Haariger Fall für den Jugendrichter

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Daten-Klau in einem Friseur-Salon? Die Anklage geht jedenfalls davon aus, dass eine 20 Jahre junge Frau wichtige Daten von Stammkunden zu ihrem neuen Arbeitgeber hat mitgehen lassen.

Montagfrüh beim Amtsgericht Würzburg: Scheinbar das übliche, also Diebstahl, Betrug, Betäubungsmittel. Dazwischen allerdings ein Krimi mit Tatort Friseursalon. An der Tür des Sitzungssaales steht: "Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen".
Jugendrichter Peter Wohlfahrt, seit 30 Jahren bei der Würzburger Justiz, nicht mehr im Besitz der vollen Haarpracht von einst, legte nach der Verhandlung ein ungewöhnliches Geständnis ab: So haarig sei noch kein Fall oder zumindest schon lange keiner mehr gewesen. Und es sieht so aus, als würde der stellvertretende Chef des Würzburger Amtsgerichts an weiteren Verhandlungstagen in der Sache noch eine Menge über Nachhilfe rund ums Haar und Trendfrisuren erfahren.
Auf der Anklagebank eine 20 Jahre junge Friseurin.
Sie soll, als sie den Arbeitsplatz wechselte, aus dem Geschäfts-PC eines Würzburger Haarstudios die einschlägig wichtigen Daten von über 50 Stammkundinnen mitgenommen haben: Anschrift und Rufnummer, die exakte Farbnummer der letzten Strähnchen, ob es um Haarverdichtung oder - verlängerung ging, mit Echt- oder Kunsthaar: Angaben, die unter anderem das Bestellen von Verschönerungsmaterial im Großhandel wesentlich beschleunigen, wie Wohlfahrt im Lauf der Verhandlung erfuhr.
Die Angeklagte hatte beim Mitnehmen der Kundendaten und Einspeichern in ihr Handy offensichtlich kein schlechtes Gewissen. Es habe sich dabei nämlich nur um solche Leute gehandelt, sagte sie vor Gericht, mit denen sie durch jahrelange Kopf-Arbeit nahezu freundschaftlich verbunden war. Dass man die Daten dennoch nicht für die Arbeit im nächsten Salon oder für die Schwarzarbeit verwenden darf, steht allerdings im Arbeitsvertrag und den hatte sie unterschrieben. Deswegen hat der Staatsanwalt Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen angeklagt, aber das war nicht das einzige Haar, das er in der Suppe des Salons gefunden hatte.
Im Oktober 2012, als die Chefin für eine Woche zur Fortbildung weg war, sollte die 20-Jährige sie vertreten. Ein Vertrauensbeweis. Dass die schon auf dem Absprung war, wussten die anderen Mädels im Betrieb, nur die Chefin nicht. Und in dieser letzten Woche sollen zum Beispiel eine Haarverdichtung für 168 Euro und weitere Leistungen abkassiert, aber nicht, oder nicht in voller Höhe, am PC verbucht worden sein. Die Mutter, die Schwester und den Freund habe sie ohne Berechnung bearbeitet haben. Und als an einem Abend 60 Euro zu viel in der Kasse waren und man sich das angeblich nicht erklären konnte, soll die Angeklagte den Betrag im Verhältnis 2:1 mit der Auszubildenden geteilt haben, die sie vorher beim Daten erfassen unterstützt hatte. Sieben Fälle von Untreue wurden angeklagt.
Die Chefin des Salons erfuhr erst nach Rückkehr von der Fortbildung durch ihre Auszubildende und dann aus der Video-Überwachung des Geschäfts, dass man in ihrer Abwesenheit Einnahmen an der Kasse vorbei geschleust haben soll. Wenn die Angeklagte mal einige Stunden früher heimgegangen ist, habe sie sich einfach an der Stechuhr vertreten lassen und einige Anmeldungen von Kundinnen sind einfach, da angeblich "ausgebucht", nicht angenommen worden. Dass ihre Mutter in der Woche mal als Kundin im Salon war, gibt die Angeklagte zu, die habe aber auch bezahlt. Schwester und Freund seien nicht da gewesen, das hat die Auszubildende als Zeugin anders in Erinnerung.
Vergebens wiesen Staatsanwalt und Richter die Angeklagte und vor allem ihren Verteidiger darauf hin, dass die Situation für sie durch weitere Zeugen und die Auswertung von Video-Material aus dem Haar-Studio im Umfang von fünf Tages-Kassetten nur noch schlimmer werden kann. Die Familien-Mitglieder und weitere Kunden, so will es die Verteidigung, sollen beim nächsten Termin, am 12. August, aussagen. Es sei denn, so Richter Peter Wohlfahrt, er erhalte vorher einen Anruf mit der Nachricht, dass die Anklage doch weitgehend zutreffe. Dann gehe der Prozess schnell zu Ende.
Die Auszubildende, die erst bei der Chefin gebeichtet, sich bei ihr entschuldigt und Besserung gelobt hat, dann bei der Polizei die ehemalige Kollegin belastet und das als Zeugen weitgehend wiederholt hat, präsentierte sich dem Gericht mit einer asymetrischen Kurzhaarfrisur mit ausrasierten, unterschiedlich großen Sternen. Und die Chefin des Salons, deren Vertrauen missbraucht worden war, brachte mächtig Farbe in die Runde der schwarzen Roben- Träger: Kurzes Haar, kräftig blond gefärbt, mit feurig roten, grellen Strähnen oder Feuerzungen. So oder so ähnlich muss einst Moses den brennenden Dornbusch in der Wüste erlebt haben.