Ein Rentner hatte beim Petersilie putzen plötzlich "rot gesehen" und seinen Sohn mit einem Dolch lebensgefährlich verletzt. Doch von versuchtem Totschlag ist vor Gericht nun keine Rede mehr.
Nach neun Monaten in Untersuchungshaft durfte ein 60 Jahre alter Rentner am Montag Mittag im Würzburger Knast seine Sachen packen und zur Familie nach Kitzingen zurückkehren. Das Schwurgericht hat den wegen versuchten Totschlags angeklagten Mann nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, und zwar zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Dringend nahe gelegt haben die Richter dem Rentner, auf Distanz zum Alkohol zu gehen - auch wenn das in seinem Viertel in der Kitzinger Siedlung nicht einfach sei. Er sollte also zum Beispiel nicht gleich am Montagabend mit Wodka seine Freilassung feiern. " Denn nüchtern wär das alles nicht passiert."
Der Mann wollte nach Überzeugung des Schwurgerichts seinem Sohn (36) an einem Sonntagabend im September 2012 "eine Lektion erteilen", aber ihn nicht töten, als er bei einer heftigen Auseinandersetzung ein Schwert von der Wand nahm. Die Klinge der Dekorations-Waffe war zwar stumpf, aber vorne noch gefährlich spitz und scharf. Ohne schnelle ärztliche Hilfe hätte die Stichverletzung in den Brustkorb zum Tod des Sohnes führen können.
Keine leichte Beweisaufnahme Leicht sei die mehrtägige Beweisaufnahme nicht gewesen, so der Vorsitzende Richter Burkard Poepperl. Und das lag nicht nur an den Temperaturen draußen und am vorübergehenden Ausfall der Klimaanlage im Sitzungssaal: Von Zeugen sei das Gericht mit Halbwahrheiten bedient, aber auch voll angelogen worden, das Erinnerungsvermögen sei zum Teil von erheblicher Alkoholisierung zur Tatzeit beeinträchtigt worden und Familienangehörige hätten aus falsch verstandener Solidarität mit ihrer Aussage dem Rentner was Gutes tun wollen - und ihm dabei mehr geschadet als genutzt.
Unmittelbar vor der Tat hat der Rentner mit 2,7 Promille Alkohol im Blut auf dem Balkon Petersilie geputzt, fürs Einfrieren, als Vorrat für den nächsten Winter. In der Zwei-Zimmerwohnung, in dem der Rentner, seine Ehefrau und der inzwischen 36 Jahre alte Sohn lebten, habe es zuvor schon häufig Streit gegeben, meist Alkoholbedingt.
Dass der körperlich behinderte Sohn nicht zur Arbeit ging, viel trank, und eine Gefängnisstrafe verbüßen musste, das habe den Vater belastet. Der fühlte sich für den Sohn verpflichtet. "So lange ich lebe", versicherte er vor Gericht. Gesundheitlich war der Sohn schon vor der Tat erheblich angeschlagen. Wegen seiner Behinderung sei er von Anfang an, früher in der russischen Föderation und danach in Kitzingen, ein Außenseiter gewesen.
"Rot gesehen" hat der Rentner offensichtlich vor allem dann, wenn sein Sohn Besuch bekam von seinem besten Freund, einem ebenfalls aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Mann, der nicht gearbeitet hat und nur ganz selten nüchtern war. Nahezu volltrunken sei der Mann auch an jenem Sonntag in die Wohnung des Angeklagten gekommen, als der Petersilie putzte. Er habe mit seinem Sohn zusammen Musik laut Musik gehört. Nur um den Typen aus der Wohnung zu werfen, hat der Rentner nach seiner Schilderung das Schwert von der Wand genommen und dem Freund seines Sohnes damit den Weg zur Tür gezeigt. Er solle verschwinden, aber ganz schnell, soll er wiederholt, aber ohne Erfolg, verlangt haben.
Aufs übeltste beleidigt Daraufhin hatte der Sohn seinen Besucher "verteidigt", indem er, ebenfalls "unter Strom", den Vater aufs übelste beschimpfte, beleidigte und ihm das Schwert abzunehmen versuchte. Mit der Dekorationswaffe hat der Angeklagte dem Sohn daraufhin einmal kräftig aufs Haupt geschlagen. Dass Vater und Sohn bei dem Gerangel auf den Boden fielen und dass der Sohn dabei in die Dolchspitze stürzte, hat ein Rechtsmediziner als fast einzige Erklärung für die lebensgefährliche Stichverletzung bezeichnet. Und dem folgte auch das Schwurgericht.
Der Sohn war danach in Panik auf der Flucht gegen eine Tür mit Glasfüllung gerannt, die zu Bruch ging und er hatte sich an den Glasscherben erheblich verletzt.
Wenn die Ehefrau des Rentners, die kurz vor der Auseinandersetzung die Wohnung verlassen hatte, weil sie Randale befürchtete, nicht zu Nachbarn gesagt hätte, ihr Mann habe den Sohn grad "niedergestochen", wäre der Mann vermutlich gar nicht in den Verdacht des versuchten Totschlags geraten. Nicht so recht nachvollziehen konnte das Gericht, warum der Angeklagte nach der Tat nicht den Notarzt verständigte, sondern die Wohnung verlassen hatte. Die Ehefrau verständigte erst ihre Tochter telefonisch, dass der Sohn stark blutend im Wohnzimmer liegt. Die eilte dann an den Tatort und erst sie hat ärztliche Hilfe angefordert. Kurze Zeit später landete ein Rettungshubschrauber in der Siedlung.
Strafmildernd berücksichtigte das Gericht eine reduzierte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit: Da war zum Einen der Suffkopf, der nicht gehen wollte, dann die heftige Reaktion des Sohnes, der nicht wollte, dass sein Bekannter aus der Wohnung geworfen wird und der daraufhin gegen den Vater verbal schweres Geschütz aufgefahren hat. "Da hatte sich eine Situation "zusammengebraut, die für den Vater unerträglich wurde, sodass er erregt, erbost und betrunken, meinte, heftig reagieren zu müssen", so der Vorsitzende.
Bei der Strafaussetzung zur Bewährung habe man, so das Schwurgericht, die neun Monate Untersuchungshaft berücksichtigt, die den Rentner erkennbar schwer beeindruckte. Da erhebliche Prozesskosten auf den Sozialhilfeempfänger zukommen, hat man auf eine Geldbuße als Bewährungsauflage verzichtet und angesichts des Gesundheitszustands des Rentners auch auf gemeinnützige Arbeitsstunden.