Die Gruppe absolvierte drei Übungseinheiten mit Schaum. Dann stand der Abschiedsscherz an; ein Ritual, das an und für sich den Ausbilder ehren sollte. Der genaue weitere Ablauf war nicht mehr sicher zu rekonstruieren. "Ein Tohuwabohu", nannte es Griem, denn die Zeugen konnten zwei Jahre später nicht mehr zuverlässig unterscheiden, was sie von Anfang an beobachtet hatten und was sie erst durch das Reden darüber erfahren haben.
Bis er um Hilfe schrie
Fest steht, dass der Geschädigte in einen Käfig verfrachtet und dorthin gerollt wurde, wo die Schaumspritzen von der Übung zuvor bereitstanden. Ein Anwesender gab ihm noch eine Schutzbrille. Dann wurde für etwa zehn Sekunden eine geballte Ladung Schaum aus zwei Spritzen auf den Mann abgefeuert, bis er um Hilfe schrie. Er war von Kopf bis Fuß in Löschschaum eingehüllt und hatte deshalb Atemprobleme. Möglicherweise, so Griem, hätte der Ausbilder - objektiv betrachtet - noch weglaufen können. Was er wohl wegen des Gruppendrucks unterlassen hat, weil er "nicht Zeit seines Lebens als Depp da stehen wollte".
Wegen des nicht mehr exakt klärbaren Ablaufs verurteilte Griem die beiden Angeklagten nicht wegen Nötigung und Freiheitsberaubung, wie es die Anklage fordert. Sie bejahte aber das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung. Das Strafgesetzbuch kennt eine Auflistung von Mitteln und Vorgehensweisen bei Körperverletzungen, die als so schwerwiegend angesehen werden, dass sie mit einer Strafe ab sechs Monaten bedroht sind.
Die Variante "durch einen gesundheitsschädlichen Stoff" verwarf sie, denn das eingesetzte Löschmittel erstickt zwar Flammen, ist aber nicht gesundheitsschädlicher als Shampoo. Auch "durch eine lebensgefährliche Behandlung" verneinte sie, denn erst nach etwa 40 Sekunden Aspirieren des Schaums tritt ein Lungenödem mit möglicher Todesfolge auf.
Griem stützte ihr Urteil auf die gemeinschaftliche Begehungsweise. Obwohl der Angeklagte an der Spritze gerade belehrt worden war, dass Haut- und Augenreizungen die Folge seines Tuns sein könnten, nahm er solche billigend in Kauf. Er wäre aber entlastet, wenn das Opfer in den "Spaß" eingewilligt hätte. Dazu fehlte dem Mann die Möglichkeit. Denn der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dazu eine Person eine konkrete Vorstellung vom Umfang des Geschehens haben müsse. Was bei einer Überraschung nicht der Fall ist, noch dazu, weil dieser Ausbilder das Ritual des Einschäumens zum Abschied nicht kannte. Auf eine wirksame Einwilligung hatten die Verteidiger der Angeklagten, Julia Weinmann und Özhan Erenoglu, ihrer Plädoyers für einen Freispruch gestützt.
Auch Rituale sind strafbar
Weinmann argumentierte zugunsten des Ausbildungsleiters auch damit, dass dieser kein Anstifter im Sinne des Gesetzes gewesen sei, weil das animierende Bilderzeigen dafür nicht konkret genug gewesen sei. Insgesamt kam Griem zu der Auffassung, die Vorgänge lägen so deutlich unter dem Normalfall einer Körperverletzung, so dass sie als minderschwerer Fall zu werten seien. Sie betonte: "Nur weil es ein Ritual gibt, befreit das nicht von der Strafbarkeit."
Hatte Griem schon im Verhandlungsverlauf die vielen Zuhörer aus Feuerwehrkreisen vor offenkundigen Kommentierungen gewarnt, fügte sie am Ende noch hinzu: "Ich hatte zwischendurch das Gefühl, der Ausbilder wurde an den Pranger gestellt, dass er übertreibe. Eine psychische Beeinträchtigung ist etwas Gewaltiges."