Hannah Schuhmann kellnert nicht und fährt auch keine Pizzen aus. Ihr Nebenjob ist alles andere als gewöhnlich: Sie sammelt im Wald in Sailershausen Eicheln. An einem guten Tag bekommt sie einen Stundenlohn von zwölf Euro.
Kastanien, Nüsse, Eicheln: Ein Kind läuft im Herbst nur selten an diesen Sachen vorbei, ohne sich zu bücken. Erwachsene beherrschen sich dagegen schon öfter, allerhand von der Straße aufzulesen. Nicht aber Hannah Schuhmann. Denn immerhin bekommt die 18-Jährige Geld dafür, dass sie die Früchte der gigantischen Laubbäume sammelt. In den Wäldern von Sailershausen stehen viele Eichen. So viele, dass das Universitätsforstamt einen ganz einzigartigen Nebenjob für Klein und Groß ausgeschrieben hat: Eicheln sammeln.
Allein im Wald Berufliche Anforderungen: Wissen, wie Eicheln aussehen und Lust haben, mit offenen Augen durch den Wald zu laufen. Und das wird geboten: Pro Kilogramm Eicheln, die die Sammler in der Forststelle in Sailershausen abgeben, gibt es 1,70 Euro. "Wer sich im Wald auskennt, kann da schon mal auf einen Stundenlohn von zehn Euro kommen", sagt Hans Stark, zuständiger Förster im Universitätsforstamt Sailershausen.
Hannah Schuhmann schafft es hin und wieder sogar auf einen Zwölf-Euro-Stundenlohn und ist bei weitem nicht die Einzige, die sich auf diese Stellenausschreibung gemeldet hat. Für Familien, Rentner und auch den einen oder anderen Studenten hat Hans Stark bereits eine Saison-Sammelkarte ausgestellt - 17 insgesamt. "Es sind aber auch viele Familien dabei, die mit allen Familienmitgliedern sammeln. Insgesamt dürften um die 50 Sammler unterwegs sein", sagt Hans Stark.
Vor vier Jahren hat sich Hannah Schuhmann zum ersten Mal auf die Suche begeben. Eine Freundin, die damals noch im Forstamt gewohnt hat, hat ihr von dem Job erzählt. Gehört, getan.
Nicht allein im Wald Immer mal wieder, drei bis vier Stunden, verbringt Hannah im Wald: "danach wird es zu anstrengend und macht auch keinen Spaß mehr". In warmer Jogginghose, die sie in ihre Gummistiefel reinsteckt und dicker Jacke, die Hannah schon aus dem Schrank geholt hat, geht es in den Wald. Ganz alleine.
Angst hat sie keine. Gruselig sei am im Wald rumlaufen auch überhaupt nichts. "Es sind so viele Leute da, die Eicheln sammeln, eigentlich ist immer jemand in der Nähe", sagt Hannah. Die 18-Jährige ist eine der jungen Erwachsenen, die die Klischees über junge Leute aufbrechen - und eine, die so mancher Erwachsener um ihren "Arbeitsplatz" an der frischen Luft beneidet.
Wenn die Eichen nicht gerade ihre Früchte abwerfen und sich geschickt damit Geld verdienen lässt, ist Hannah trotzdem zwischen Bäumen unterwegs: "Ich bin gerne im Wald und sammle zum Beispiel auch Pilze."
In diesem Jahr hat es bei Hannah für nicht ganz so viele Eicheln gelangt. Sie befindet sich mitten im Umzugschaos. Aber immerhin: 147 Kilogramm hat sie aus dem Wald herausgetragen. Die 250 Euro investiert sie gleich in ihre neue Wohnung.
Kein Kampf um die Eicheln "147 Kilogramm???!" - wird sich so mancher denken, wenn er hört, welche Massen an Eicheln schon eine einzelne Sammlerin findet, die nicht einmal so viel Zeit hatte wie sonst. Hannah "erkennt sofort, ob ein anderer Sammler den Baum schon gelesen hat". Wenn das so ist, müsse sie sich eben einen anderen Baum suchen. Konkurrenz oder kämpferisches Wettsammeln gäbe es nicht: "Man kennt nur wenige, weil jeder in seinem eigenen Gebiet sammelt."
Bislang hat die Försterei 6937 Kilogramm Eicheln angenommen. Insgesamt benötigt Hans Stark aber gut 12 000 Kilogramm. Das zuständige Universitätsforstamt Sailershausen kümmert sich dann darum, dass die getrockneten Früchte richtig ausgesetzt werden und neue Eichen sprießen können. "2500 Kilogramm haben wir auf zwei Äcker ausgesät, die als Ersatzaufforstungen für den Bau des Windparks Sailershäuser Wald angelegt wurden", sagt Stark. "Den Rest verkaufen wir an Baumschulen, die daraus junge Eichenbäumchen ziehen."
Die Samen werden in den Baumschulen eine Zeit lang bei Temperaturen um die 45 Grad getrocknet, damit der Schwarzschimmelpilz, eine Pilzerkrankung welche die Keimfähigkeit der Eicheln verhindert, nicht zum Ausbruch kommt. In der Natur spiele dieser Pilz keine große Rolle, da genügend Eicheln auf den Boden fallen und immer noch genug gesunde Eicheln zum Sammeln übrigbleiben. Ein Teil der Eicheln - in etwa 20 Prozent - sei auch mit der Larve des Eichelbohrers befallen, welche die Eicheln aushöhle.
Für Hannah ist in diesem Jahr schon nach wenigen Tagen Schluss mit Sammeln. Ihre Kisten sind gepackt, die letzten Eicheln im Forstamt abgegeben. Ob es in Hannahs neuem, zweiten Zuhause, wo sie jetzt erstmal das Studieren anfängt, wieder so einen besonderen Nebenjob geben wird, wird sich wohl erst im nächsten Herbst zeigen.