Bei der Jubiläums-Tour für ihr Durchbruch-Album blicken die Musiker von "Dream Theater" nicht nur zurück, sondern auch auf die Stoppuhr.
Es ist die Perfektion eines Uhrwerks aus der Schweiz. Punkt 20 Uhr stehen sie auf der Bühne und starten ihren Wettlauf gegen die Stoppuhr: Wer spielt mehr Töne in einer Minute? Die Usain Bolts der Rockmusik firmieren als Kollektiv unter dem Namen "Dream Theater" und gastierten in der Eventhalle Strohofer in Geiselwind.
Auch die Progrock-Metaller aus den USA erliegen dabei einem Trend, der die Branche erfasst hat: Zum 25. Jubiläum ihres damals zweiten Albums "Images and words", das ihren Durchbruch markierte und mit "Pull me under" sogar eine weltweite Hitsingle enthielt, zelebrieren sie die auf 2017er Welttournee das gesamte Album, aber noch viel mehr.
Drei Stunden dauerte das Konzert. Das nicht nur den Musikern, allesamt Absolventen diversen Akademien, hohe Konzentration abverlangt. Schwerlastige Kopfmusik pur. Die einen schütteln den selben zum Stakkato, die anderen suchen verzweifelt nach freien Kapazitäten in ihren Gehirnströmen, um zu verarbeiten, was da aus den Lautsprecher-Boxen in Richtung Gehörgänge gejagt wird.
Die Masse an Information überschreitet mitunter die Aufnahmefähigkeit, wenn sich John Petrucci an der Gitarre und Jordan Rudess an den Keyboards zum Duell gegenüberstehen oder zum neuen Weltrekordversuch im Synchronspiel starten, wobei weder Bassist John Myung oder Drummer Mike Mangini auch nur eine 32stel zurückstehen wollen.
Wirbel mit der Bassdrum?
Perfektion pur - beim musikalischen Vortrag wie auch den Lichtspielen drumherum. "Sie lieben Metallica und beten YES an", schreibt ein langjähriger Weggefährte der Theater-Träumer im Tourprogramm, in dem auch alle Instrumente, die zum Einsatz kommen, aufgelistet sind (schaut aus wie Auszüge aus dem Verkaufskatalog des nahen Riesen-Musikhauses in Treppendorf, wo der Gitarrist vor dem Auftritt in Geiselwind zur Autogrammstunde einkehrte).
Genau zwischen diesen Polen - Metallica und YES - bewegt sich die Musik von "Dream Theater" - hart, aber beileibe nicht einfallslos und schon gar kein Drei-Akkord-Geschrubbe. Die Metrik-Wechsel verblüffen und bringen selbst hartgesottene Kopfschüttler durcheinander und die paar Traum-Tänzer unter den knapp 2000 Besuchern ins Straucheln. Was nicht für die Beinarbeit des Schlagzeugers Mangini gilt, die so schnell ist, dass nur noch ein Wirbel mit den beiden Bassdrums fehlt.
Früher machte sich "Dream Theater" einen Spaß daraus, als Zugabe den Kollegen mal schnell die eigene Überlegenheit vorzuführen: So wurden ganze Alben der Konkurrenz zu Gehör gebracht, von Pink Floyd, von Metallica, von Iron Maiden oder Deep Purple. Das Dream-Theater-Meisterwerk "Illumination theory" hat noch nie einer abgekupfert.
Diesmal folgte bei der Zugabe eine Anleihe aus dem eigenen Fundus: "A change of seasons". Der Wandel der Jahreszeiten setzt sich allein aus sieben verschiedenen Stücken zusammen und dauerte ein halbe Stunde.