Blutspenden retteten Dagmar Schilling das Leben

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Von ihrer Arbeit beim Blutspendedienst wusste Dagmar Schilling, wie wichtig Fremdblut für Operationen, Behandlungen und Medikamente ist. Als ihr Unterschenkel amputiert werden musste, war sie selbst auf Spenderblut angewiesen.
Von ihrer Arbeit beim Blutspendedienst wusste Dagmar Schilling, wie wichtig Fremdblut für Operationen, Behandlungen und Medikamente ist. Als ihr Unterschenkel amputiert werden musste, war sie selbst auf Spenderblut angewiesen.
540000 Blutspenden verarbeitet der Blutspendedienst pro Jahr in Wiesentheid. Foto: Archiv/Köpplinger
540000 Blutspenden verarbeitet der Blutspendedienst pro Jahr in Wiesentheid. Foto: Archiv/Köpplinger
 

Ohne Spenderblut hätte Dagmar Schilling ihre Unterschenkelamputation nicht überlebt

Einmal, nur ein einziges Mal, sagt Dagmar Schilling ein Wort, das man eigentlich nicht sagen sollte. Aber sie lacht dabei - wie so oft, wenn sie ihre Geschichte erzählt. "Sch..., jetzt kann ich keine Flipflops mehr tragen." Das sei ihr erster Gedanke gewesen, als die Ärzte ihr sagten, dass ihr rechter Fuß amputiert werden muss. Es war Dagmar Schillings 42. Geburtstag.

Acht Jahre ist das inzwischen her, und Dagmar Schilling hat trotz mehrerer Operationen und schier unzähligen Krankenhaus- und Reha-Aufenthalten nichts von ihrer positiven Lebenseinstellung verloren. "Wenn wir mit den Tränen gekämpft haben, hat sie gelächelt", sagt Sylvia Günther. Sie ist Schwester und Kollegin gleichermaßen, beide Frauen arbeiten Tür an Tür bei der Spenderbetreuung des Bayerischen Blutspendedienstes in Wiesentheid. Das lebensrettende Blut - es war und ist für sie täglich Thema. Dagmar Schilling kennt aber auch die andere Seite. Sie weiß: Ohne die Spenden anderer Menschen hätte sie ihre Operationen nicht überlebt.

Es hat mit Schmerzen im rechten Fuß angefangen, damals, im Herbst 2004. Es folgten diverse Arztbesuche, bis Anfang 2005 plötzlich eine Entzündung an einem Zeh auftrat. Wundrose. Sie wurde in eine Hautklinik überwiesen. "Fatalerweise hatte jemand in meinem Zimmer MRSA", erzählt Dagmar Schilling. Wegen des multiresistenten Keims folgten fünf Tage Quarantäne. Ärzte und Pfleger hielten Abstand: "Es gab zwar die tägliche Visite, aber von richtiger Pflege kann man nicht reden."

In der letzten Nacht wurden die Schmerzen so stark, dass die gebürtige Abtswinderin in die Gefäßklinik gebracht wurde. Zunächst wurde sie wieder zurück geschickt, am nächsten Tag erneut dorthin gebracht. Stundenlanges Warten, dann kam sie auf Station. "In der Nacht mussten sie eine Not-OP machen und da erst wurde der Arterienverschluss bemerkt." Der nächtlichen Bypass-Operation folgte am nächsten Tag eine zweite. "Wir kamen ins Zimmer und sie hat uns ihren Fuß gezeigt", erinnert sich Sylvia Günther noch genau. "Die Zehen waren schwarz. Da wussten wir, wo die Reise hingeht", sagt sie und wischt eine Träne aus dem Augenwinkel. "Die heult immer", sagt Dagmar Schilling - und lacht.

Bis zum Vorfuß müsse amputiert werden, hat man ihr damals gesagt. Die heute 50-Jährige winkelt das Bein an, legt es aufs andere Knie und zeigt, wo die erste Amputation verlief. Doch nach dieser OP stellten die Ärzte fest, dass die Durchblutung immer noch nicht funktionierte. "Mein Unterschenkel war bis zum Bersten gespannt." Es wurde noch ein Stück vom Bein abgenommen, insgesamt wurde Dagmar Schilling fünf Mal operiert. Der Hämoglobinwert war schlecht, der Blutverlust groß. "Ich weiß nicht, wie viele Blutkonserven ich bekommen habe. Aber ich weiß, dass sie vom Blutspendedienst des Roten Kreuzes kamen." Ein Aspekt, über den sich Dagmar Schilling freut, wieder lacht sie.

Etwa die Hälfte des Unterschenkels wurde Dagmar Schilling insgesamt abgenommen. "Damals haben wir gedacht: Gott sei Dank nicht so viel", sagt Sylvia Günther. Ein naheliegender Gedanke von Laien, der sich als falsch herausstellen sollte. "Eine miserable Amputation, das weiß ich heute", sagt Dagmar Schilling. Normalweise werde mehr amputiert, etwa zwei Drittel. Die Folge: Die Abtswinderin hat große Probleme mit der Prothetik. Am Anfang ging gar nichts. "Das hätte auch ein Holzfuß sein können", sagt Sylvia Günther über die erste Prothese.
Immer wieder kam es zu Entzündungen, keine Prothese passte richtig. Der Knochen musste noch einmal abgerundet werden. Erst ein langer Aufenthalt in einer Amputationsklinik brachte sie weiter. Inzwischen hat Dagmar Schilling eine Leichtprothese mit einem eingebauten Kissen.

