Ohne Telefon, ohne E-Mail...

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Eine simple Ampelschaltung basteln, das müssen die "Azubis" alle einmal gemacht haben (von links): Steffen Schwandner, Bettina Fink, Denis Schmidt und Yazan Yehia befassten sich mit der speicherprogrammierbaren Steuerung. Fotos: Brigitte Krause/Coca Cola Knetzgau
Eine simple Ampelschaltung basteln, das müssen die "Azubis" alle einmal gemacht haben (von links): Steffen Schwandner, Bettina Fink, Denis Schmidt und Yazan Yehia befassten sich mit der speicherprogrammierbaren Steuerung. Fotos: Brigitte Krause/Coca Cola Knetzgau
Thomas Etzel
Thomas Etzel
 
Susanne Moczadlo
Susanne Moczadlo
 

Coca-Cola Knetzgau und Yazan Yehia fanden zusammen, obwohl die Bewerbung nicht ganz perfekt war. Der Großbetrieb sucht jetzt schon Azubis für 2018.

Yazan Yehia studierte vor drei Jahren in Syrien Pharmazie, sein Vater, Agraringenieur, wollte, dass der Bub einen Beruf mit Zukunft lernt. Der Krieg bog die Lebenslinien in eine andere Richtung. Yazan Yehia schaukelte mit einem Sechs-Meter-Gummiboot in einer vierstündigen Harakiri-Fahrt über das Meer, er flog und reiste mit dem Bus und landete 2015 in Haßfurt. Bei der großen Flüchtlingswelle machte er sich als Dolmetscher in den Dürer-Weg-Turnhalle in Haßfurt nützlich, er kniete sich in die Deutschkurse bei der Volkshochschule, begann im letzten Herbst in Schweinfurt, Elektrotechnik zu studieren - und brach ab. "Es gibt kein Wörterbuch für deutsch-arabische Fachbegriffe", sagt der 22-Jährige, jetzt "sind meine Kollegen mein Wörterbuch", sein Lächeln wird breiter. Seit 1. August lernt er im Werk Knetzgau von Coca-Cola European Partners Deutschland Elektroniker für Automatisierungstechnik. Elektrisches Gerät hat er schon als Kind mit Begeisterung auseinandergenommen und zusammengebaut.


Im dritten Lehrjahr

Yazan Yehias Ausbildungspate Steffen Schwandner ist Mechatroniker im dritten Lehrjahr, auch er ist im Werk eine Besonderheit: Als Seiteneinsteiger orientierte sich der junge Maler und Lackierer nach acht Jahren auf dem Bau um. Der heute 26-Jährige bilanziert: "Ich konnt' mir nicht vorstellen, das bis zur Rente zu machen." Am neuen Platz musste er sich anfangs beim Fachwissen durchbeißen, heute ist er froh über die im Vergleich zum Bau sehr durchstrukturierten Arbeitsabläufe, "man weiß, was man zu tun hat". Thomas Etzel, als Ausbilder Technik und Werkstattleiter für momentan fünf Lehrlinge der insgesamt 17 "Azubis" im Werk zuständig, ist sehr zufrieden mit seinem Team. Der Nachwuchs ist im Vergleich zu früher in den letzten Jahren durchschnittlich etwas älter und damit reifer. Das ist gut, denn es ist anspruchsvolles Wissen, das vermittelt werden muss.

Die vor eineinhalb Jahren neu installierte Produktionslinie, nennt Etzel als Beispiel, "ist eine Herausforderung". Die Mitarbeiter haben es mit einer komplett vernetzten Anlage zu tun, die man vom Laptop aus verwalten und steuern kann. Mechanik, Elektronik und immer mehr Informationstechnik braucht es, um hier durchzusteigen. Coca- Cola bildet in insgesamt sechs Berufen aus, neben Mechatronikern inzwischen fast noch mehr Elektroniker für Automatisierungstechnik. Elf "Azubis" sucht man jetzt schon für 2018.

Sogar ein Arbeitgeber wie der Knetzgauer Tarifbetrieb muss sich aber anstrengen. Susanne Moczadlo, Personalreferentin in Knetzgau, kennt das Spiel: Die jungen Leute ziehen sich zwei bis drei Lehrstellen an Land und suchen sich dann eine aus. So hatte man zuletzt zu kämpfen, kurzfristig die Planstelle in der Produktion zu besetzen. Die Knetzgauer wandten sich an verschiedene Stellen.


Bemerkenswerte Vorstellung

Da flatterte Susanne Moczadlo die schriftliche Bewerbung von Yazan Yehia auf den Tisch. Weil sie durch eine frühere internationale Beschäftigung ein Auge für fremdsprachige Bewerber entwickelt hat, fiel ihr diese auf: "In nur eineinhalb Jahren Deutsch zu lernen und jetzt auf Sprachlevel C1 zu sein, das ist schon sehr beeindruckend." Dass sich in Yazan Yehias Bewerbung weder Telefonnummer, noch E-Mailadresse befand, störte sie nicht: "Das fehlt ganz oft!" Im Bewerbungsgespräch wusste der selbstbewusste junge Syrer, der alle wichtigen Unterlagen dabei hatte, zu punkten. Noch mehr im zweiwöchigen Praktikum Er passt ins Team. Etzel muss grinsen, als er sich erinnert, dass Yazan Yehia gleich die paar Wochen bis zum Ausbildungsbeginn dableiben wollte - auch ohne Geld. Doch erst, schildert Moczadlo, musste geklärt werden: "Dürfen wir ihn beschäftigen?" Hier betrat man Neuland.

Voll des Lobes sind die Werksvertreter für die Unterstützung aus Arbeitsamt und Jobcenter. Viele Telefonate wurden geführt, viele Fragen geklärt. Susanne Moczadlo rief wegen Yazan Yehia sogar beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg an. Der Aufenthaltstitel des jungen Mannes gilt bis 2019, die Ausbildung dauert aber dreieinhalb Jahre. Garantien bekam Knetzgau nicht, doch kann sich ein Arbeitgeber darauf verlassen, dass die Behörde die Lehre berücksichtigt und eine Aufenthaltsverlängerung bei der Überprüfung des Flüchtlingsstatus' sehr wahrscheinlich ist.

Die Unternehmenssprecherin Christina Witt macht deutlich, dass Coca-Cola European Partners den höheren Aufwand einplant. Lehrlinge, die sich bei manchem Lehrinhalt überfordert fühlen, erhalten ebenso Unterstützung wie Geflüchtete, die Sprachunterricht brauchen.

Man kümmert sich um den Firmennachwuchs und arbeitet mit Vertrauen. Das fängt schon an beim iPad, das jeder Lehrling für die interne Kommunikation und die Ausbildung als digitales Berichtsheft bekommt. Etzel ist sicher: Da macht keiner Unsinn.