Von wegen: Ich kann doch Auto fahren

3 Min
Vorstart-Situation: Ein Späßchen soll die Aufregung überspielen: Prüfling Ralf Kestel am Steuer neben dem Prüfer und Fahrtlehrer Harald Pascher.
Vorstart-Situation: Ein Späßchen soll die Aufregung überspielen: Prüfling Ralf Kestel am Steuer neben dem Prüfer und Fahrtlehrer Harald Pascher.
Ein Fiasko: Vernichtendes Urteil nach der theoretischen Prüfung.
Ein Fiasko: Vernichtendes Urteil nach der theoretischen Prüfung.
 
Zum Glück schon längst in Händen: der Papperdeckel.
Zum Glück schon längst in Händen: der Papperdeckel.
 
Der erste Fehler: Den Rückstrahler nicht gefunden.  Fotos: Ronald Rinklef
Der erste Fehler: Den Rückstrahler nicht gefunden.  Fotos: Ronald Rinklef
 
 

Nach 40 Jahren Fahrpraxis zeigt ein Selbstversuch, dass man vielleicht Auto fahren kann, aber von den aktuellen Vorgaben keine Ahnung (mehr) hat.

Eigentlich hätte diese Prüfungsfahrt gar nicht mehr stattfinden dürfen. Der Delinquent, der vor 40 Jahren den Führerschein machte und seither den "Lappen" besitzt, will sich ans Steuer setzen, um unter den kritischen Augen eines versierten Fahrlehrers ein paar Runden zu drehen. Doch er scheitert schon an der ersten Hürde: dem Theorie-Fragenbogen.

"Hochkantig durchgefallen" eröffnet mir Harald Pascher, der Regionalverbandsvorsitzende des Fahrlehrerverbandes für den Bereich Schweinfurt (Main-Rhön) nach Kontrolle des ersten Fragebogens: 28 Fehler! "Noch okay" fand der Experte die 17 bzw. 14 Fehlerpunkte bei zwei weiteren Fragebögen, die der "Prüfling" mit einigen
Zigtausend Fahrkilometern auf dem Buckel, aber ohne Vorbereitung so fabrizierte. Paschers erstes Fazit: "Naja, die Vorfahrtsregel sitzt."

Trotz des Scheiterns in der Theorie sitze dann ich und zwar im bis dahin völlig fremden Fahrschul-Fahrzeug.


Wo ist der Ölmessstab?

Die Sicherheitskontrolle zu Beginn ging so. Den Bremsflüssigkeitsbehälter gefunden, den Rückstrahler nicht. Der Abstand von Maximum und Minimum auf dem Ölmessstab habe ich aber richtig geschätzt. "Ich bin doch kein Automechaniker", denke ich mir, worüber ich schon bei einigen Fragen auf den Testbögen grübelte.

Es kommt aber noch viel schlimmer. Mein Tester, ansonsten ein Duzfreund, wechselt ins Sie - und wird damit unbestechlich. "Bitte lösen Sie das Lenkradschloss und die Handbremse und starten den Motor!"

Das mit dem Lenkschloss hat sofort funktioniert, der Anlasser auch. Da hatte ich den (Schlüssel-)Dreh raus.
Aber die Handbremse! Wo zum Teufel ist die Handbremse? Verzweifelt sucht die rechte Hand und greift ins Leere. Und plötzlich ist sie da, die Nervosität wie damals vor 40 Jahren.

Der hilfesuchende Blick zum gestrengen Mann auf dem Beifahrer führt weiter: Die Handbremse löst sich nun per Knopfdruck. Viel neues Zeug. Gilt das auch bei den Verkehrsregeln? Naja. Eigentlich nicht. Rechts-vor-links, Blinken beim Fahrstreifenwechsel klingen auch nach 40 Jahren noch irgendwie vertraut im Ohr. Aber der Meister am Steuer vertraut auf seine Erfahrung.

