Herbert Rühl und seine Kollegen haben ein Herz und eine schützende Hand für Frösche und Kröten.
Aus dem Eimer im Erdloch kommen komische Geräusche. Die quakig-kehligen Laute klingen wie "Lasst mich raus!", "Lasst mich raus!". Sieben kleine und zwei dicke Erdkröten hocken in dem Eimer, der in den Boden eingegraben ist, direkt hinter einem etwa 40 Zentimeter hohen Fangzaun. Dieser Zaun, der so grün ist wie eine OP-Decke, hält Frösche, Kröten und Molche auf; früher sind deren Artgenossen in der Haager Flur alljährlich zu Hunderten plattgefahren worden.
Gut 300 Meter lang ist die Sperre am Straßenrand zwischen Geiselwind und Burghaslach. Bei ihrer nächtlichen Wanderung entlang des Zauns plumpsen die Amphibien kurz vor ihrem Ziel, dem Karpfenteich auf der anderen Straßenseite, plötzlich eine Etage tiefer. Zwangspause.
Ihr Jammern wird gehört. Der Froschretter kommt jeden Früh. Er trägt eine rote Käppi über dem schneeweißen Haar und eine orangefarbene Warnweste über dem blauen Arbeitskittel. Herbert Rühl, 73 Jahre, schnappt sich einen großen Eimer, einen dicken Karton und einen Stift aus seinem Auto. "Auf dem Karton notiere ich Datum, Temperatur und wie viele Tiere da sind", erklärt der Holzberndorfer. "Daheim trage ich die Zahlen ordentlich in eine Liste ein und melde sie der Unteren Naturschutzbehörde."
Die Fachleute dort sind froh, dass es Leute wie Herbert Rühl gibt. Drei bis fünf Wochen lang - je nach Witterung und Dauer der Amphibienwanderung - macht sich Rühl jeden Morgen auf, um drei Zäune in der Geiselwinder Gegend abzulaufen und die in den Eimern gefangenen Tiere über die Straße zu tragen. Seit gut 20 Jahren ist er schon Froschretter. "Ich bin mit der Natur aufgewachsen", erklärt der Landwirt im Ruhestand.
"Das sind allesamt Erdkröten", stellt Rühl fest, während er aus dem ersten Loch neun überhaupt nicht glitschige grünbraune Gesellen fischt und in seinen Handeimer setzt. Die Krötenhaut ist kühl und furchig, die Beine erinnern an Mini-Krokodile. "Die Kleineren sind 2013 geboren. Bei ihren kann ich noch nicht sagen, ob sie männlich oder weiblich sind." Die beiden größeren Exemplare mit ihren gelbgrünen Glubschaugen sind eindeutig Weibchen, zwei oder drei Jahre alt: "Das sieht man an ihrem dicken Bauch; er ist voller Eier."
Rühl geht weiter. Am Haager Zaun checkt er um die 20 "Fallen". Die 90 Kröten, die er neben einigen Bergmolchen, einem Laub- und einem Springfrosch aufliest, sind unterschiedlich gefärbt - von Dunkelgrün über Grün- und Rotbraun bis hin zu fast Schwarz. Manche sind sogar gemustert, tragen quasi Bundeswehr-Design. "Das kommt daher, dass sich die Tiere ihrer Umgebung anpassen", weiß Rühl. Die Farbe des Waldstücks, in dem sie ihr Leben vor und nach der Laichzeit verbringen, spiegelt sich also auf ihrer Haut wider.
"An richtig guten Tagen sammle ich hier bis zu 250 Tiere ein", erzählt der 73-Jährige. "Wenn es nachts feucht und warm ist, dann ist was los!" Dann begleitet ihn manchmal seine Frau Regina und hilft ihm.
Vor allem ein paar Kilometer weiter, zwischen Holzberndorf und Aschbach, ist jede helfende Hand am Schutzzaun willkommen. Hier zeigt sich: Springfrösche machen ihrem Namen alle Ehre. Kaum hat man sie im Eimer, sitzen sie auch schon wieder auf dessen Rand. "Dageblieben!", ruft Herbert Rühl und schubst die Hüpfer wieder zurück. "Ihr wollt doch nicht doch noch überfahren werden..." Schnell bringt er seine quakende - und in unserer Region seltene - Fracht zum See, wo 33 Frösche kurz darauf dankbar abtauchen.
Zum Glück haben wir hier ein gutes Verhältnis zu den Teichbesitzern", sagt Rühl. Dass Frösche und Kröten Futterkonkurrenten der Karpfen sind, werde zugunsten der Artenvielfalt hingenommen. "Und die Amphibien ziehen sich nach vier bis sechs Wochen ja wieder in ihre Wälder zurück."
Auf dem Rückweg zum Auto bückt sich der Landwirt immer wieder, zeigt auf frische Blätter und erste Blüten. Spitzwegerich, Reiherschnabel, Märzenstern: Seinem geschulten Blick entgeht nichts. Auch nicht der erste Frosch- und Krötenlaich. "In ungefähr zwei Wochen wird es so weit sein", schätzt Rühl. Er freut sich schon auf den Nachwuchs, den er dann in den kommenden Jahren sicher über die Straße geleiten wird.