Gefangen in der Wahnwelt

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Auf unbestimmte Zeit wird ein 23-Jähriger im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er hatte einer Sozialpädogin unter anderem Briefe geschickt, die er mit seinem Blut tränkte.

Am Ende des Verfahrens sprach der Vorsitzende Richter Burkard Poepperl am Dienstag von einem "Stalking-Feldzug", wie man ihn bei der Würzburger Justiz noch selten erlebt hat: Auf unbestimmte Zeit hat eine Große Strafkammer des Landgerichts die Unterbringung eines 23-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Entscheidung mit dem Schutz der Allgemeinheit und vor allem der Opfer begründet.
Ohne Schuld, "weil er krank ist", habe der junge Mann über ein Jahr lang eine Sozialpädagogin und den Leiter einer therapeutischen Wohngemeinschaft in Würzburg mit zunehmender Aggressivität und perversen Botschaften in Schrecken und Angst um ihr Leben versetzt.
In seiner Wahn-Welt habe der Beschuldigte nicht einsehen können, dass die Betreuerin, die erste Frau in seinem Leben, in die er sich verliebt hatte, ihm mit Rückendeckung durch den Heimleiter ein unmissverständliches "Nein" erklärte und nicht bereit war, diese Entscheidung im Gespräch unter vier Augen zu begründen.
Der Beschuldigte schrieb Briefe und tränkte sie mit seinem Blut. Er malte Waffen auf die Schriftstücke, mit denen er von der Betreuerin eine Aussprache forderte, schickte per USB-Stick Hunderte von Bildern mit Leichenteilen und grausam verstümmelten Körpern, die er von speziellen Internet-Seiten herunter geladen und gespeichert hatte.
Nachdem er die WG verlassen musste, hat er den Betrieb dort oft tagelang lahm gelegt, weil er ständig in der Einrichtung angerufen und E-Mails geschickt hat. Auf mehrere gerichtliche Kontakt-Verbote hat er überhaupt nicht reagiert, bei einem Einbruch ins Büro der WG, in der vorübergehend zehn psychisch kranke Männer lebten, hat er ein Messer mit abgebrochener Klinge und frischen Blutspuren zurück gelassen.
Der Strafkammer ist die Entscheidung zur Unterbringung des 23-Jährigen auf unbestimmte Zeit deutlich erkennbar nicht leicht gefallen. Der Vorsitzende Burkard Poepperl hat fast väterlich-fürsorglich, einfühlsam wie ein Therapeut, versucht, dem vor ihm sitzenden jungen Mann verständlich zu machen, warum er derzeit noch die Forensik braucht, die wie ein Knast gesichert ist. Und warum die Unterbringung in einer offenen Einrichtung beim derzeitigen Gesundheitszustand einfach ein zu hohes Risiko bedeutet. Denn noch glaubt der Beschuldigte, dass andere ihm Unrecht zufügten und nicht umgekehrt.

Kein lebenslänglich

Vor allem versuchte das Gericht den während der Urteilsverkündung zusammengekauerten Mann davon zu überzeugen, dass die Unterbringung nicht "lebenslänglich" bedeutet, regelmäßig überprüft wird und ihm nach erfolgreicher Behandlung die Chance gibt, sein Leben neu in den Griff zu bekommen. Mit anerkennenden Worten würdigte das Gericht den Betreuer des Beschuldigten und dessen Verteidiger, die beide am Wunsch des Mandanten vorbei für die Unterbringung plädiert hatten, solange die Wahnvorstellungen nicht abgebaut sind und keine Einsicht in die Krankheit zulassen.
Das Gericht sprach von positiven Seiten des Beschuldigten, er sei überdurchschnittlich intelligent und beeindrucke, zehn Jahre nachdem er mit seiner Familie Wolgograd verlassen hat, unter anderem mit einem akzentfreien Deutsch. Warum er nach dem Schulbesuch in Schweinfurt ausgerechnet in eine Ausbildung zur Haushaltshilfe gesteckt wurde, ist vor Gericht nicht vertieft worden. Das sei das letzte gewesen, sagte der Angeklagte, da er sich doch für einen Job am Computer interessierte.
Seine psychische Erkrankung reicht Jahre zurück, Gutachter haben von einer mittelgradig depressiven Episode berichtet und von einem ausgeprägten Querulanten-Wahn. Der Angeschuldigte leide seit langem an einer Sozialphobie, lebte bisher meist ohne Kontakte, nur mit dem Internet, saß nachts vor dem Bildschirm und schlief am Tag. Mutter und Schwester sind nach Russland zurückgekehrt, er blieb mit dem psychisch kranken Vater hier, beide lebten, nebeneinander, in einer kleinen Wohnung.

Opfer floh ins Ausland

Ein Opfer der Stalking-Attacken, eine erfolgreiche Sozialpädagogin, musste den Beruf aufgeben, leidet unter den psychischen Folgen und hat in der Hoffnung, noch einmal neu anfangen zu können, aber auch aus Angst vor dem Beschuldigten, Deutschland verlassen.