Wissenschaftler der Uni Bamberg zetteln in Fatschenbrunn gerne Projekte an. Eines leitet Patrick Cassitti. Er läuft mit Studierenden über Felder, sammelt noch so kleine Keramikscherben und steckt alles in handelsübliche Brotzeittüten.
Zwölf mal 250 ergibt 3000. Angenommen, ein Arbeitnehmer schmiert sich jeden Morgen von Montag bis Freitag sein Vesperbrot und steckt dieses in eine Brotzeittüte, dann hat er nach zwölf Berufsjahren 3000 verbraucht. So viele wie das Projektteam von Doktor Patrick Cassitti an vier Tagen. Kein Wunder, dass die Kassiererin im Supermarkt etwas verwundert dreingeschaut hat, wenn Cassitti immer wieder eine Großpackung neuer Tüten eingekauft hat.
Statt einer Zwischenmahlzeit liegen in den milchigen Tüten winzig kleine bis ziemlich kleine Stücke. Ja, von was eigentlich? Von Kunststoff, von Glas, erdbestaubte Keramikscherben, alte Ziegelsplitter - alles, was den Archäologen etwas verraten kann, wie zum Beispiel: Wie wurde früher gedüngt? "Düngemittel war früher etwas sehr wertvolles", sagt Patrick Cassitti vom Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit.
Pflanzen, die pflege- und düngebedürftiger waren, legten die Bauern näher am Ortsrand an. Wenn Larissa Schulz, Leonie Popp und Lukas Dietze also auf den Feldern, die nahe den Häusern liegen, unterwegs waren, kam es häufiger vor, dass sie Keramik und Ziegel fanden, als weiter in Richtung Waldrand, denn die Tonscherben nutzten die Bauern gerne zur Auflockerung der Erde.
Daten gehen in viele Richtungen Das Projekt "Fatschenbrunn Survey" beschäftigt die Studenten drei Wochen: Vier Tage Feldbegehung in der Flur des goldenen Dorfes in Oberaurach liegen bereits hinter den Dreien. Seit Montag friemeln sie die 3000 Tütchen auseinander, sortieren nach Art des Fundes und nach Fund-Kennziffer. Dann werden die Daten in eine Tabelle eingegeben - nach exakt gemessenem Fundort, Aussehen, Material, ... - und schließlich in ein System übertragen, das die Dichte der Funde bestimmen soll.
Die Studenten werten bereits die fünfte Feldbegehung seit September 2012 aus. Jeweils im Frühjahr und Herbst, wenn die Acker gepflügt sind, kann Cassitti das Projekt für Archäologie-Studierende anbieten. Mittlerweile gehören Wissenschaftler, die durch Gärten streunen, um Obstbäume zu bestimmen, oder um Felder komische Geräte aufstellen und ständig etwas vom Boden aufheben, für die Fatschenbrunner zum Ortsgeschehen dazu. Komisch beäugt werden die Nachwuchs-Forscher deshalb nur noch selten: "Eine Frau hat mal gemeint, dass wir hier blitzen", sagt Lukas, der neben Archäologischen Wissenschaften noch Geographie studiert, "dabei war die nächste Straße zwei Kilometer entfernt." Daraufhin meint Leonie, die ihm gegenüber sitzt: "Es war ja aber Blitzer-Marathon." Sie steht noch am Anfang ihres Studiums.
Bei ihrer ersten Feldbegehung hat sie zwar erfahren, dass es auch ziemlich langweilig werden kann, "wenn man längere Zeit an toten Punkten sucht", würde sich aber grundsätzlich wieder einem derartigen Projekt anschließen. So wie Larissa Schulz, die ihren Master macht.
Sie sieht mittlerweile schon gut, was uninteressante Stein-scherben sind und was Keramik ist. "Irgendwann hat man einfach das Auge dafür", sagt auch Lukas. Wenn das Wetter passt, die Sonne scheint, der Regen vielleicht sogar einen Tag davor die Erde von den auf der Oberfläche liegenden Teilchen abgewaschen hat, "dann findet man sogar ganz kleine Scherben", sagt Larissa.
Dass das goldene Dorf mehr als ein grüner Hingucker und ein Paradies für Gärtner und Landwirte ist, kann Cassitti an dem Urkataster von 1845 erklären: Auf seinen zwei Plänen sieht auch ein Laie, dass sich die urtümliche Garteneinteilung der Landwirtschaft bis heute kaum
verändert hat. Kleine Parzellen, der Wald, der Fatschenbrunn nahezu rundherum abschließt, keine Verkehrsstraße, die direkt durchführt, wodurch von außen mehr hereingetragen worden wäre: "Fatschenbrunn ist wie eine Art Insel - und von Bamberg aus gut zu erreichen", sagt Cassitti. Das Dorf ist besonders.
Nicht die letzte Feldbegehung Erste farbige Ausschläge hat er in einer Karte schon eintragen können. Auf seiner Wunschliste, was alles für Ergebnisse möglich seien, steht: Was sind die Grenzen von der Methode Survey? Wie und in welchem Zusammenhang steht es um die Artenvielfalt? Wie sahen Wiesen früher aus ? Wie wurden die Felder unter den Bauern verhandelt?
Bis die Inhalte der über 15 000 Brotzeittüten aus den letzten zwei Jahren mit anderen Wissenschaftlern aus Botanik und historischer Geographie endgültig ausgetüftelt werden können, schwärmen Cassitti noch die einen oder anderen Äcker im Kopf umher, über die er seine Studenten mit wachsamen Augen in Fatschenbrunn schicken wird.