Seit Monaten werden Flüchtlinge in Notfall-Unterkünften im Landkreis Haßberge untergebracht. Dazu gehören auch Turnhallen in Sand und Haßfurt. Dank erster Erfahrungen konnte vieles optimiert werden. Einige Probleme aber bleiben.
Drei Monate, ein Vierteljahr, ist es nun schon her, dass die ersten Flüchtlinge aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt in den Landkreis Haßberge gekommen sind. In Sand ging die Belegung der Turnhalle mit bis zu 20 Flüchtlingen am Dienstag in die zweite Runde. "Die ersten Flüchtlinge sind am vergangenen Freitag gegangen", sagt Bernhard Ruß, Bürgermeister von Sand (SPD). Gekommen waren die ersten von ihnen im August. "Ursprünglich sollten sie sechs Wochen bleiben." Doch die Zeit hat sich fast verdoppelt. Ein Zeichen dafür, wie hoch die Auslastung allerorten ist.
Schon vier Tage nach der Abreise sind die nächsten Flüchtlinge da. "Doch diesmal sind wir besser vorbereitet", sagt Ruß. Anfangs standen Feldbetten in den kahlen Räumen im Untergeschoss der Turnhalle in Sand. "Jetzt haben wir ordentliche Betten, Vorhänge, Schränke und sogar in jedem Raum einen Fernseher - vom Sperrmüll", sagt Ruß. Und die Mülltonnen sind alle auf arabisch und deutsch beschriftet. Denn Bürgermeister legt Wert darauf, dass die Asylsuchenden frühzeitig wichtige Regeln des deutschen Alltags kennenlernen. "Und dazu gehört auch Mülltrennung."
Erste Erfahrungen gesammelt
Er ist froh, diesmal nicht ganz von vorne anfangen zu müssen. "Jetzt weiß ich nämlich auch, dass die Männer nicht gemeinsam duschen wollen", sagt Ruß. Er hat nun extra einen Duschplan erstellt, damit sich die Sportler alle in Ruhe duschen können und den Flüchtlingen es trotzdem möglich ist, einzeln zu duschen. Die Duschen seien das einzige, bei dem es Berührungspunkte mit dem Belegungsplan gibt. "Wir haben hier das Glück, die beiden Räume im Untergeschoss nutzen zu können, ohne den weiteren Betrieb zu beeinträchtigen." Einzig das Blasorchester musste ausweichen, hat aber nach Angaben von Ruß vor Ort andere Proberäume.
Haßfurt muss flexibel sein
In Haßfurt ist die Lage eine andere. "Die Einschränkungen sind hier maßgeblich, vor allem für den Schulsport", sagt Horst Hofmann, Geschäftsführer des Landratsamtes und des Zweckverbands Schulzentrum Haßfurt. In den Turnhallen Ost und West am Dürerweg sind in der Spitze 110 Flüchtlinge untergebracht. "Schulsport ist hier derzeit nicht möglich." Die Sportstunden würden umsortiert. "Einige Schüler können etwa nach Augsfeld ausweichen." Doch das bedeute Fahrtzeiten auf Kosten der Schulsportstunde. Auch der Vereinssport ist von der Nutzung der Turnhalle als Not-Unterkunft betroffen.
Vereine und Schulen betroffen
"Der Verein 'Rollende Basketballer' braucht einen barrierefreien Zugang und den haben nur die Turnhallen Ost und West", erklärt Hofmann. Die Sportler suchen sich jedoch andere Möglichkeiten und weichen - notgedrungen in sehr unregelmäßigen Abständen - auf Turnhallen in Ebelsbach oder Ebern aus, wie auf der vereinseigenen Internetseite zu lesen ist. "Zum Teil fällt das Training mancher Verein komplett flach", sagt Hofmann.
