Ein Wunder? Junge Frau überlebte Mega-Crash bei Iphofen

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Beim Zusammenstoß mit einem Kleinlaster wurde Michelle Gerhardt Anfang Juni 2014 lebensgefährlich verletzt. Foto: Berthold Diem
Beim Zusammenstoß mit einem Kleinlaster wurde Michelle Gerhardt Anfang Juni 2014 lebensgefährlich verletzt.  Foto: Berthold Diem
 
Daniela und ihre Töchter Lia und Michelle in Michelles Praxis in Uffenheim.
Daniela und ihre Töchter Lia und Michelle in Michelles Praxis in Uffenheim.
 
Michelle Gerhardt in ihrer Praxis in Uffenheim.
Michelle Gerhardt in ihrer Praxis in Uffenheim.
 
Daniela mit zweien ihrer Kinder, Lia und Michelle.
Daniela mit zweien ihrer Kinder, Lia und Michelle.
 
Daniela und ihre Tochter Michelle stoßen auf eine gute Praxis-Zeit an.
Daniela und ihre Tochter Michelle stoßen auf eine gute Praxis-Zeit an.
 
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
 
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
 
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
 
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
Michelle wird von ihrer kleinen Schwester Lia und Mutter Daniela beobachtet.
 
Daniela und ihre Töchter Lia und Michelle in Michelles Praxis in Uffenheim.
Daniela und ihre Töchter Lia und Michelle in Michelles Praxis in Uffenheim.
 

Niemand hätte es für möglich gehalten, dass Michelle Gerhardt überlebt, ohne ein Pflegefall zu werden. Ihre persönliche Bilanz nach zweieinhalb Jahren.

Ein wippender, blonder Zopf. Strahlende Augen. Eine zierliche Figur. Michelle Gerhardt sieht super aus, dynamisch, gesund. Dass sie vor zweieinhalb Jahren bei einem Autounfall fast gestorben wäre, ist der 20-Jährigen äußerlich nicht anzumerken. Aber wie schaut es in ihr aus? Hat der Unfall sie verändert? Wie geht es ihr und ihrer Familie heute? Michelle hat Mitte November einer großen Schritt gewagt: Sie hat sich selbstständig gemacht. Zur Eröffnung ihres Kosmetik-, Haut- und Fußpflege-Studios "Carepoint Gerhardt" im Gollach-Center des mittelfränkischen Städtchens Uffenheim haben die junge Frau aus dem unterfränkischen Dornheim und ihre Mutter Daniela sich Zeit für eine Rückblende genommen. Und für einen Ausblick in die Zukunft.

Michelle, erinnern Sie sich an den Unfall?
Michelle: Nein, ich weiß davon überhaupt nichts, ebenso wenig wie von den Wochen danach. Auch die Stunden vor dem Zusammenstoß sind einfach weg. Dabei würde ich so gerne wissen, ob ich wirklich überholen wollte, wie viele gemutmaßt haben. Ich kann mir das nicht vorstellen, es waren doch sowieso nur noch ein paar Meter bis zur Abbiegung Richtung Bahnhof...

Belastet es Sie, dass Sie auf diese Frage wohl nie eine Antwort bekommen werden?
Michelle: Ja, schon ein bisschen. Genauso wie ich mir immer wieder die Frage stelle, warum ich davon gekommen bin und andere Unfälle tödlich ausgehen.

Daniela, wie geht es Ihnen beim Gedanken an den 4. Juni 2014?
Daniela: Mich hat eine ganz schreckliche Vorahnung befallen, als ich im Radio von dem Unfall gehört habe. Noch heute zieht sich jedes Mal mein Magen zusammen, wenn ich an der Unglücksstelle vorbeikomme. Jedes Mal sehe ich wieder Michelles demoliertes Auto im Graben, die Notarzt- und Einsatzfahrzeuge... Die Ärzte haben uns kaum Hoffnung gemacht, dass Michelle überlebt. Wenn überhaupt, dann werde sie wohl lebenslang ein Pflegefall bleiben, hieß es.

Aber es kam anders.
Daniela: Ja, und für uns ist das ein echtes Wunder!

Wie sehen Sie das, Michelle?
Michelle: Ich war vorher nie christlich oder so. Aber heute denke ich, dass es da irgendetwas geben muss. Ich hatte so viele Schutzengel!

