Ein Mann hat die Betreuerin einer therapeutischen Wohngemeinschaft derart verfolgt, dass diese um ihr Leben fürchtete, ihren Beruf aufgab und Deutschland verlassen hat.
Mit seinem Blut beschmierten Briefen und USB-Sticks, auf denen hunderte Fotos von Folteropfern und Leichenteilen aus dem Internet gespeichert waren, hat ein 23-Jähriger nach seinem Rauswurf aus einer therapeutischen Wohngemeinschaft in Würzburg dort Angst und Schrecken verbreitet. Damit wollte er eine Betreuerin, in die er sich verliebt hatte, zu einem klärenden Gespräch zwingen und bei der Heimleitung erreichen, dass er wieder in die WG aufgenommen wird. Im Prozess vor dem Landgericht Würzburg geht es "nur" um die Unterbringung des psychisch Kranken, der für seine Straftaten nicht verurteilt werden kann.
Dass die einige Jahre ältere Betreuerin eine private Beziehung mit ihm ablehnte, hat der junge Mann aus Wolgograd nicht verkraftet: Briefe, die er an die Frau schrieb, wurden schnell zunehmend aggressiver und als er vorübergehend wieder einmal in der Psychiatrie in Werneck untergebracht war, hat er auch von dort seine Attacken unter anderem über Facebook fortgesetzt. Trotz der vom Amtsgericht Würzburg wiederholt verhängten Kontakt-Verbote ist der Mann immer wieder in der WG aufgetaucht: Einmal hat er dort das verschlossene Büro aufgebrochen und ein blutiges Messer mit abgebrochener Klinge zurückgelassen, mit dem er sich vorher am Unterarm geritzt hatte.
Massive Drohungen Vorübergehend sei, so Betroffene, die Einrichtung telefonisch überhaupt nicht mehr zu erreichen gewesen, weil der ehemalige Bewohner ständig anrief. Der Anrufbeantworter sei "übergelaufen", die Betreuerin, die seine Liebe nicht erwidern wollte, und der Leiter der WG, der ihn rausgeworfen hatte, wurden mit E-Mails bombardiert, die zunehmend massivere Drohungen enthielten.
Die Betreuerin ist zu ihrem eigenen Schutz vorübergehend von der Arbeit freigestellt worden, sie fühlte sich in der eigenen Wohnung nicht mehr sicher, wagte sich nicht mehr allein auf die Straße und litt unter massiven Panik-Attacken und weiteren psychischen Beschwerden. Eine Zeit lang versteckte sie sich sogar bei ihren Eltern, ihren Beruf konnte sie nicht mehr ausüben. Da der Mann, der ihr nachstellte, angekündigt hatte, dass er ihre neue Adresse finden werde, hat sie inzwischen aus Angst Deutschland verlassen.
Dem Leiter der Einrichtung, den der junge Mann mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit für das Scheitern der Beziehung verantwortlich machte, hat der einmal geschrieben: "Ich schwöre Ihnen, ich werde Ihnen Ihr Leben nehmen, koste es, was es wolle." Die Nachricht hat der Familienvater nach der Vorgeschichte mit dem blutigen Brief und dem Messer, sehr ernst genommen. So lange der junge Mann auf freiem Fuß war, habe er nachts sogar sein Haus verbarrikadiert in Sorge um seine Familie, berichtete der Zeuge gestern.
Unzählige Male hat der 23-Jährige am ersten Prozesstag fast stereotyp das Gericht angefleht, ihm "eine letzte Chance zu geben". Er schwöre, sagte er immer wieder, dass er keinem Menschen etwas tun werde, er wolle nur raus aus der Forensischen Klinik des Bezirkskrankenhauses in Lohr, wo er auf einer Station eingesperrt sei mit Mördern und Kinderschändern.
Dort wird er vermutlich aber noch längere Zeit bleiben. Ein psychiatrischer Gutachter ging gestern von massiven Wahnvorstellungen des Patienten aus. Er habe eine Variante des "Querulanten-Wahns", den man sonst eigentlich erst ab 50 Jahren aufwärts antreffe. Der Beschuldigte sei nach wie vor fest davon überzeugt, dass andere ihm Unrecht getan haben und dass sein Verhalten in Ordnung gewesen sei.
In der Klinik in Lohr hat man in den vergangenen sieben Monaten noch keinen "therapeutischen Zugang" zu dem Patienten gefunden, der Gutachter wies daraufhin, dass wahnhafte Störungen viel schwieriger zu behandeln seien als eine Schizophrenie. Alternativen zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - zum Beispiel wieder in einer therapeutischen Wohngemeinschaft, wie von dem 23-Jährigen erhofft - gebe es nicht.
Die Verhandlung wird am Dienstag mit den Plädoyers fortgesetzt.