Auch Thomas Kern, Geschäftsführer des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV) in München, sagt in einem dpa-Artikel, dass die Entwicklung in der Flüchtlingskrise und die zunehmend sehr kurzfristige Belegung kommunaler Turnhallen für die Sportvereine in Bayern flächendeckend ein Problem darstelle. Sollten noch mehr Hallen zu Unterkünften umfunktioniert werden, seien die Ausweichmöglichkeiten für Vereine irgendwann ausgeschöpft und das Sportangebot nicht mehr aufrechtzuerhalten. "Auf Dauer wird das nicht funktionieren. Schon jetzt werden aus allen Regionen Engpässe gemeldet, die Grenzregionen sind natürlich besonders belastet", sagt Kern gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe zwar eine große Solidarität mit den Flüchtlingen, die Schulen und 12 000 Sportvereine im Freistaat seien aber auf funktionale Sporträume in angemessenem Umfang angewiesen.
Der Sander Bürgermeister Bernhard Ruß setzt zu 100 Prozent auf das Verständnis der Bürger, da die Einschränkungen "marginal" seien. "Ich weiß nicht, was es über die Unterbringung der Flüchtlinge in der Turnhalle zu diskutieren gäbe", betont er. Auch in Haßfurt überwiege laut Horst Hofmann das Verständnis für die Flüchtlinge - trotz der starken Auswirkung auf den Schul- und Vereinssportbetrieb. Sowohl die Vereine als auch die Schulen würden sich bisher mit der Situation gut arrangieren. Doch längerfristig stellt die "Abdeckung des Schulunterrichts tatsächlich ein Problem dar".
Hohe Belastung, wenig Zeit
Aber: In Haßfurt gibt es schlicht keine andere Möglichkeit, so Hofmann. Denn schon bevor die Turnhallen Ost und West belegt waren, lag die Ausnutzung der fünf "Turnhalleneinheiten" bei fast 100 Prozent. "Immerhin klappt die Unterbringung der Asylsuchenden in den Turnhallen bisher recht gut, doch die Auswirkungen auf andere Bereiche sind noch schwierig zu bewältigen", sagt Hofmann zusammenfassend.
Verschnaufpause wünschenswert
Eine weitere Schwierigkeit sieht der Geschäftsleiter des Landratsamtes in der Versorgungslage der Flüchtlinge: "Die ehrenamtliche Arbeit spielt eine große Rolle" Aber der Aufwand ist enorm, die Belastung sehr hoch. Auch Bürgermeister Bernhard Ruß sagt: "Es wäre toll, wenn noch mehr Gemeinden Räume für Flüchtlinge finden könnten, damit wir vielleicht einmal aussetzen können für ein paar Wochen." Denn einen großen Teil der vor allem integrativen Arbeit leisten auch in Sand ehrenamtliche Helfer - und das meist neben dem Beruf und persönlichen Alltag.
Kommentar von Friederike Stark:
Integration heißt nicht Assimilation Es ist erfreulich und verdient Respekt, dass der Landkreis Haßberge so schnell und reibungslos hunderte Flüchtlinge aufnehmen konnte und noch immer kann. Die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, die teils traumatisiert, immer jedoch völlig erschöpft hier ankommen, finden ein Bett, ein Dach über dem Kopf. Und viel wichtiger: Sie treffen auf zahlreiche Menschen, die helfen wollen. Diese Menschen sind es, die den Nährboden für eine gelungene Integration bilden.
Wichtig ist nun, diesen Nährboden nicht mit falschen Erwartungen zu vergiften. Denn: Integration darf nicht mit völliger Anpassung verwechselt werden. Ein gutes Beispiel für ein gelungenes Miteinander zeigt sich in Sand: Die Flüchtlinge lernen die Regeln des deutschen Alltags kennen, wie etwa im Straßenverkehr oder bei der Mülltrennung. Und auf der anderen Seite versuchen Bürgermeister Ruß und die ehrenamtlichen Helfer, den kulturell geprägten Bedürfnissen der Asylsuchenden respektvoll zu begegnen, indem es den in Sand untergebrachten Männern ermöglicht wird, einzeln zu duschen. Integration wird dann gelingen, wenn man sich gegenseitig entgegenkommt.