Und nach dem Unfall jede Menge irdische "Engel", die an Ihrem Bett gewacht und Spenden für die lange Reha-Zeit gesammelt haben...
Michelle: Ja, und auch wenn ich keine Erinnerung an die Zeit im Koma habe, glaube ich doch, dass ich gespürt habe, wer alles für mich da war. Das hat mir die Kraft gegeben zu kämpfen. Nicht nur meiner Familie, allen Spendern und meinen Freunden bin ich unheimlich dankbar, sondern auch meinem damaligen Freund. Ich weiß, dass er mehr für mich getan hat als es die allermeisten anderen getan hätten.

Sie sind heute nicht mehr mit Florian zusammen?
Michelle: Nein, im Sommer letzten Jahres haben wir uns getrennt. Ich glaube nicht, dass der Unfall daran schuld war. Wir waren - sind - ja beide noch sehr jung, da verändern sich Dinge eben.

Wie geht es Ihnen heute, körperlich und seelisch?
Michelle: Eigentlich ganz gut. Ich bin nachdenklicher als früher, das auf jeden Fall. Ich habe eine Narbe auf dem Kopf, aber die künstliche Schädeldecke sieht man unter den Haaren nicht. Allerdings habe ich öfter mal richtig Kopfschmerzen und bin wetterfühlig geworden. Außerdem bin ich viel schneller gereizt als früher. Und vergesslicher.

Wie äußert sich das im Alltag?
Daniela: Michelle regt sich oft wegen Kleinigkeiten völlig auf. Ich denke, das kommt durch die Verletzungen am Kopf. Sie ist kratzbürstiger geworden. Früher konnte ich sie einfach mal so umarmen und ihr sagen, wie lieb ich sie habe, aber dagegen sträubt sie sich heute. Für mich als Mama ist das oft nicht einfach, ich muss manchmal ganz schön schlucken.

Ist es für Sie heute schwer, Nähe zuzulassen, Michelle?

Michelle: Nein... Naja, ich weiß nicht. Das ganze Mitleid, das ich in den letzten Jahren bekommen habe, das will ich einfach nicht mehr, auch keine Bevormundung und Bemutterung. Ich möchte ein neues Leben nach dem Unfall anfangen, möchte mir den Respekt der Menschen verdienen. Respekt, aber nicht Mitleid.

Haben Sie sich deshalb selbstständig gemacht?
Michelle: Sicher auch deshalb, ja. Ehrlich gesagt, hab' ich schon immer von einem Kosmetikstudio geträumt. Nach dem Unfall war ich monatelang in Krankenhäusern und Reha-Kliniken. Danach, als ich wieder alles neu gelernt hatte, ist mir klar geworden: Das Leben ist zu kurz, um nur zu träumen. Man muss seine Träume wahr machen.

Ist das die "Lehre", die Sie aus Ihrem Unfall gezogen haben?
Michelle: Ja. Du weißt nie, wie lange Du noch hier auf der Erde bist - also wage etwas! Nutze jede Sekunde des Lebens!

Ist Ihnen das Pauken während der Ausbildung zur Kosmetikerin und Fußpflegerin mit der Kopfwunde nicht schwer gefallen?
Michelle: Ja, es war nicht so einfach wie man vielleicht denkt. Das Lernen fällt mir nicht mehr so leicht wie früher. Oft war ich verzweifelt und kurz davor, alles hinzuschmeißen. Aber ich hab's geschafft! Ich hab' ein Jahr lang alles gegeben und die Ausbildung zur geprüften Kosmetikerin und Fußpflegerin gemeistert. Da bin ich schon stolz drauf. Ein wunderschönes Gefühl.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Michelle: Gesundheit, ganz klar, und nicht nur für mich. Wenn man halbwegs gesund ist, kann man so vieles machen!
Daniela: Ja, das stimmt. Außerdem wünsche ich mir, dass die "neue Michelle" wieder so zufrieden wird wie die alte.


------- Der Unfall----------

Am Morgen des 4. Juni 2014 fuhr Michelle Gerhardt mit ihrem VW-Polo in Richtung Iphofen, wo sie den Zug nach Würzburg zu ihrer Lehrstelle als Rechtsanwaltsfachangestellte nehmen wollte. Kurz vor Iphofen stieß sie mit einem entgegenkommenden Kleinlaster zusammen. Ein Rettungshubschrauber flog die 18-Jährige mit lebensgefährlichen Verletzungen in die Kopfklinik. Um den Hirndruck zu mildern, versetzten die Ärzte Michelle ins künstliche Koma und entfernten ein Stück Schädeldecke. Entgegen aller Prognosen überlebte sie und wurde kein Pflegefall.