Blick über die Schulter? Braucht's nichts mehr, alles im Griff bzw. im Spiegel. "Das mit dem toten Winkel ist nicht mehr so Ihr Ding", mahnt Harald Pascher .


Spießruten-Fahrt

Er kennt seine Pappenheimer. Hat sich eine nette Tour durchs Stadtgebiet ausgewählt. Als Verkehrsreferent und Zweiter Bürgermeister kennt er jede knifflige Ecke im Stadtgebiet und lässt freundlicherweise keine aus. Habe ich zumindest den Eindruck.

Und nach 16 Minuten klingt's auch freundlich, aber bestimmt: "Stop, damit wäre die Prüfung jetzt beendet!" Durchgefallen!

Beim Linksabbiegen von der Johann-Georg-Greb-Straße in die Josef-Lichtenebert-Straße nicht nach links eingeordnet, was in der Einbahnstraße Pflicht ist. "In dieser engen Straß' auch nuch nach links", denke ich mir, aber mein Prüfer gibt sich unerbitterlich: "Das wär's gewesen."

Er hat aber noch ein paar Schmankerl auf Lager, die mir meine Grenzen aufzeigen: Zu geringer Seitenabstand zu einer Radfahrerin (in der Rittergasse), zu schnell die Losbergstraße hoch (40 km/h) und aus der Stadt hinaus (70 km/h in Höhe Aral-Tankstelle).

Und dann noch diese Neuheit: Vollbremsung bei Tempo 30. Fünf Versuche brauche ich, bis mein Beifahrer zufrieden ist. "Was denken denn die Leute im Mannlehen, dass ich da mit quietschenden Reifen abbremse", schießt es mir durch den Kopf.


Im Kreisel geht's rund

Aber mit den Kreiseln hab' ich's und auch die Steigung in Eyrichshof samt dem steilen Abzweigen nach rechts gelingen. Und die Rechts-vor-links-Regel wird auch beachtet - auch wenn beim noch so intensiven Blick in die kleinste Seitengasse (Heubach-Gartenäcker!) weit und breit kein anderer Verkehrsteilnehmer zu erspähen ist. Und auch in die Anliegerstraße am Heubacher Sportplatz wird nicht gerauscht: "Wollen wir einen Anlieger besuchen?"
Nein, in diese Fall tappe ich nicht. Aber in andere. Grobe Missachtung der Vorfahrtsregel in der Adalbert-Stifter-Straße steht da mit Ausrufezeichen aus dem Prüfungsbogen und ganz oben eine vernichtende Bemerkung: "Sie haben die praktische Prüfung leider nicht bestanden. Bei der Bewertung der Fehler konnte auch die Berücksichtigung Ihrer guten Leistungen keinen ausreichenden Ausgleich schaffen."

Zum Glück habe ich meinen Führerschein schon seit 40 Jahren. Und nur einen Unfall in all den Jahren bei 15 000 bis 20 000 Kilometer Fahrleistung im Jahr gebaut.

Zumindest das Ende stimmt versöhnlich: "Nach zwei bis fünf Fahrstunden würde ich Dich durch die Prüfung bringen", formuliert Harald Pascher ein verstecktes Lob. Gewonnen! Und noch besser: Wir sind wieder beim Du.

Durchfaller-Quoten

30 Prozent
der Fahranfänger scheitern in Bayern im Rahmen der praktischen Prüfung;

20,6 Prozent sind es für den Bereich des TÜV Schweinfurt (Kreise Haßberge, Schweinfurt, Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld);

24,1 Prozent sind es im Raum Haßfurt;

23,4 Prozent im Bereich Ebern;

15,0 Prozent im Bereich Hofheim;

Gründe für das Nichtbestehen sind u.a.: Vorfahrtsfehler, falsches Einordnen, zu geringer Seitenabstand, Abbiegen bei Gegenverkehr, Verbot der Einfahrt, zu enges Parken, Rückwärts um die Ecke fahren.