Für die Münchner Schickeria schmuggelt ein aus Afrika stammender Würzburger Kokain aus Amsterdam nach Frankfurt - Unterstützung bekommt er dabei von einer mehr als auffälligen Gehilfin.
Holländische Dealer haben als Drogenkurier für einen Koks-Kunden in Würzburg eine nur 1,40 Meter große, 56 Jahre alte Frau aus Ghana eingesetzt. Dabei gingen sie davon aus, dass Rauschgiftfahnder sich für die zierliche, ältere Frau nicht interessieren.
Bei zwei Fahrten mit dem Zug von Amsterdam nach Frankfurt hatte die Frau jeweils ein halbes Pfund Kokain "am Körper". Eigentlich sollte sie die Drogenpäckchen schlucken, so die Angeklagte, aber sie habe das Zeug nicht runtergebracht. Die erste Lieferung übergab sie dem Kunden aus Würzburg am Frankfurter Hauptbahnhof und erhielt von dem 500 Euro als Kurierlohn, bei der zweiten Übergabe wurden beide von der Polizei bereits erwartet und im Auto mit Würzburger Kennzeichen festgenommen. Das Kokain war, so die Anklage, wie in zahlreichen Fällen vorher, Nachschub für die Münchner Schickeria.
Vier Jahre und sechs Monate Haft Eine Große Strafkammer des Landgerichts Würzburg verurteilte den Würzburger Dealer, einen 27 Jahre alten Nigerianer, wegen unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die seit Jahrzehnten schon in Amsterdam lebende Ghanaerin wurde wegen unerlaubter Einfuhr von Drogen zu drei Jahren verurteilt.
Mit Drogengeschäften sollte Operation des schwerkranken Vaters bezahlt werden.
Glaubhaft versicherte die Frau, dass sie sich mit einigen Kurierfahrten das Geld für die Operation ihres schwerkranken Vaters "verdienen" wollte.
Dafür verlange ein Krankenhaus in Ghana von dem alten Mann 2000 Euro, die der nicht aufbringen könne:
Jahrzehntelang habe sie in Amsterdam in der Küche eines chinesischen Restaurants gearbeitet, bis sie im vergangenen Winter bei Schneefall stürzte und " aufs Kreuz" fiel. Seitdem konnte sie nicht mehr lange stehen und genau in dieser Phase der Arbeitslosigkeit sei sie von einem Nachbarn gefragt worden, ob sie für einen Kurier, der kurzfristig ausgefallen ist, ab und zu mit dem Zug nach Frankfurt fahren könne.
Kontakte zu dem Nigerianer aus Würzburg habe sie vorher nicht gehabt, die Geschäfte seien direkt mit dem Lieferanten gelaufen. Der Kunde habe sie am Frankfurter Bahnhof angesprochen und gleich erkannt, was bei ihrer Größe nicht schwierig war. Ihr Verteidiger nannte die angeklagte Frau eine "ferngesteuerte" Botin, die nicht in die Rauschgiftgeschäfte "eingeweiht" war.
Angesichts ihrer schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse habe sie einfach schnell zugegriffen, als sich die Chance bot, etwas dazu zu verdienen.
Für die Ermittlungen war in dem Fall, wegen der großen Kokainmengen, die Afrikaner in der Münchner Schickeria absetzten, das bayerische Landeskriminalamt zuständig. Bei der Telefonüberwachung der Dealer war man dann darauf gestoßen, dass das Kokain unter einer Würzburger Nummer bestellt wurde. Es war die Nummer des angeklagten Nigerianers, der mindestens einmal in der Woche in München gewesen sein soll. Bald stellte sich heraus, dass am Telefon für jeweils zehn Gramm Kokain häufig wechselnde Code-Worte verwendet wurden: Vier Kinder oder vier Minuten bedeutete 40 Gramm Kokain und fünf Freunde 50 Gramm.
Keine Entzugstherapie Über den Nigerianer sagte Staatsanwalt Mark Kurzawski in seinem Plädoyer, so unverfroren wie von diesem Angeklagten sei er bisher noch nie belogen worden. Der Angeklagte, der wegen Kokain-Schmuggel bereits in Norwegen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden war, hatte den "schwunghaften Handel" für Abnehmer in München bestritten und behauptet, das bestellte Kokain sei weitgehend für seinen eigenen Konsum bestimmt gewesen: Er sei nämlich drogenabhängig gewesen und habe ein bis zwei Gramm am Tag konsumiert. Das hat ihm, nach dem Staatsanwalt, auch das Gericht nicht abgenommen und die beantragte Unterbringung in einem Krankenhaus zu einer Entzugstherapie abgelehnt.
Nigerianer hatte drei Adressen Nach den Ermittlungen des Landeskriminalamtes war der Nigerianer unter
verschiedenen Adressen anzutreffen: Bei einer Lebensgefährtin in Würzburg und der gemeinsamen Tochter war er offiziell gemeldet, als konspirativen Treffpunkt mit Geschäftspartnern hatte er ein Zwei-Familien-Haus in Rimpar im Landkreis Würzburg angemietet, wo die Polizei nach der Festnahme einen gepackten Koffer, zahlreiche Handys und auf einen anderen Namen ausgestellte Reisedokumente sicherstellte. Und dann war da noch eine weitere Wohnung in Würzburg, in der sich Afrikaner zu Drogengeschäften trafen und wo Kuriere, die das Rauschgift als sogenannte body-packs verschluckt hatten, die Plastikbeutel in der Toilette "ablieferten.
Die kleine Frau aus Ghana hatte Pech: Sie wurde zwar in Frankfurt festgenommen, aber, da das Verfahren gegen den Nigerianer in Würzburg lief, nach Bayern "ausgeliefert" und das bedeutete schon einmal eine im Vergleich zu Hessen höhere Strafe.
Dann wurde sie, um Kontakte zum Mit-Angeklagten zu verhindern, in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt und das war Nürnberg. In den neuneinhalb Monaten dort habe sie, so ihr Anwalt, fast täglich nur geweint, sich kaum verständigen können, sie sei wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert worden und wegen der Entfernung nach Amsterdam habe sie auch keinen Besuch bekommen.
"Ihre Gedanken drehen sich ständig um den schwerkranken Vater und ihre 16 Jahre alte Tochter", so der Verteidiger der Frau, die nicht noch durch eine hohe Haftstrafe beeindruckt werden müsse. Mit Sicherheit werde die, so der Anwalt, keinen Schritt mehr mit Drogen in der Hand unternehmen.
Er hatte angeregt, den sogenannten Kronzeugen-Paragraphen anzuwenden und die Frau nur zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen, da sie beim bayerischen Landeskriminalamt ihren Auftraggeber in Amsterdam mit Namen und Adresse genannt hatte. Doch zu so viel Entgegenkommen konnte das Gericht sich dann doch nicht durchringen.
Der Nigerianer muss demnächst, wenn die Ermittlungen des Landeskriminalamtes abgeschlossen sind, wegen umfangreicher Kokain-Lieferungen nach München mit einer weiteren Anklage rechnen.