmauer.
Während der Kran das Fahrrad platt walzte, wurde der Mann nur leicht verletzt - nach ersten Feststellungen der Polizeiinspektion Kitzingen erlitt er Schürfwunden und Prellungen. Vorsorglich brachten die Sanitäter ihn ins Krankenhaus.
"Auch die Hausbewohner haben Riesenglück gehabt", stellt Korittke fest. Sowohl auf dem Grundstück als auch im Haus hielten sich laut Polizei zum Zeitpunkt des Unfalles mehrere Menschen auf. Sie wurden jedoch nicht verletzt. "Kurz vorher stand die Frau noch auf dem Balkon. Daneben ist dann der Kran eingeschlagen."
Der Kranfahrer erlitt einen leichten Schock, musste aber nicht stationär behandelt werden. Der Sachschaden dürfte erheblich sein; er liegt wohl im sechsstelligen Bereich, vermutet die Polizei nach ersten Informationen.
Günther Jülichs: "Da kann er gleich doppelt Geburtstag feiern." Ein Sachverständiger des Gewerbeaufsichtsamtes hat an der Unfallstelle mit den erforderlichen Ermittlungen begonnen, ebenso die Beamten der Polizeiinspektion Kitzingen. Vor allem müssen die Fachleute die Frage nach der Unfallursache klären - eventuell ist der Boden vor dem betreffenden Grundstück in der "Kalten Grube" abgesackt. Auch die genaue Schadenshöhe muss noch festgestellt werden.
Gar nicht so einfach gestaltete es sich, den umgestürzten Riesen wieder aufzurichten. Zwei Autokräne schafften es nicht. Ein dritter Mobilkran musste angefordert werden.
Wenn Gerhard Korittke auf die tiefe Schneise im Nachbarhaus schaut, kann er immer noch kaum glauben, was er doch mit eigenen Augen gesehen hat. "Er hätte ganz leicht tot sein können. Da war eine ganze Horde Schutzengel am Werk", meint er in Gedanken an seinen Bekannten. "Wir kennen uns seit 50 Jahren und ich bin sehr froh, dass er das überlebt hat! Nächsten Monat wird er 80."
Günther Jülichs von der Polizeiinspektion Kitzingen hat das gehört. Und kommentiert: "Da kann er gleich doppelt Geburtstag feiern."