Immer wieder stehen für die 50-Jährige Klinikaufenthalte an. "Erst vor zwei Jahren war ich insgesamt sieben Monate im Krankenhaus", erzählt sie. Eine neue Prothese muss immer erst ausprobiert werden, sie läuft sich den Stumpf wund, der muss heilen, das Ganze beginnt von vorn. Zu den Schmerzen durch diese Wunden kommen Phantomschmerzen, die sie durch die letzten Jahre begleiten. Der Vollmond und ein anstehender Wetterumschwung machen ihr zu schaffen. Doch auch diesem Aspekt gewinnt die lebensfrohe 50-jährige etwas Positives ab: "Ich bin der Wetterfrosch hier."

Schlimm sei der Herbst mit seinen vielen Tiefs - "so schwankt dann auch bei mir die Stimmung". Jetzt blicken die Augen ernst. Denn unter ständigen Schmerzen ist es auch bei Dagmar Schilling vorbei mit der ewig guten Laune. Dann ist auch sie mal "stinksauer".

Auszuhalten ist das Alles oft nur mit starken Schmerzmitteln. Mittel, die abhängig machen können, Mittel, die teilweise zu Gewichtszunahme führen. "Ich war nicht immer so dick", sagt sie. Durch die zunehmende Belastung tut dann wieder der Stumpf weh, die regelmäßige Nordic-Walking-Runde fällt flach - ein Teufelskreis. Auch jetzt nimmt die Abtswinderin täglich ihre Schmerzmittel. "Über kurz oder lang steht wieder eine Entgiftung an", weiß ihre Schwester.

Ob sie denn nie mit dem Schicksal gehadert habe? Dagmar Schilling verneint die Frage. Trauer allerdings habe sie schon bewältigen müssen, direkt nach der Amputation: "Man hat ja was verloren."


Der größte Teil des Spenderblutes geht in die Krebsbehandlung

Unfälle und Krankheiten können jeden treffen: Etwa zwei Drittel der Bevölkerung erhalten mindestens einmal im Leben eine Bluttransfusion oder Medikamente, die mit Hilfe von Blutplasma hergestellt werden. Alleine im Landkreis Kitzingen entspricht das mehr als 58.000 Menschen. Umso erfreulicher ist es, dass sich jeder Siebte im Landkreis für die Blutspende und somit für seine Mitmenschen engagiert. Die Spendebeteiligung liegt nach Angaben des Blutspendedienstes (BSD) des Bayerischen Roten Kreuzes bei 13,7 Prozent - bezogen auf die spendefähige Bevölkerung.

Mit ihrem Einsatz retten die Unterfranken viele Leben, erklärt Dr. Franz Weinauer, Ärztlicher Direktor des BSD: "Zahlreiche Operationen, Transplantationen und Behandlungen schwerst kranker Patienten sind nur mit Hilfe von Blutkonserven möglich - die wir jedoch, trotz allen medizinischen Fortschritts, derzeit noch nicht künstlich herstellen können."

Etwa 19 Prozent des Spenderblutes gehen in die Behandlung von Krebspatienten, Betroffene mit Magen- und Darmkrankheiten sowie Herzerkrankungen benötigen zusammen mehr als 32 Prozent des Blutes. Schwerverletzten aus Sport- und Verkehrsunfällen werden durchschnittlich zwölf Prozent verabreicht, daneben benötigen Leber- und Nierenpatienten sechs Prozent der Gesamtmenge.

Leukämiepatienten beispielsweise können nach einer Chemotherapie häufig nicht genügend eigene Blutplättchen (Thrombozyten) bilden; deshalb unterstützen Thrombozyten-Konzentrate, die über eine Infusion zugeführt werden, die Gerinnung. Wer bei einem Unfall oder einer Operation viel Blut verliert, erhält rote Blutkörperchen (Erythrozyten), die den Körper mit Sauerstoff versorgen. Blutplasma brauchen Menschen, die plötzlich viel Blut verloren haben oder an starken Verbrennungen leiden.

Ein weiteres Einsatzgebiet liegt bei Patienten mit geschwächter Immunabwehr. Mit Hilfe des Plasmas kann der Körper Infektionen abwehren. Auch bei Menschen mit Blutgerinnungsstörungen, also bei der sogenannten Bluterkrankheit, werden Präparate auf Basis von Blutplasma benötigt.

Rund 2200 Vollblutspenden braucht der BSD täglich, um alle Patienten in Bayern zu versorgen. Die Spendentermine und weitere Informationen für Spender gibt es unter www.blutspendedienst.com. Fragen beantwortet die Hotline: 0800/1194911.