Büroberufe sind gefragt, wenn es um Lehrstellen geht. Im Handwerk ist das von Branche zu Branche recht unterschiedlich.
Ines Giehl zieht unter den Augen von Geselle Sascha Wannenmacher den Teig in Form, nachdem sie ihn übereinandergeschlagen hat. Etwas Mehlstaub. Eine Tour durch die Maschine. Die Prozedur wiederholt sich. So macht man Blätterteig. Macht's Spaß? "Sehr", kommt es mit Nachdruck von der jungen Frau aus Sylbach.
Ines Giehl lernt in Knetzgau das Bäckerhandwerk seit September. Die 19-Jährige hatte schon eine Ausbildung, findet jetzt aber in der Bäckerei zu dem, was ihr wirklich gefällt. Deshalb kann die Lehrzeit um ein Jahr verkürzt werden. Ob Ines Giehl im Betrieb bleibt? "Hoff' mers'. Wir wollen sie alle behalten", unterstreicht Julia Schlereth (35) und lächelt.
Sie ist Bilanzbuchhalterin und in der Verwaltung des elterlichen Betriebs in Knetzgau, ihre Schwester Vera (29) arbeitet als Bäckerin in der Backstube - zusammen wollen sie, Vera Schlereth dann als Meisterin, den Betrieb weiterführen.
Eine schwierige Zukunft
Ein Grund, um stolz zu sein. Und auch ein wenig besorgt, wie sich im Gespräch mit Mutter Annelore Schlereth zeigt. Mit ihrem Mann Hubert hat sie den Traditionsbetrieb von Opa Rudi übernommen, ihn ausgebaut. Sie kennt die Herausforderungen der Branche, den Konkurrenzdruck durch Discounter aber auch durch bürokratische Regelungen.
Auf der Suche nach Lehrlingen haben die Handwerksbetriebe im Nahrungsmittelsektor momentan die größten Probleme. Wer möchte schon Nachtarbeit? Es kommt immer wieder vor, dass die Industrie die Arbeitskräfte nicht nur vorher, sondern auch nach der Lehre abgreift, es winkt fast der doppelte Lohn. Die Mühen der Ausbilder sind dann verloren.
Die Guten sind gleich weg
In Zeiten der Überalterung hat es die Jugend noch leichter, eine Lehrstelle zu finden, die guten Schüler sind gleich weg. Bis heute gehört das Bäckerhandwerk zudem zu den Bereichen im unteren Lohnsektor - ob nun Bäcker-Lehre oder Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk mit Schwerpunkt Bäckerei. Früher hatten die Bewerber ein Zeugnis aus der Realschule, mittlerweile klopfen fast nur noch Jugendliche aus Förderschulen an. Was gar nicht so schlecht ist, wie Julia Schlereth sagt. Oft in der Praxis stark, gibt es für sie hier im Handwerk Lösungen. Für das Gespräch mit der Zeitung hat sie zudem recherchiert: Zwischen 2008 und 2016 hat sich die Zahl der Ausbildungsstellen im Bäckerhandwerk halbiert. Auch die Betriebe schmolzen durch den Druck der industriellen Fertigung.
Im Familienbetrieb Schlereth stemmt man sich gegen den Wind, arbeitet mit Schulen zusammen und bietet Praktika an. Hier knüpft man erste Kontakte, dazu widmet man sich intensiv den Azubis im Betrieb: "Wir versuchen, die Lehrlinge durch alle Abteilungen zu bringen", je nach Ausbildungsstand und Eignung, erklärt Julia Schlereth. Annelore Schlereth ergänzt, dass jeder mit Augenmaß die für ihn optimale Förderung bekommt.
Eine ganze Menge Lehrlinge
Momentan bildet Schlereth sieben junge Menschen aus, im Verkauf drei, in der Backstube vier; in dem 72-Mitarbeiter-Betrieb ist man laufend auf Personal angewiesen. Die Arbeit ist personalintensiv. "Mohnzöpfchen und Brezen werden von Hand gedreht", schildert Julia Schlereth ein Beispiel von vielen.
In dem Handwerksbetrieb verwendet man kaum fertige Mischungen. Die Rezepturen für Brot und Brötchen stammen (zum Teil zeitgemäß angepasst) vom Großvater. Ein Lehrling lernt in der Backstube nicht nur, wie Sauerteig angesetzt wird, er lernt handwerkliches Wissen: Denn mit jeder Ernte reagiert das Mehl anders, einmal genügt die abgemessene Wassermenge, ein anderes Mal muss es mehr sein.
Das Gespür für das Handwerk herrscht in dem Betrieb. Und Menschlichkeit. Mutter Annelore Schlereth hat nebenbei vier Mädels aufgezogen und freut sich an sieben Enkeln: Im Betrieb ist sie wie die übrigen Familienmitglieder Ansprechpartner für die Beschäftigten. Man kennt sich, man spricht über Probleme oder Konflikte bei der Arbeit. Und man löst sie.
Perspektive für ein ganzes Leben
Wer hier arbeitet und in das Team passt, der hat vielleicht nicht so viel Lohn, aber er hat eine feste Arbeitsstelle mit Zukunftsperspektive. Und Raum für Kreativität. Die Chefs haben ein offenes Ohr für Anregungen. Juniorchefin Julia Schlereth schwebt vor, einen Azubi-Tag einzuführen, die Präsenz auf Facebook könnte man verbessern.
Sie denkt positiv und setzt darauf, dass den Kunden der Wert von Lebensmitteln bewusst wird. Wertschätzung, die sich in der Bereitschaft niederschlägt, einen angemessenen Preis für ein wertiges Lebensmittel zu bezahlen.
In Knetzgau hat man Lehrlinge. Das ist in vielen anderen Handwerksbetrieben im Landkreis Haßberge - vor allem im Lebensmittelbereich - nicht so, weiß Kreishandwerksmeister Hans-Georg Häfner (Eltmann). Vor allem die Metzger finden kaum Interessenten. Betriebe, die unsere Zeitung zu dem Thema per Telefon kontaktiert, winken ab: "Wir haben seit Jahren keine Lehrlinge mehr", erklärt eine Metzgerei-Mitarbeiterin im Maintal. Im Verkauf wie in der Metzgerei. Die Werbung, die in den letzten Jahren für die Pflegeberufe gemacht wurde, fruchtet, macht der Kreishandwerksmeister deutlich. Die Jugend wendet sich dorthin.
Nachwuchs macht doch fast zehn Prozent der Belegschaften aus
Dabei ist im Großen und Ganzen die Situation im Handwerk nicht schlecht: 225 neue Verträge liegen auf dem Tisch des Kreishandwerksmeisters. Das heißt, die Auszubildenden kommen auf nahezu zehn Prozent der Beschäftigten. 80 bis 90 freie Stellen dürfte es im Handwerk geben, schätzt Häfner. Auch bei den Malern und Verputzern.
Eines weiß der Kreishandwerksmeister: Gute Ausbilder bleiben im Gespräch, "wer länger mal nicht ausgebildet hat, für den ist es natürlich noch schwieriger, jemanden zu finden".