Bei Familie Walter in Lembach klingeln die Wecker früh, damit Kunden auf dem Markt mit frischer Ware verwöhnt werden können.
Es ist 1.30 Uhr. Nachts. Eva Walter verschwindet - noch in Trance - im Badezimmer. Seit gut einem halben Jahr gewöhnt sie sich täglich ein bisschen mehr an den neuen Tagesrhythmus. 15 Minuten später verlässt die Lembacherin mit Welpe Lina das Haus. Durch die Nebelschwaden der Nacht bahnt sie sich den Weg von Lembach nach Burgebrach. Wie eingespielt biegt Evas Bruder, Daniel Walter, zur gleichen Zeit in die Hofeinfahrt in Burgebrach ein. In der dunklen Nacht sieht man von weitem erst einmal nur den glühenden Zigarettenkopf und dann den großen, schlaksigen Mann in einem waldgrünen Fleece, das bis zum Kinn hochgezogen ist. Sobald das Licht hinter den großen Toren der eigenen Markthalle anspringt, sind alle Beteiligten mitten im Geschäftsalltag angekommen.
Lembach - Burgebrach - Nürnberg
Erste Aufgabe: Kaffee durchlaufen lassen.
Dann fährt auch schon der Sprinter vor und lädt die frische Ware für den angebrochenen Markttag in Burgebrach und Bamberg aus: Äpfel, Himbeeren, Pilze, allerlei. Die Beeren kommen aus Prichsenstadt von Bauer Roland Zieracker, der Familie Walter seit Jahren mit fränkischem Spargel und Beeren beliefert. Die Pilze kommen aus dem Bayerischen Wald von einem Pilzhändler. Vom Steinpilz bis zur Krausen Glucke - oder auch "Fedda Hennen", wie Elfriede Walter, Daniel und Evas Mama, ihren Kunden auf dem Bamberger Markt erklärt.
In Nürnberg haben sich Daniel Walter und sein Geschäftspartner Zieracker Anfang des Jahres auf dem Großmarkt eine Halle gekauft. Lebensmittelskandale und Preisdumping auf der einen Seite, "regional" und "saisonal" als Schlagworte für modernes Umweltbewusstsein auf der anderen. Vertrauen scheint im Marktwesen ein ungeschriebenes Gesetz zu sein. Aber: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.
Denn bis der Steinpilz in der Soße landet, gilt es, vier Stationen zu überwinden: Bayerischer Wald - Pilz-/Großhändler - Abnehmer - Kunde. Dass die Kunden immer anspruchsvoller werden und darauf vertrauen, qualitative Ware, möglichst aus der Region, auf dem Markt einzukaufen, weiß die ganze Familie Walter nur zu gut. "Einerseits schreien alle nach Bio und entscheiden sich bewusst für Obst und Gemüse aus der Region", sagt Walter. Eine Kehrseite erlebt er als Unternehmer aber auch: Nicht alle Kunden wissen die Qualität zu schätzen und kennen sich erst recht nicht mit Gemüseanbau aus, "beschweren sich aber trotzdem über den Preis". Es kommt schon mal vor, dass die Kunden von Stand zu Stand tingeln, Preise vergleichen und Pfifferlinge finden, die tatsächlich günstiger sind.
"Manchen ist einfach nicht bewusst, dass nicht immer fränkisch oder deutsch in der Ware drinstecken kann, wenn es draufsteht." Mit dem Zusatz werben zwar viele, doch hin und wieder müsse die Kundschaft auch das Denken anfangen.
Auch wenn ein Kunde meckert, die Familie ist überzeugt, dass am Ende die Qualität zählt, für die sie - und andere Beschicker auch - einstehen. Eigentlich ist es für die Kundschaft ganz einfach: Bei einem guten Händler riecht es wie auf einem Himbeerfeld oder wie im Wald.
Lembach ist früh wach
Mittlerweile ist es kurz vor 5 Uhr. Es wird auch für Elfriede Walter in Lembach Zeit aufzustehen. Ihre zwei Weimaraner, Amy und Cora, schlawenzeln um ihre Beine. Müdigkeit ist ab jetzt fehl am Platz.
Mit der ersten Stange fränkischen Spargel - Ende März, Anfang April - steht sie auf dem Bamberger Markt, mit den letzten fränkischen Beeren ist Schluss. Noch einmal heißt es am Samstag arbeiten, dann gilt es sich für das Weihnachtsmarktgeschäft mit Wild zu erholen und die Oma-Zeit (mit ihrer Enkelin Theresia) zu genießen. In diesem Rhythmus geht es Jahr für Jahr: Am Ende jeder Marktsaison sind ihre Knochen müde und die Nerven von skurrilen Kundenwünschen überstrapaziert. Aber noch bevor es wieder losgeht, ist die Sehnsucht nach dem Markttreiben wieder entfacht. Vom Nichtstun versteht bei Familie Walter keiner etwas.
Während Elfriede ihren ersten Kaffee aufsetzt, ackern sich ihre Kinder, Eva und Daniel, auf dem Großmarkt durch die Nacht dem Sonnenaufgang, und damit dem Feierabend, entgegen.