Der Kitzinger Graveurmeister Peter Deeg arbeitet derzeit an Gedenktafeln für die Opfer des ehemaligen KZ-Außenlagers Husum-Schwesing.
Buchstaben für Buchstaben, Zahl für Zahl fräst der Stichel in die große Edelstahlplatte. 297 Namen, alphabetisch geordnet. 297 Geburtsdaten. 297 Sterbedaten. Es sind die Namen der Menschen, die im KZ Husum-Schwesing starben. Erinnerung an eine Schreckensherrschaft, ein Mahnmal, das momentan in der Werkstatt des Kitzinger Graveurmeisters Peter Deeg entsteht.
Es ist ein ungewöhnlicher Auftrag, den Peter Deeg übernommen hat. Schon wegen seiner historischen Bedeutung. Dass es bei Husum ein Außenlager des Hamburger Konzentrationslagers Neuengamme gegeben hatte, war bis in die 80-er Jahre weitgehend unbekannt. 2500 Menschen waren dort im Herbst und Winter 1944 inhaftiert. Vor allem junge Männer aus den Nachbarländern Niederlande, Frankreich und Polen mussten dort Zwangsarbeit leisten.
Jetzt wird die Gedenkstätte erneuert.
Über 300 Menschen starben - von 297 sind die Namen bekannt Die Buchstaben unter dem Namen, gleich hinter dem Beruf, verweisen auf die Herkunft der Opfer. Meist steht da NL - der Großteil kam aus den Niederlanden. Die Inhaftierten mussten die Verteidigungsanlage "Friesenwall" errichten. Hunger, Überarbeitung, Auszehrung, Krankheiten und körperliche Züchtigung schwächten die Männer, immer mehr starben. Es gab über 300 Tote. Von 297 sind die Namen bekannt. Die Namen, die Deeg derzeit in die Edelstahltafeln fräst. In die 15 Tafeln, die dann in der Gedenkstätte aufgestellt werden.
Deeg hat den Auftrag über eine Firma in Pforzheim erhalten, mit der er seit Jahren zusammenarbeitet. Die Platten, die in die CNC-Maschine eingespannt sind, ragen weit über den Rand hinaus.
Sie sind etwa drei Mal so groß wie die Tafeln, die der Graveurmeister sonst in seiner Werkstatt bearbeitet. Jede wiegt 70 Kilogramm. Wegen der Witterung an der See wurde besonders hochwertiges Material verwendet. Die Oberfläche wurde glasperlenbestrahlt, sie bleibt blank, Rost kann sich nicht ansetzen.
Zwei Tafeln hat Deeg schon fertig. 21 Namen werden in jede gefräst, alphabetisch geordnet. Jeden Namen musste er in den Computer eingeben. Etwa zwei Wochen wird der 47-Jährige mit dem Auftrag brauchen, dann werden die Platten wieder abgeholt.
Alte und moderne Technik Das Auftragsfeld des Kitzinger Graveurs ist groß und vielfältig. Bedientafeln für Bearbeitungsmaschinen in Fertigungsstraßen stellt er her - meist normal beschriftet, aber auch mal kyrillisch. Prägestempel für Kfz-Schilder, versehen mit einer DIN-Nummer.
Der Stahlstempel, den Peter Deeg zeigt, ist winzig im Vergleich zur Stele in der Maschine nebenan. Die Zapfenform ist beim Stempel schon vorgegeben, er fräst die Schrift hinein. Mit Hilfe des Computers kann Deeg fast jeden Schrifttyp und fast jede Schriftgröße erstellen.
Ist der Computer programmiert, frisst sich der Frässtichel ins Material. Je nach Schriftgröße ist der unterschiedlich groß. Im Laufe der Arbeit wird der Stichel stumpf, Deeg muss mit der Stichelschleifmaschine nachschärfen. In der Regel ist das nach mehreren Stunden der Fall. Bei den Stelen viel schneller, schon alle vier bis fünf Zeilen. Eine Folge des harten Materials. Der Fachmann hört es am Geräusch, wenn der Stichel stumpf wird und er austauschen beziehungsweise schärfen muss.
Längst ist auch die Lasertechnik in die Werkstatt in Etwashausen eingezogen.
Sie wird beipielsweise für die Gravur von Kunststoff-Namensschildern verwendet. Gerade schneidet der Laser große Puzzleteile aus großen grünen Platten. Und der nächste Auftrag liegt schon daneben: Holzplatten, die als Preise für Snowboard-Events dienen werden.
Die meisten Gravuren werden inzwischen über die moderne Technik der CNC- beziehungsweise Lasermaschinen abgearbeitet. Doch auch das ursprüngliche Handwerk beherrscht Peter Deeg. Zwei Maschinen aus dem Jahr 1930 stehen in der Werkstatt, etwa zehn bis 15 Prozent der Aufträge erledigt er damit: Armkettchen, Kinderbesteck, Pokale und vieles mehr. Die Maschinen funktionieren nach dem Storchenschnabelprinzip: "Etwas Größeres wird verkleinert", erklärt der Fachmann.
Von einer 1:1-Übertragung bis zu einer 50-fachen Verkleinerung ist alles machbar.
Man muss sich vorstellen können, wie etwas aussehen soll, wenn man als Graveur arbeiten möchte, sagt Peter Deeg: "Man braucht ein grafisches Auge." Er selbst hat schon als Kind gerne gezeichnet. Trotzdem strebte er zunächst einen kaufmännischen Beruf an. Doch seine Lehrstelle wurde abgesagt und zufällig suchte der damalige Graveurmeister Hans-Martin Hofmann da gerade einen Auszubildenden. Dass er die Stelle angenommen hat, erwies sich als richtig: Deeg arbeitete nach der Lehre als Geselle, legte später die Meisterprüfung ab und übernahm das Geschäft 2005.