Das Schöffengericht am Amtsgericht Haßfurt verpasste einem 54-jährigen Mann eine Bewährungsstrafe wegen sexueller Nötigung. Mehrere Male hat er im Arbeitsumfeld eine Frau unangemessen berührt. Gibt es eine Berufung?
Über einen Zeitraum von fast einem dreiviertel Jahr ist es 2014 in einer öffentlichen Einrichtung im östlichen Landkreis Haßberge zu sexuellen Übergriffen innerhalb der Belegschaft gekommen. Nachdem ein Dutzend Zeugen ausgesagt hatten, hielt das Schöffengericht am Amtsgericht Haßfurt die Vorwürfe gegen den 54-jährigen Angeklagten für erwiesen. Mindestens sechs Mal soll er einer Kollegin gegen deren Willen an die Brüste sowie in den Schambereich gefasst haben. Wegen sexueller Nötigung in sechs minderschweren Fällen wurde der nicht vorbestrafte Mann nach mehr als sechsstündiger Verhandlung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zu einer Geldbuße von 3000 Euro an das Opfer verurteilt.
Laut Staatsanwalt Stephan Schäl passierten die einzelnen Taten zumeist im Umkleideraum der Frauen. Der Angeklagte war der dienstlich direkte Vorgesetzte der Frau.
Er stahl sich jeweils ohne anzuklopfen in den Raum und hat die Frau dann von hinten umklammert oder sie an einen Container gedrückt. Bei diesen Gelegenheiten hat er in sexuell motivierter Weise den Körperkontakt gesucht.
Für den Angeklagten lief alles "freiwillig" ab. Vor Gericht schilderte er, dass er die Arbeitskollegin schon seit über 30 Jahren kenne, und im Laufe der Zeit sei man sich halt näher gekommen. Von beiden Seiten sei es so gewesen, dass "es bei einer Spielerei" bleiben sollte, beschrieb der verheiratete Familienvater das Verhältnis. Nie sei er aggressiv gewesen, nie habe er gedroht oder irgendwie Zwang oder Druck ausgeübt. Im Übrigen sei das Interesse an gegenseitiger Nähe auch von ihrer Seite ausgegangen.
So habe ihn die Kollegin beispielsweise öfter gefragt, ob er nicht zum Rauchen mit vor die Tür gehen wolle.
Teilweise nichtöffentlich
Wie das Opfer selber, das zusammen mit ihrem Rechtsbeistand Horst Soutschek als Nebenklägerin auftrat, alles erlebte, kann nicht dargestellt werden, weil bei ihrer Aussage - ebenso wie bei den Plädoyers von Staatsanwalt, Nebenklägeranwalt und Verteidiger - die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen wurde. Ein umfassendes Bild davon, wie sich die Übergriffe auf die seelische Verfassung der Frau ausgewirkt hatten, ergab sich bei der Zeugenaussage der Psychologin, bei der sich die Frau in ambulanter Behandlung befindet.
Am Boden zerstört
Ihre Patientin sei völlig am Boden zerstört und fassungslos gewesen, beschrieb die Therapeutin den nach ihren Worten langen Leidensweg ihrer
Klientin. In höchstem Maße suizidgefährdet sei sie gewesen, habe unter Albträumen gelitten und sich in einer "traumatischen Zange" befunden. Dieser Begriff bezeichnet das Gefühl des völligen Ausgeliefert-Seins, unter dem die Frau voller Scham und Pein gelitten habe. Auf wiederholte Nachfrage der Gerichtsvorsitzenden und der Schöffen beschrieb sie die Persönlichkeit der Frau so: höflich, geduldig, langmütig, gutmütig. Diese eigentlich sehr positiven Charakterzüge seien typisch für zahlreiche Opfer, weil es sich hier um Personen handele, die sich einiges gefallen lassen, bevor sie - meist nur schüchtern und nur halbherzig - erste Abwehrversuche unternähmen.
Die Arbeitskollegen hatten von den konkreten Vorfällen zwar nichts direkt mitbekommen, beschrieben aber die Frau als freundliche Mitarbeiterin und hatten keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.
Eine befreundete Mitarbeiterin, der sich die Frau anvertraut hatte, stellte den Kontakt zur Opferorganisation "Weißer Ring" her. Nach einem vertraulichen Gespräch mit einem Vertreter dieses gemeinnützigen Vereins entschloss sich die Betroffene zur Anzeige bei der Polizei.
Kündigung
Der Angeschuldigte selber arbeitet schon eine geraume Weile nicht mehr in der Einrichtung. Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis gekündigt und es läuft eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht.
Während einer langen Beratungszeit des Schöffengerichts war zu erfahren, dass der Verteidiger Dr. Jörg Händler in seinem Plädoyer einen Freispruch gefordert hatte. Der Vertreter der Anklage sowie der Anwalt der Nebenklägerin dagegen hatten eine hohe Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten beantragt.
Nach der Rechtslage kann eine mehr als zweijährige Haftstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.
Abschließend hob die Gerichtsvorsitzende Ilona Conver hervor, dass bei diesem Prozess die Urteilsfindung außerordentlich schwierig war, weil Aussage gegen Aussage stand. Die Glaubwürdigkeit des Opfers aber sei zweifellos gegeben und der Angeklagte habe klar die Grenzen überschritten. Die sexuellen Nötigungshandlungen wurden als minderschwere Fälle eingestuft, weil die Frau - aus Sicht des Verurteilten - zu wenige eindeutige Stopp-Signale gesetzt habe. So habe sie etwa in keinem der Vorfälle laut um Hilfe gerufen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, und wie der Staatsanwalt gegenüber unserem Reporter andeutete, erwägt er, Berufung vor dem Bamberger Landgericht einzulegen.