Briefe von Knast zu Knast

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Seltsame Bande: Der Papa unterstützte seine Tochter mit crystal-speed aus einer Drogenküche im tschechischen Cheb - und war gleichzeitig V-Mann bei den "Bandidos"

Auf ihren in der Oberpfalz lebenden Vater konnte sich eine 24-jährige aus dem Landkreis Kitzingen verlassen: Als sie ihn wieder einmal um finanzielle Unterstützung bat, besorgte der ihr im tschechischen Cheb crystal-speed zum Dealen: Top-Qualität aus einer vietnamesischen "Drogenküche". Der Prozess gegen den Vater läuft seit Monaten, gestern wurde die Tochter vor einer Großen Strafkammer angeklagt.
Die junge Frau, arbeitslos mit einem täglichen Haschisch-Bedarf von zuletzt zehn Gramm und einem Lebensgefährten, der auch ständig Stoff brauchte, hat vom Papa acht Mal Unterstützung durch crystal-speed-Lieferungen erfahren. Größenordnung: 25 bis 110 Gramm als Kommissionsware.
Bezahlt wurde in 500 Euro-Raten per Brief, "Einschreiben und Einwerfen". Die Geschäfte mit dem Vater sind Schwerpunkt der Anklageschrift, die insgesamt 42 Rauschgift-Fälle auflistet, darunter häufig Haschisch in kleinen Mengen, für den eigenen Bedarf.
Am 2. April soll das Urteil verkündet werden und mit Sicherheit wird das Gericht die so genannte Kronzeugen-Regelung nach Paragraph 31 des Betäubungsmittelgesetzes anwenden, also die Strafe mildern, als Dankeschön für die massive Mitarbeit beim Aufklären von Straftaten. Es sagte nämlich gestern ein Kriminalhauptkommissar aus, 59 Jahre alt und damit wenige Monate vor der Pensionierung: "In über 30 Jahren beim Rauschgift-Kommissariat habe ich es noch nicht erlebt, dass jemand nach seiner Festnahme so auspackt wie die junge Frau." Und das schöne für die Polizei: Die Frau blieb auch später bei den einmal gemachten Aussagen.
Der Kripo-Beamte schätzt, dass 70 bis 80 Drogenkunden und Dealer im Großraum Kitzingen auf diese Art und Weise ermittelt und überführt werden konnten. Freunde macht man sich so sicher nicht. Aus der Justizvollzugsanstalt Aichach ist die Angeklagte bereits wegen ernst zu nehmenden Drohungen verlegt worden. Nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe scheint daher ein weiterer Wohnsitzwechsel angebracht.
"Zum Vater habe ich immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt", erzählte die Angeklagte. "Anders als zur Mutter." Mit dem Kiffen hat sie angeblich begonnen, als sie erst zwölf Jahre alt war. Dem Vater habe sie immer voll vertraut. Deswegen habe sie es ihm auch übel genommen, dass er sie in das crystal-Geschäft reingezogen hat. Er habe ihr doch das Gefühl vermittelt, dass da nichts passieren kann. Aber inzwischen schreibt man sich wieder Briefe, von Knast zu Knast.
Der Prozess gegen den Vater hat über die Drogen aus dem tschechischen Cheb hinaus eine besondere Brisanz: Der erheblich vorbestrafte Mann hat, das ist amtlich, als V-Mann für das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) gearbeitet. Er soll als Maulwurf bei den Regensburger "Bandidos" eingeschleust worden sein, um in dem Motorrad-Club Material zu sammeln über mögliche Kontakte zu Rechtsradikalen, zum Rotlicht-Milieu, Waffen- und Drogenhandel.
Dass er seiner Tochter crystal lieferte, hat der Mann in seinem Prozess nicht bestritten. Er möchte aber dafür nicht verurteilt und außerdem in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Diese Straftaten und weitere seien in Absprache, zumindest mit Wissen seines V-Mann-Führers verübt worden. Er habe, um erfolgreich aufklären zu können, in der Bandido-Szene überzeugend den Eindruck vermitteln müssen, dass er voll drinnen stehe im kriminellen Geschäft.
Weil er sich zu Unrecht angeklagt fühlt, hat er sich bereits an den Petitionsausschuss des Bayerischen Landtages gewandt sowie an die Redaktionen renommierter Magazine und Zeitungen, . Er bittet inzwischen sogar Journalisten aus der Provinz zum Interview in den Knast.

10 Gramm Drogen im Slip

Seine Tochter sagte gestern vor Gericht aus, dass sie vor einer Hausdurchsuchung ganz konkret gewarnt worden sei. Die Information könne ihr Vater nur aus LKA-Kreisen gehabt haben. Dazu passt, was eine Polizeistreife am Nachmittag des 23. November 2011 bei Waldsassen, im Rahmen der dort üblichen "verdachtsunabhängigen Schleierfahndung" in Grenznähe erlebte. Die Beamten kontrollierten den 45-Jährigen, der einen vom LKA zur Verfügung gestellten Mercedes mit Fürther Kennzeichen fuhr. Dass er sich den Rauschgift-Fahndern als eine Art Kollege vorstellte, hat die zunächst einmal überhaupt nicht beeindruckt. Er komme von einem Bank-Termin in Tschechien, habe der "Bandido" auf vier Rädern gesagt . Und als die Polizeibeamten nach fassten, fanden sie zehn Gramm Crystal im Slip des Autofahrers.
Auf der Polizeiinspektion in Waldsassen nannte der Mann Namen und Telefonnummer eines LKA- Mitarbeiters, der unverzüglich von seiner Festnahme verständigt werden müsse. Am späten Nachmittag war der Festgenommene trotz der zehn Gramm Crystal wieder frei und fuhr sehr selbstbewusst mit dem LKA-"Schlitten" vom Hof der Waldsassener Polizei zu seiner Unterkunft in einer Pension im benachbarten Kondrau. Dass bei der Kontrolle in der Ablage der Fahrertür griffbereit ein Klappmesser lag, hätte die Situation für andere Dealer sofort erheblich verschlimmert, spielte in dem Fall jedoch überhaupt keine Rolle.
Der V-Mann sagte zur Erklärung, dass ein "Bandido" immer sein Messer griffbereit haben müsse. Die Polizeiinspektion Waldsassen bekam kurz danach Besuch von zwei LKA- Beamten.
Dem Staatsanwalt hat die Angeklagte gestern gute Arbeit bestätigt: Alles stimme, so wie es da steht. Auf die Vernehmung von Zeugen aus der Szene kann daher verzichtet werden. Am zweiten Verhandlungstag, dem 2. April, wird ein Gutachter über das Ausmaß der Abhängigkeit der jungen Frau von Betäubungsmitteln berichten. Zehn Einträge hat die junge Frau bereits im Strafregister, das Urteil der Strafkammer ist dann Nr. 11.