4. Predigt
Völlig frei gehalten, auch freistehend und nicht am Ambo, gut auf die Lesungen abgestimmt, bringt der Pfarrer seine Gedanken rasch und klar verständlich auf den Punkt. Er bezieht die Kinder durch Fragen zum Thema ein, erwähnt typische Zeiler Persönlichkeiten und lässt eine persönliche Erfahrung einfließen. Gerade mal neun Minuten spricht er, und predigt dennoch so bildlich greifbar, dass die aufbauenden Worte nachklingen.
5. Kommunion/Abendmahl
Wandlung und Gabenbereitung, eigentlich Höhepunkt des Gottesdienstes, schnurrt der Pfarrer teils unverständlich herunter. Die Verteilung der Kommunion überlässt er Kommunionhelfern, also Laien, die sich an mehreren Stellen im Kirchenraum postierten, wo die Besucher die Hostie in Empfang nahmen. Obwohl zahlreiche Menschen teilnehmen, geht das Abendmahl bei beschwingten Orgelklängen flink über die Bühne.
6. Segen
Förmlich und feierlich, aber auch mit persönlichen guten Wünschen werden die Besucher mit dem Segen Gottes in den Sonntag entsandt. Ausführlich geraten die Schlussverkündigungen mit dem Gebet für ein verstorbenes Gemeindemitglied. Ministranten tragen das Kreuz beim feierlichen Auszug voran.
7. Ambiente
So schmucklos die Kirchenfassade im Vergleich zum Fachwerk der Zeiler Innenstadt, so sehr überwältigt der Innenraum der 1732 geweihten Stadtpfarrkirche mit opulenter Scheinarchitektur im Rokokostil. Während der Messe wird der Betrachter nicht müde, die reich geschmückten Altäre, das aufwendige Schnitzwerk der Kanzel und die Figurenfülle des Deckenfreskos zu betrachten.
8. Kirchenbänke
Alt sind sie wohl und passen optisch in den Kirchenraum. Grüne Polster auf der Sitzfläche und auf der Kniebank sind Konzession an heutigen Komfort. Doch das Brett auf der Oberseite der Rückbank ragt so weit vor, dass es unangenehm im Rücken drückt. Zugleich ist es zu schmal bemessen, um das Gotteslob richtig ablegen zu können. So purzelt während der Feier schon mal ein Gebetbuch lautstark zu Boden.
9. Beleuchtung
Der lichtdurchflutete freundliche Kirchenraum ist mit kerzen- und Kunstlicht wirkungsvoll beleuchtet. Die Anzeigetafel und das Geschehen rings um den Altar sind auf diese Weise von allen Plätzen aus deutlich zu erkennen. Besonderes Detail: Auf dem Altar brennen Kerzen, die offenkundig Kinder - vermutlich die Kommunikanten - gestaltet haben.
10. Sinne
Vielfältige Eindrücke mischen sich für die Sinne. Die Einbeziehung zahlreicher Akteure aus verschiedenen Altersgruppen, die geschickte Aufgabenverteilung (beispielsweise liest eine Ministrantin die Fürbitten) sowie der reibungslose Ablauf überzeugen. Beim Friedensgruß gehen Pfarrer, Diakon und Pastoralreferent auf die Leute zu, nicht nur in den ersten Reihen. Lächelnde Gesichter der Nachbarn hinterlassen das gute Gefühl: Hier stimmt das Gemeindeklima.
Warum ein Gottesdiensttest?
Wir wollen mit unserem Gottesdienst-Test die Kirchen ein wenig mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit rücken. Unter Kirchgängern, Geistlichen und Lesern soll eine Diskussion darüber entstehen, was einen guten Gottesdienst ausmacht. Dieses in der Regel sonntägliche Treffen hat für evangelische wie katholische Christen ja bis heute eine große Bedeutung. Soll lebender Ausdruck des Christseins sein. Wir haben uns für eine Bewertung nach objektiven Kriterien theologische Hilfe geholt bei den Professoren Martin Stuflesser (Würzburg), er ist auch Berater der deutschen Bischofskonferenz, und Martin Nicol (Erlangen), der mit seinem Buch "Weg im Geheimnis" ein Plädoyer für den evangelischen Gottesdienst abgibt. Ergänzt werden objektive Kriterien um die subjektiven Eindrücke, die unsere Kollegen gewonnen haben.
Alle Berichte unserer Serie finden Sie auf unserer Übersichtsseite zum Gottesdiensttest. Dort finden Sie auch ausführliche Infos.